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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Das Bolksschulweseu in ^

' ! Ol> die Volksschule Sache des Staats oder der Gemeinde sei, ist ein alter
Streit; vielfach wird heute dafür vlaidirt, daß der Staat die Volksschullehrer
dotire und als seine Beamten behandle. Unläugbar läßt sich theoretisch viel
für solche Ausfassung anführen. Der Staat hat fast überall, in Deutschland
ohne Ausnahme, seinen Bürgern die Pflicht auferlegt, ihre Kinder während
eines gewissen Zeitraums in die Schule zu schicken; er nöthigt die Säumigen
selbst mit-Strafen dazu, und demgemäß sollte allerdings der Grundsat) gelten,
daß dem Rechte des Staats, dies von seinen Bürgern zu fordern, die Pflicht
entspreche, es ihnen zu ermöglichen, indem er für Schulen sorgt. Die Aus¬
bildung der Kinder geschieht nicht so sehr im Interesse der einzelnen Gemeinde,
wie in dem des Staats selbst; wie viele Erwachsene leben und wirken in Ge¬
meinden, in denen sie die Jugend- und Schuljahre nicht verbracht haben. Die
Gemeinde bildet sonach ihre Kinder zum Theil nicht für sich, sondern für andere
Gemeinden aus. Gemeindepflichten fordern überdies vom Einzelnen gewöhnlich
geringere Vorbildung als die staatsbürgerlichen, 'i' -Znu n'jzjl Mtwtnu

Je mehr erkannt wird, daß der ganze moderne Staat auf einer gewissen
allgemeinen Bildung ruht, desto einleuchtender muß werden, wie sehr es ihm
Pflicht gegen sich selbst ist, den Besuch der Volksschule zu einer Zwangsvflicht
zu machen, und unbestreitbar müßte theoretisch derjenige, welcher das Haupt¬
interesse an einer Sache hat, auch deren Lasten tragen, der Staat also die
Kosten der Volksschule bestreiten.

Dazu kommt, daß manche Gemeinde die Kosten der Schule zu tragen außer
Stande ist, daß die Last in den verschiedenen Gemeinden völlig ungleich drückt,
daß für die gänzlich unvermögenden Gemeindeglieder die Gemeinde als solche
eintreten muß, daß infolge davon sich ein drückendes Gefühl schon in den Kindern
erzeugt, die den Unterricht als Almosen der Gemeinde empfangen - von den
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Trotz alledem glauben wir, daß in der Praxis die Sache sich anders stellt
und die Schule am besten Gemeindesache ist. i "u iz6i)(l s>i ZuzÄi'lWzT

>", .Sehen'wir die Schwierigkeit für den Staat, die enormen Kosten für das
gesammte Volksschulwesen zu beschaffen, ohne seinen Unterthanen einen entsetz¬
lichen Steuerdruck aufzuerlegen, ernstlich an, so erregt schon die Ausführbarkeit
großes Bedenken. Erfahrungsmähig ist jede Staatsverwaltung erheblich theurer
als die Gemeindeverwaltung, wie diese wieder theurer ist als die des Privat¬
mannes In gleicher Weise und aus ähnlichen Ursachen ist es Thatsache, daß


Grenzboten I. 1807. 22
Das Bolksschulweseu in ^

' ! Ol> die Volksschule Sache des Staats oder der Gemeinde sei, ist ein alter
Streit; vielfach wird heute dafür vlaidirt, daß der Staat die Volksschullehrer
dotire und als seine Beamten behandle. Unläugbar läßt sich theoretisch viel
für solche Ausfassung anführen. Der Staat hat fast überall, in Deutschland
ohne Ausnahme, seinen Bürgern die Pflicht auferlegt, ihre Kinder während
eines gewissen Zeitraums in die Schule zu schicken; er nöthigt die Säumigen
selbst mit-Strafen dazu, und demgemäß sollte allerdings der Grundsat) gelten,
daß dem Rechte des Staats, dies von seinen Bürgern zu fordern, die Pflicht
entspreche, es ihnen zu ermöglichen, indem er für Schulen sorgt. Die Aus¬
bildung der Kinder geschieht nicht so sehr im Interesse der einzelnen Gemeinde,
wie in dem des Staats selbst; wie viele Erwachsene leben und wirken in Ge¬
meinden, in denen sie die Jugend- und Schuljahre nicht verbracht haben. Die
Gemeinde bildet sonach ihre Kinder zum Theil nicht für sich, sondern für andere
Gemeinden aus. Gemeindepflichten fordern überdies vom Einzelnen gewöhnlich
geringere Vorbildung als die staatsbürgerlichen, 'i' -Znu n'jzjl Mtwtnu

Je mehr erkannt wird, daß der ganze moderne Staat auf einer gewissen
allgemeinen Bildung ruht, desto einleuchtender muß werden, wie sehr es ihm
Pflicht gegen sich selbst ist, den Besuch der Volksschule zu einer Zwangsvflicht
zu machen, und unbestreitbar müßte theoretisch derjenige, welcher das Haupt¬
interesse an einer Sache hat, auch deren Lasten tragen, der Staat also die
Kosten der Volksschule bestreiten.

