Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

der Einzelne z. B. ein Haus billiger baut als die Gemeinde und diese wiederum
billiger als der Staat, und so in fast allen Dingen. Mangelndes persönliches
Interesse, das Gefühl aus großem Beutel zu wirthschaften, das Streben der
Betheiligten, thunlichst viel für sich zu verdienen, sind die Hauptfactoren, die
jenes Resultat zu Wege bringen. Der Einzelne scheut manche nicht schlechthin
nothwendige, aber ganz nützliche, wenn auch unbedeutende Ausgabe, weil sie
ihn allein trifft und dann drückt; wird solche Ausgabe auf die Gemeindeglieder
vertheilt, ist der Druck kaum fühlbar, daher wird sie leicht gemacht; und so in
größerem Verhältniß, wenn es sich um die Staatskasse handelt.

Zweifellos würde daher der Staat für denselben Stand des Volksschul¬
wesens erheblich mehr zu bezahlen haben als die Gescunmtsumme der von allen
Gemeinden dafür gemachten Ausgaben, und diese Summe müßte dann wieder
durch Steuern von den Gemeinden ausgebracht werden, die also dasselbe weit
theurer erkaufen müßten.

Dann werden auch Steuern für ferner liegende Zwecke, wie die gesammten
Staatsausgaben viel schwerer getragen und weniger gern gezahlt als für solche-
die vor Augen liegen und wobei die Verwendung des Geldes jedem unmittelbar
deutlich ist. Dazu kommt, und das ist wesentlich für unsere Anschauung, der Um¬
stand, daß jedem das, was er mit Aufwand eigener Kräfte erworben hat und
unterhält, lieber und theurer ist als das, was ihm ohne eigenes Zuthun von
außen her zugetheilt wird.

Grade das Gefühl, "es ist unsere Schule, unsere Väter haben sie ge¬
baut, wir erhalten sie mit schweren Opfern für unsere Kinder", ist bei der
Gemeindeschule jedem Einzelnen der lebendigste Antrieb, für die Anstalt zu
wirken, die Kinder zur Schule anzuhalten und an allem, was zur Schule ge¬
hört, Interesse zu nehmen. Muß der Vater virent für die Genieindeschule sein
Geld zahlen, so will er auch etwas dafür haben, und schickt seine Kinder auch
zur Schule. Lernen die Kinder in einer andern Schule erheblich mehr, weil dort
wegen besserer Dotation ein tüchtigerer Lehrer hat gewonnen werden können,
so regt sich das Streben in der Gemeinde, auch die eigene Schule mehr zu
heben. Das Verhältniß des Lehrers zur Gemeinde und zu den Kindern ist ein
innigeres; er ist ihr Lehrer; sie erhalten ihn, er ist mit der Gemeinde mehr
verwachsen. Das alles entbehrt die Staatsschule in hohem Grade.

Selbstredend ist dabei im Auge zu behalten, daß der Staat auch seinerseits
bei den Gemeindeschulen sich fördernd und unterstützend betheiligt, und wie er
zu Verbesserungen des gesammten Schulwesens stets anregen muß, auch that¬
kräftig bei solchen mit Geldovsern verbundenen Verbesserungen, die die Kräfte
der Gemeinden übersteigen, dieser zu Hilfe kommt.

Verlangt der Staat, daß seine Bürger ihre Kinder zur Schule schicken,
Verlangt er von der Gemeinde, daß sie zu dem Ende aus ihren Mitteln eine


der Einzelne z. B. ein Haus billiger baut als die Gemeinde und diese wiederum
billiger als der Staat, und so in fast allen Dingen. Mangelndes persönliches
Interesse, das Gefühl aus großem Beutel zu wirthschaften, das Streben der
Betheiligten, thunlichst viel für sich zu verdienen, sind die Hauptfactoren, die
jenes Resultat zu Wege bringen. Der Einzelne scheut manche nicht schlechthin
nothwendige, aber ganz nützliche, wenn auch unbedeutende Ausgabe, weil sie
ihn allein trifft und dann drückt; wird solche Ausgabe auf die Gemeindeglieder
vertheilt, ist der Druck kaum fühlbar, daher wird sie leicht gemacht; und so in
größerem Verhältniß, wenn es sich um die Staatskasse handelt.

Zweifellos würde daher der Staat für denselben Stand des Volksschul¬
wesens erheblich mehr zu bezahlen haben als die Gescunmtsumme der von allen
Gemeinden dafür gemachten Ausgaben, und diese Summe müßte dann wieder
durch Steuern von den Gemeinden ausgebracht werden, die also dasselbe weit
theurer erkaufen müßten.

