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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Ein Evangelist in Brasilien. Aus dem Nachlaß des vormaligen Pfarrers
der deutsch-evangelischen Gnncindc in Rio de Janeiro Hermann Billroth, von Albert
Billroth, Vormittagsprediger an Se. Marien Magdalenen in Naumburg a./S.
Mit dem Porträt H. Billroths und einer Karte. Bremen, Müller.

Dieses Lebensbild Billroths, durch pietätvolle Bruderhand in eingehend¬
ster Ausführlichkeit entworfen, wird namentlich für Theologen von Fach von
Interesse sein, aber auch in weiteren Kreisen nicht nur erbauend und belehrend,
sondern durch die mannigfaltigen mit eingeschalteten Reisebilder selbst unter¬
haltend wirken.

Der Kern des Buches, die Schilderung der protestantischen Zustände Bra¬
siliens, liebe sich allerdings auf einen weit geringeren Raum zusammendrängen,
aber es ist wiederum von Werth, das Detail in ganzer Breite vor sich zu haben,
wo es gilt, für die Lösung einer so wichtigen ' kirchlichen Frage von speciell
deutschem Interesse Erfolg versprechende Anregungen zu geben. Tic evangelische
Kirche in Brasilien ist ja wesentlich ein von Deutschen gegründetes Werk
für Deutsche. 1826 ward unter dem Protectorat des Königs von Preußen die
erste evangelische Gemeinde >n Rio de Janeiro constituirt; seitdem haben sich
das basaler und barmcr Missionshaus für Brasilien geöffnet und, unterstützt
von dem Gustav-Adolph-Berein sowie durch andere nicht unergiebige Samm¬
lungen, das Land mit Geistlichen versorgt. Der berliner Oberkirchenrath hat
die obere Leitung der gesammte." kirchlichen Verhältnisse übernommen und den
brasilianischen Protestanten wie in anderen wichtigen Angelegenheiten, so nament¬
lich in der Ehcfrage, wo ihnen die härtesten und unbilligsten Schwierigkeiten
in den Weg gelegt wurden, manchen werthvollen Fortschritt erkämpft. Aber es
ist sehr zu beklagen, daß es ihm bis jetzt noch nicht gelungen, eine rechte ein¬
heitliche Zusammenhciltuug und Organisirung der bestehenden oder neu ein¬
gerichteten Gemeinden zu erzielen; das Schlimmste ist, daß die Gemeinde in
5!iio ihrem überwiegenden Bestandtheil nach sich von ihm losgesagt und unter
einem selbstgewählten Geistlichen frcigemeindlich constituirt hat. Das mag frei¬
lich zum Theil mit daher kommen, daß man diese Gemeinde, die schon seit
1833 darauf drang, "ihr keine mystischen Kopfhänger, sondern Leute zu senden,
die rein biblische Moral predigten", meist mit Geistlichen aus streng orthodoxen
Kreisen versorgt hat, und es ist aus dem Buche nicht überall mit Klarheit zu


Ein Evangelist in Brasilien. Aus dem Nachlaß des vormaligen Pfarrers
der deutsch-evangelischen Gnncindc in Rio de Janeiro Hermann Billroth, von Albert
Billroth, Vormittagsprediger an Se. Marien Magdalenen in Naumburg a./S.
Mit dem Porträt H. Billroths und einer Karte. Bremen, Müller.

Dieses Lebensbild Billroths, durch pietätvolle Bruderhand in eingehend¬
ster Ausführlichkeit entworfen, wird namentlich für Theologen von Fach von
Interesse sein, aber auch in weiteren Kreisen nicht nur erbauend und belehrend,
sondern durch die mannigfaltigen mit eingeschalteten Reisebilder selbst unter¬
haltend wirken.