Dazu kommt, daß manche Gemeinde die Kosten der Schule zu tragen außer
Stande ist, daß die Last in den verschiedenen Gemeinden völlig ungleich drückt,
daß für die gänzlich unvermögenden Gemeindeglieder die Gemeinde als solche
eintreten muß, daß infolge davon sich ein drückendes Gefühl schon in den Kindern
erzeugt, die den Unterricht als Almosen der Gemeinde empfangen - von den
WMklichmlmAMHtMWmmschMn 'Mx) «bMehiM."!'-!? ;5»i,ijiimi

Trotz alledem glauben wir, daß in der Praxis die Sache sich anders stellt
und die Schule am besten Gemeindesache ist. i "u iz6i)(l s>i ZuzÄi'lWzT

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gesammte Volksschulwesen zu beschaffen, ohne seinen Unterthanen einen entsetz¬
lichen Steuerdruck aufzuerlegen, ernstlich an, so erregt schon die Ausführbarkeit
großes Bedenken. Erfahrungsmähig ist jede Staatsverwaltung erheblich theurer
als die Gemeindeverwaltung, wie diese wieder theurer ist als die des Privat¬
mannes In gleicher Weise und aus ähnlichen Ursachen ist es Thatsache, daß


Grenzboten I. 1807. 22
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[0179] Das Bolksschulweseu in ^ ' ! Ol> die Volksschule Sache des Staats oder der Gemeinde sei, ist ein alter Streit; vielfach wird heute dafür vlaidirt, daß der Staat die Volksschullehrer dotire und als seine Beamten behandle. Unläugbar läßt sich theoretisch viel für solche Ausfassung anführen. Der Staat hat fast überall, in Deutschland ohne Ausnahme, seinen Bürgern die Pflicht auferlegt, ihre Kinder während eines gewissen Zeitraums in die Schule zu schicken; er nöthigt die Säumigen selbst mit-Strafen dazu, und demgemäß sollte allerdings der Grundsat) gelten, daß dem Rechte des Staats, dies von seinen Bürgern zu fordern, die Pflicht entspreche, es ihnen zu ermöglichen, indem er für Schulen sorgt. Die Aus¬ bildung der Kinder geschieht nicht so sehr im Interesse der einzelnen Gemeinde, wie in dem des Staats selbst; wie viele Erwachsene leben und wirken in Ge¬ meinden, in denen sie die Jugend- und Schuljahre nicht verbracht haben. Die Gemeinde bildet sonach ihre Kinder zum Theil nicht für sich, sondern für andere Gemeinden aus. Gemeindepflichten fordern überdies vom Einzelnen gewöhnlich geringere Vorbildung als die staatsbürgerlichen, 'i' -Znu n'jzjl Mtwtnu Je mehr erkannt wird, daß der ganze moderne Staat auf einer gewissen allgemeinen Bildung ruht, desto einleuchtender muß werden, wie sehr es ihm Pflicht gegen sich selbst ist, den Besuch der Volksschule zu einer Zwangsvflicht zu machen, und unbestreitbar müßte theoretisch derjenige, welcher das Haupt¬ interesse an einer Sache hat, auch deren Lasten tragen, der Staat also die Kosten der Volksschule bestreiten. Dazu kommt, daß manche Gemeinde die Kosten der Schule zu tragen außer Stande ist, daß die Last in den verschiedenen Gemeinden völlig ungleich drückt, daß für die gänzlich unvermögenden Gemeindeglieder die Gemeinde als solche eintreten muß, daß infolge davon sich ein drückendes Gefühl schon in den Kindern erzeugt, die den Unterricht als Almosen der Gemeinde empfangen - von den WMklichmlmAMHtMWmmschMn 'Mx) «bMehiM."!'-!? ;5»i,ijiimi Trotz alledem glauben wir, daß in der Praxis die Sache sich anders stellt und die Schule am besten Gemeindesache ist. i "u iz6i)(l s>i ZuzÄi'lWzT >", .Sehen'wir die Schwierigkeit für den Staat, die enormen Kosten für das gesammte Volksschulwesen zu beschaffen, ohne seinen Unterthanen einen entsetz¬ lichen Steuerdruck aufzuerlegen, ernstlich an, so erregt schon die Ausführbarkeit großes Bedenken. Erfahrungsmähig ist jede Staatsverwaltung erheblich theurer als die Gemeindeverwaltung, wie diese wieder theurer ist als die des Privat¬ mannes In gleicher Weise und aus ähnlichen Ursachen ist es Thatsache, daß Grenzboten I. 1807. 22

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/179>, abgerufen am 22.12.2024.