Dann werden auch Steuern für ferner liegende Zwecke, wie die gesammten
Staatsausgaben viel schwerer getragen und weniger gern gezahlt als für solche-
die vor Augen liegen und wobei die Verwendung des Geldes jedem unmittelbar
deutlich ist. Dazu kommt, und das ist wesentlich für unsere Anschauung, der Um¬
stand, daß jedem das, was er mit Aufwand eigener Kräfte erworben hat und
unterhält, lieber und theurer ist als das, was ihm ohne eigenes Zuthun von
außen her zugetheilt wird.

Grade das Gefühl, „es ist unsere Schule, unsere Väter haben sie ge¬
baut, wir erhalten sie mit schweren Opfern für unsere Kinder", ist bei der
Gemeindeschule jedem Einzelnen der lebendigste Antrieb, für die Anstalt zu
wirken, die Kinder zur Schule anzuhalten und an allem, was zur Schule ge¬
hört, Interesse zu nehmen. Muß der Vater virent für die Genieindeschule sein
Geld zahlen, so will er auch etwas dafür haben, und schickt seine Kinder auch
zur Schule. Lernen die Kinder in einer andern Schule erheblich mehr, weil dort
wegen besserer Dotation ein tüchtigerer Lehrer hat gewonnen werden können,
so regt sich das Streben in der Gemeinde, auch die eigene Schule mehr zu
heben. Das Verhältniß des Lehrers zur Gemeinde und zu den Kindern ist ein
innigeres; er ist ihr Lehrer; sie erhalten ihn, er ist mit der Gemeinde mehr
verwachsen. Das alles entbehrt die Staatsschule in hohem Grade.

Selbstredend ist dabei im Auge zu behalten, daß der Staat auch seinerseits
bei den Gemeindeschulen sich fördernd und unterstützend betheiligt, und wie er
zu Verbesserungen des gesammten Schulwesens stets anregen muß, auch that¬
kräftig bei solchen mit Geldovsern verbundenen Verbesserungen, die die Kräfte
der Gemeinden übersteigen, dieser zu Hilfe kommt.

Verlangt der Staat, daß seine Bürger ihre Kinder zur Schule schicken,
Verlangt er von der Gemeinde, daß sie zu dem Ende aus ihren Mitteln eine