Der Kern des Buches, die Schilderung der protestantischen Zustände Bra¬
siliens, liebe sich allerdings auf einen weit geringeren Raum zusammendrängen,
aber es ist wiederum von Werth, das Detail in ganzer Breite vor sich zu haben,
wo es gilt, für die Lösung einer so wichtigen ' kirchlichen Frage von speciell
deutschem Interesse Erfolg versprechende Anregungen zu geben. Tic evangelische
Kirche in Brasilien ist ja wesentlich ein von Deutschen gegründetes Werk
für Deutsche. 1826 ward unter dem Protectorat des Königs von Preußen die
erste evangelische Gemeinde >n Rio de Janeiro constituirt; seitdem haben sich
das basaler und barmcr Missionshaus für Brasilien geöffnet und, unterstützt
von dem Gustav-Adolph-Berein sowie durch andere nicht unergiebige Samm¬
lungen, das Land mit Geistlichen versorgt. Der berliner Oberkirchenrath hat
die obere Leitung der gesammte.» kirchlichen Verhältnisse übernommen und den
brasilianischen Protestanten wie in anderen wichtigen Angelegenheiten, so nament¬
lich in der Ehcfrage, wo ihnen die härtesten und unbilligsten Schwierigkeiten
in den Weg gelegt wurden, manchen werthvollen Fortschritt erkämpft. Aber es
ist sehr zu beklagen, daß es ihm bis jetzt noch nicht gelungen, eine rechte ein¬
heitliche Zusammenhciltuug und Organisirung der bestehenden oder neu ein¬
gerichteten Gemeinden zu erzielen; das Schlimmste ist, daß die Gemeinde in
5!iio ihrem überwiegenden Bestandtheil nach sich von ihm losgesagt und unter
einem selbstgewählten Geistlichen frcigemeindlich constituirt hat. Das mag frei¬
lich zum Theil mit daher kommen, daß man diese Gemeinde, die schon seit
1833 darauf drang, „ihr keine mystischen Kopfhänger, sondern Leute zu senden,
die rein biblische Moral predigten", meist mit Geistlichen aus streng orthodoxen
Kreisen versorgt hat, und es ist aus dem Buche nicht überall mit Klarheit zu


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[0207] Ein Evangelist in Brasilien. Aus dem Nachlaß des vormaligen Pfarrers der deutsch-evangelischen Gnncindc in Rio de Janeiro Hermann Billroth, von Albert Billroth, Vormittagsprediger an Se. Marien Magdalenen in Naumburg a./S. Mit dem Porträt H. Billroths und einer Karte. Bremen, Müller. Dieses Lebensbild Billroths, durch pietätvolle Bruderhand in eingehend¬ ster Ausführlichkeit entworfen, wird namentlich für Theologen von Fach von Interesse sein, aber auch in weiteren Kreisen nicht nur erbauend und belehrend, sondern durch die mannigfaltigen mit eingeschalteten Reisebilder selbst unter¬ haltend wirken. Der Kern des Buches, die Schilderung der protestantischen Zustände Bra¬ siliens, liebe sich allerdings auf einen weit geringeren Raum zusammendrängen, aber es ist wiederum von Werth, das Detail in ganzer Breite vor sich zu haben, wo es gilt, für die Lösung einer so wichtigen ' kirchlichen Frage von speciell deutschem Interesse Erfolg versprechende Anregungen zu geben. Tic evangelische Kirche in Brasilien ist ja wesentlich ein von Deutschen gegründetes Werk für Deutsche. 1826 ward unter dem Protectorat des Königs von Preußen die erste evangelische Gemeinde >n Rio de Janeiro constituirt; seitdem haben sich das basaler und barmcr Missionshaus für Brasilien geöffnet und, unterstützt von dem Gustav-Adolph-Berein sowie durch andere nicht unergiebige Samm¬ lungen, das Land mit Geistlichen versorgt. Der berliner Oberkirchenrath hat die obere Leitung der gesammte.» kirchlichen Verhältnisse übernommen und den brasilianischen Protestanten wie in anderen wichtigen Angelegenheiten, so nament¬ lich in der Ehcfrage, wo ihnen die härtesten und unbilligsten Schwierigkeiten in den Weg gelegt wurden, manchen werthvollen Fortschritt erkämpft. Aber es ist sehr zu beklagen, daß es ihm bis jetzt noch nicht gelungen, eine rechte ein¬ heitliche Zusammenhciltuug und Organisirung der bestehenden oder neu ein¬ gerichteten Gemeinden zu erzielen; das Schlimmste ist, daß die Gemeinde in 5!iio ihrem überwiegenden Bestandtheil nach sich von ihm losgesagt und unter einem selbstgewählten Geistlichen frcigemeindlich constituirt hat. Das mag frei¬ lich zum Theil mit daher kommen, daß man diese Gemeinde, die schon seit 1833 darauf drang, „ihr keine mystischen Kopfhänger, sondern Leute zu senden, die rein biblische Moral predigten", meist mit Geistlichen aus streng orthodoxen Kreisen versorgt hat, und es ist aus dem Buche nicht überall mit Klarheit zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/207>, abgerufen am 27.06.2024.