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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Der Miantonomoh.

Für den Freund des Schönen bietet die Art. wie das Seewesen in den
letzten Jahrzehnten sich entwickelt hat, trotz aller seiner technischen Vervollkomm¬
nung wenig Erfreuliches. Die stolze Pracht des Segelschiffes früherer Zeiten
ist zum großen Theil verschwunden: die Formen des Körpers strecken sich immer
länger und geradliniger dahin, die Takelage wird verhältnißmäßig immer niedriger,
und wenn dies schon von den Schiffen der Handelsmarine gilt, so ist es noch
viel mehr der Fall bei den Kriegsschiffen. Der kühne luftige Bau der hoch¬
ragenden Masten mit ihren schlanke", in wundervoll pyramidaler Proportion
sich verjüngenden Raaen und Spieren, das kunstvolle dichte Gewirr der Taue
und sein fciiics, bunt sich durchkreuzendes Netzwerk, in dem doch die strengste
Regelmäßigkeit herrscht; die reiche Fülle der weißen Segel mit ihren üppig ge¬
rundeten Konturen, die sonst die Takelage des ganzen Schiffs wie weiße Fest-
tleidung dicht verhüllten -- all diese Schönheit welkt seit der allgemeineren
Anwendung der Dampfkraft; den Todesstoß erhält sie durch das Aufkommen
der Panzerschiffe, dieser ungeschlachten schwarzen Kolosse, denen ihr unge¬
heures Eisengewicht nur niedrige Bemastuuc; gestattet. Zwar haben die Panzer-
sregatten der Engländer noch eine so reiche Takelage, als ihre eiserne Beschwe¬
rung irgend zuläßt, aber sie ist lang hingedehnt über den enormen Rumpf dieser
Rlcsensahrzeuge und läßt die schöne ästhetische Wirkung der früheren Holzschiffe
ganz vermissen. Die französischen und die italienischen Panzcrfrcgattcn haben
sich noch mehr beschränk!, denn sie haben eine kümmerliche Barktakelage ange¬
nommen, die Amerikaner und ihnen folgend die Nüssen haben die Takelage
ganz fallen küssen. Kein Wunder also, wenn diese Fahrzeuge kaum noch den
Eindruck von Schiffen machen, wenn sie in ihrem Aeußeren nichts von jener
imposanten Majestät haben, durch welche früher die schlanken Fregatten, die
noch schöneren, noch ebenmäßiger geformten stolzen Linienschiffe im Schmuck
ihrer weißen Batterien sich auszeichneten.


Grenzten I. 18V7. 16
Der Miantonomoh.

Für den Freund des Schönen bietet die Art. wie das Seewesen in den
letzten Jahrzehnten sich entwickelt hat, trotz aller seiner technischen Vervollkomm¬
nung wenig Erfreuliches. Die stolze Pracht des Segelschiffes früherer Zeiten
ist zum großen Theil verschwunden: die Formen des Körpers strecken sich immer
länger und geradliniger dahin, die Takelage wird verhältnißmäßig immer niedriger,
und wenn dies schon von den Schiffen der Handelsmarine gilt, so ist es noch
viel mehr der Fall bei den Kriegsschiffen. Der kühne luftige Bau der hoch¬
ragenden Masten mit ihren schlanke», in wundervoll pyramidaler Proportion
sich verjüngenden Raaen und Spieren, das kunstvolle dichte Gewirr der Taue
und sein fciiics, bunt sich durchkreuzendes Netzwerk, in dem doch die strengste
Regelmäßigkeit herrscht; die reiche Fülle der weißen Segel mit ihren üppig ge¬
rundeten Konturen, die sonst die Takelage des ganzen Schiffs wie weiße Fest-
tleidung dicht verhüllten — all diese Schönheit welkt seit der allgemeineren
Anwendung der Dampfkraft; den Todesstoß erhält sie durch das Aufkommen
der Panzerschiffe, dieser ungeschlachten schwarzen Kolosse, denen ihr unge¬
heures Eisengewicht nur niedrige Bemastuuc; gestattet. Zwar haben die Panzer-
sregatten der Engländer noch eine so reiche Takelage, als ihre eiserne Beschwe¬
rung irgend zuläßt, aber sie ist lang hingedehnt über den enormen Rumpf dieser
Rlcsensahrzeuge und läßt die schöne ästhetische Wirkung der früheren Holzschiffe
ganz vermissen. Die französischen und die italienischen Panzcrfrcgattcn haben
sich noch mehr beschränk!, denn sie haben eine kümmerliche Barktakelage ange¬
nommen, die Amerikaner und ihnen folgend die Nüssen haben die Takelage
ganz fallen küssen. Kein Wunder also, wenn diese Fahrzeuge kaum noch den
Eindruck von Schiffen machen, wenn sie in ihrem Aeußeren nichts von jener
imposanten Majestät haben, durch welche früher die schlanken Fregatten, die
noch schöneren, noch ebenmäßiger geformten stolzen Linienschiffe im Schmuck
ihrer weißen Batterien sich auszeichneten.


Grenzten I. 18V7. 16
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[0131] Der Miantonomoh. Für den Freund des Schönen bietet die Art. wie das Seewesen in den letzten Jahrzehnten sich entwickelt hat, trotz aller seiner technischen Vervollkomm¬ nung wenig Erfreuliches. Die stolze Pracht des Segelschiffes früherer Zeiten ist zum großen Theil verschwunden: die Formen des Körpers strecken sich immer länger und geradliniger dahin, die Takelage wird verhältnißmäßig immer niedriger, und wenn dies schon von den Schiffen der Handelsmarine gilt, so ist es noch viel mehr der Fall bei den Kriegsschiffen. Der kühne luftige Bau der hoch¬ ragenden Masten mit ihren schlanke», in wundervoll pyramidaler Proportion sich verjüngenden Raaen und Spieren, das kunstvolle dichte Gewirr der Taue und sein fciiics, bunt sich durchkreuzendes Netzwerk, in dem doch die strengste Regelmäßigkeit herrscht; die reiche Fülle der weißen Segel mit ihren üppig ge¬ rundeten Konturen, die sonst die Takelage des ganzen Schiffs wie weiße Fest- tleidung dicht verhüllten — all diese Schönheit welkt seit der allgemeineren Anwendung der Dampfkraft; den Todesstoß erhält sie durch das Aufkommen der Panzerschiffe, dieser ungeschlachten schwarzen Kolosse, denen ihr unge¬ heures Eisengewicht nur niedrige Bemastuuc; gestattet. Zwar haben die Panzer- sregatten der Engländer noch eine so reiche Takelage, als ihre eiserne Beschwe¬ rung irgend zuläßt, aber sie ist lang hingedehnt über den enormen Rumpf dieser Rlcsensahrzeuge und läßt die schöne ästhetische Wirkung der früheren Holzschiffe ganz vermissen. Die französischen und die italienischen Panzcrfrcgattcn haben sich noch mehr beschränk!, denn sie haben eine kümmerliche Barktakelage ange¬ nommen, die Amerikaner und ihnen folgend die Nüssen haben die Takelage ganz fallen küssen. Kein Wunder also, wenn diese Fahrzeuge kaum noch den Eindruck von Schiffen machen, wenn sie in ihrem Aeußeren nichts von jener imposanten Majestät haben, durch welche früher die schlanken Fregatten, die noch schöneren, noch ebenmäßiger geformten stolzen Linienschiffe im Schmuck ihrer weißen Batterien sich auszeichneten. Grenzten I. 18V7. 16

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/131>, abgerufen am 22.12.2024.