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0180" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190339"/>
          <p xml:id="ID_524" prev="#ID_523"> der Einzelne z. B. ein Haus billiger baut als die Gemeinde und diese wiederum<lb/>
billiger als der Staat, und so in fast allen Dingen. Mangelndes persönliches<lb/>
Interesse, das Gefühl aus großem Beutel zu wirthschaften, das Streben der<lb/>
Betheiligten, thunlichst viel für sich zu verdienen, sind die Hauptfactoren, die<lb/>
jenes Resultat zu Wege bringen. Der Einzelne scheut manche nicht schlechthin<lb/>
nothwendige, aber ganz nützliche, wenn auch unbedeutende Ausgabe, weil sie<lb/>
ihn allein trifft und dann drückt; wird solche Ausgabe auf die Gemeindeglieder<lb/>
vertheilt, ist der Druck kaum fühlbar, daher wird sie leicht gemacht; und so in<lb/>
größerem Verhältniß, wenn es sich um die Staatskasse handelt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_525"> Zweifellos würde daher der Staat für denselben Stand des Volksschul¬<lb/>
wesens erheblich mehr zu bezahlen haben als die Gescunmtsumme der von allen<lb/>
Gemeinden dafür gemachten Ausgaben, und diese Summe müßte dann wieder<lb/>
durch Steuern von den Gemeinden ausgebracht werden, die also dasselbe weit<lb/>
theurer erkaufen müßten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_526"> Dann werden auch Steuern für ferner liegende Zwecke, wie die gesammten<lb/>
Staatsausgaben viel schwerer getragen und weniger gern gezahlt als für solche-<lb/>
die vor Augen liegen und wobei die Verwendung des Geldes jedem unmittelbar<lb/>
deutlich ist. Dazu kommt, und das ist wesentlich für unsere Anschauung, der Um¬<lb/>
stand, daß jedem das, was er mit Aufwand eigener Kräfte erworben hat und<lb/>
unterhält, lieber und theurer ist als das, was ihm ohne eigenes Zuthun von<lb/>
außen her zugetheilt wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_527"> Grade das Gefühl, &#x201E;es ist unsere Schule, unsere Väter haben sie ge¬<lb/>
baut, wir erhalten sie mit schweren Opfern für unsere Kinder", ist bei der<lb/>
Gemeindeschule jedem Einzelnen der lebendigste Antrieb, für die Anstalt zu<lb/>
wirken, die Kinder zur Schule anzuhalten und an allem, was zur Schule ge¬<lb/>
hört, Interesse zu nehmen. Muß der Vater virent für die Genieindeschule sein<lb/>
Geld zahlen, so will er auch etwas dafür haben, und schickt seine Kinder auch<lb/>
zur Schule. Lernen die Kinder in einer andern Schule erheblich mehr, weil dort<lb/>
wegen besserer Dotation ein tüchtigerer Lehrer hat gewonnen werden können,<lb/>
so regt sich das Streben in der Gemeinde, auch die eigene Schule mehr zu<lb/>
heben. Das Verhältniß des Lehrers zur Gemeinde und zu den Kindern ist ein<lb/>
innigeres; er ist ihr Lehrer; sie erhalten ihn, er ist mit der Gemeinde mehr<lb/>
verwachsen. Das alles entbehrt die Staatsschule in hohem Grade.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_528"> Selbstredend ist dabei im Auge zu behalten, daß der Staat auch seinerseits<lb/>
bei den Gemeindeschulen sich fördernd und unterstützend betheiligt, und wie er<lb/>
zu Verbesserungen des gesammten Schulwesens stets anregen muß, auch that¬<lb/>
kräftig bei solchen mit Geldovsern verbundenen Verbesserungen, die die Kräfte<lb/>
der Gemeinden übersteigen, dieser zu Hilfe kommt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_529" next="#ID_530"> Verlangt der Staat, daß seine Bürger ihre Kinder zur Schule schicken,<lb/>
Verlangt er von der Gemeinde, daß sie zu dem Ende aus ihren Mitteln eine</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0180] der Einzelne z. B. ein Haus billiger baut als die Gemeinde und diese wiederum billiger als der Staat, und so in fast allen Dingen. Mangelndes persönliches Interesse, das Gefühl aus großem Beutel zu wirthschaften, das Streben der Betheiligten, thunlichst viel für sich zu verdienen, sind die Hauptfactoren, die jenes Resultat zu Wege bringen. Der Einzelne scheut manche nicht schlechthin nothwendige, aber ganz nützliche, wenn auch unbedeutende Ausgabe, weil sie ihn allein trifft und dann drückt; wird solche Ausgabe auf die Gemeindeglieder vertheilt, ist der Druck kaum fühlbar, daher wird sie leicht gemacht; und so in größerem Verhältniß, wenn es sich um die Staatskasse handelt. Zweifellos würde daher der Staat für denselben Stand des Volksschul¬ wesens erheblich mehr zu bezahlen haben als die Gescunmtsumme der von allen Gemeinden dafür gemachten Ausgaben, und diese Summe müßte dann wieder durch Steuern von den Gemeinden ausgebracht werden, die also dasselbe weit theurer erkaufen müßten. Dann werden auch Steuern für ferner liegende Zwecke, wie die gesammten Staatsausgaben viel schwerer getragen und weniger gern gezahlt als für solche- die vor Augen liegen und wobei die Verwendung des Geldes jedem unmittelbar deutlich ist. Dazu kommt, und das ist wesentlich für unsere Anschauung, der Um¬ stand, daß jedem das, was er mit Aufwand eigener Kräfte erworben hat und unterhält, lieber und theurer ist als das, was ihm ohne eigenes Zuthun von außen her zugetheilt wird. Grade das Gefühl, „es ist unsere Schule, unsere Väter haben sie ge¬ baut, wir erhalten sie mit schweren Opfern für unsere Kinder", ist bei der Gemeindeschule jedem Einzelnen der lebendigste Antrieb, für die Anstalt zu wirken, die Kinder zur Schule anzuhalten und an allem, was zur Schule ge¬ hört, Interesse zu nehmen. Muß der Vater virent für die Genieindeschule sein Geld zahlen, so will er auch etwas dafür haben, und schickt seine Kinder auch zur Schule. Lernen die Kinder in einer andern Schule erheblich mehr, weil dort wegen besserer Dotation ein tüchtigerer Lehrer hat gewonnen werden können, so regt sich das Streben in der Gemeinde, auch die eigene Schule mehr zu heben. Das Verhältniß des Lehrers zur Gemeinde und zu den Kindern ist ein innigeres; er ist ihr Lehrer; sie erhalten ihn, er ist mit der Gemeinde mehr verwachsen. Das alles entbehrt die Staatsschule in hohem Grade. Selbstredend ist dabei im Auge zu behalten, daß der Staat auch seinerseits bei den Gemeindeschulen sich fördernd und unterstützend betheiligt, und wie er zu Verbesserungen des gesammten Schulwesens stets anregen muß, auch that¬ kräftig bei solchen mit Geldovsern verbundenen Verbesserungen, die die Kräfte der Gemeinden übersteigen, dieser zu Hilfe kommt. Verlangt der Staat, daß seine Bürger ihre Kinder zur Schule schicken, Verlangt er von der Gemeinde, daß sie zu dem Ende aus ihren Mitteln eine

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/180
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/180>, abgerufen am 25.07.2024.