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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Ueber eine beachtenswerthe Notiz bei Brockhaus, nach der Diderot bei sei.
ner Anwesenheit in Petersburg infolge eines zweideutigen Quatrains mißfallen
habe, sodaß er dann bald diese Stadt verlassen, würde eine Auskunft durch
Herrn Rosenkranz erwünscht sein; es wäre, wenn das Factum feststände. hier
doch ein charakteristischer Zug nachzutragen. Doch möchte ich vermuthen, daß
es sich dabei um eine Verwechselung mit den bei der Fürstin Galizyn vorgelese¬
nen Versen (II, 350) handelt.

Ungern vermissen wir bei einem Werke, das so den ganzen Menschen
umsaßt, ein Porträt Diderots; vielleicht würde man am besten eine Abbildung
des Monumentes gewählt haben, das ihm seine Vaterstadt Langres setzte. Das
Gelfiesbild freilich, das unser deutscher Philosoph zum ersten Mal deutlich ent¬
6. worfen, wird fortan des französischen Steines Denkmal sein.




Otto Zahns kleine Schriften.
>) Biographische Aufsätze von Otto Jahr. Zweiter unveränderter Abdruck. Leipzig,
Hirzel. 1866.
2) Gesammelte Aufsätze über Musik von Otto Jahr. Leipzig. Breitkopf u. Härtel. 1866.

Vor einiger Zeit pilgerte ein junger Musikgelehrter -- er hätte Rost heißen
können, trug aber zufällig einen anderen Namen -- den Rhein entlang. Wie
gebräuchlich begrüßte er überall das Handwerk und führte diesen löblichen Vor¬
satz auch in Bonn aus, wo er gleich nach seiner Ankunft eilte, sich Otto Jahr
vorstellen zu lassen. Eine Entdeckung in Köln, nach seinem Berichte der Fund
eines musikalischen Codex "vom zwölften bis zum sechzehnten Jahrhundert",
hatte den Jüngling für fremden Ruhm tolerant gemacht und so fehlten denn
in seiner Begrüßung, nachdem er den Blick auf die Zimmerdecke gerichtet, die
Worte: "Großer Mann, längst gehegte Sehnsucht. Begeisterung für den Bio¬
graphen Mozarts" u. f. w., nicht. Und um zu zeigen, wie tief sein Interesse
für Jahr wurzele, erbat er sich die Erlaubniß zum Hospitiren und lispelte die
Frage, ob Jahr über Beethoven oder Bach lese? "Ich interpretire diesmal
Ciceros oratio pro Nilone". lautete die Antwort. Aus allen seinen Himmeln
sah sich der Enthusiast gestürzt. Welche Professur konnte Jahr bekleiden, wenn


Ueber eine beachtenswerthe Notiz bei Brockhaus, nach der Diderot bei sei.
ner Anwesenheit in Petersburg infolge eines zweideutigen Quatrains mißfallen
habe, sodaß er dann bald diese Stadt verlassen, würde eine Auskunft durch
Herrn Rosenkranz erwünscht sein; es wäre, wenn das Factum feststände. hier
doch ein charakteristischer Zug nachzutragen. Doch möchte ich vermuthen, daß
es sich dabei um eine Verwechselung mit den bei der Fürstin Galizyn vorgelese¬
nen Versen (II, 350) handelt.

Ungern vermissen wir bei einem Werke, das so den ganzen Menschen
umsaßt, ein Porträt Diderots; vielleicht würde man am besten eine Abbildung
des Monumentes gewählt haben, das ihm seine Vaterstadt Langres setzte. Das
Gelfiesbild freilich, das unser deutscher Philosoph zum ersten Mal deutlich ent¬
6. worfen, wird fortan des französischen Steines Denkmal sein.




Otto Zahns kleine Schriften.
>) Biographische Aufsätze von Otto Jahr. Zweiter unveränderter Abdruck. Leipzig,
Hirzel. 1866.
2) Gesammelte Aufsätze über Musik von Otto Jahr. Leipzig. Breitkopf u. Härtel. 1866.

Vor einiger Zeit pilgerte ein junger Musikgelehrter — er hätte Rost heißen
können, trug aber zufällig einen anderen Namen — den Rhein entlang. Wie
gebräuchlich begrüßte er überall das Handwerk und führte diesen löblichen Vor¬
satz auch in Bonn aus, wo er gleich nach seiner Ankunft eilte, sich Otto Jahr
vorstellen zu lassen. Eine Entdeckung in Köln, nach seinem Berichte der Fund
eines musikalischen Codex „vom zwölften bis zum sechzehnten Jahrhundert",
hatte den Jüngling für fremden Ruhm tolerant gemacht und so fehlten denn
in seiner Begrüßung, nachdem er den Blick auf die Zimmerdecke gerichtet, die
Worte: „Großer Mann, längst gehegte Sehnsucht. Begeisterung für den Bio¬
graphen Mozarts" u. f. w., nicht. Und um zu zeigen, wie tief sein Interesse
für Jahr wurzele, erbat er sich die Erlaubniß zum Hospitiren und lispelte die
Frage, ob Jahr über Beethoven oder Bach lese? „Ich interpretire diesmal
Ciceros oratio pro Nilone". lautete die Antwort. Aus allen seinen Himmeln
sah sich der Enthusiast gestürzt. Welche Professur konnte Jahr bekleiden, wenn


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[0542] Ueber eine beachtenswerthe Notiz bei Brockhaus, nach der Diderot bei sei. ner Anwesenheit in Petersburg infolge eines zweideutigen Quatrains mißfallen habe, sodaß er dann bald diese Stadt verlassen, würde eine Auskunft durch Herrn Rosenkranz erwünscht sein; es wäre, wenn das Factum feststände. hier doch ein charakteristischer Zug nachzutragen. Doch möchte ich vermuthen, daß es sich dabei um eine Verwechselung mit den bei der Fürstin Galizyn vorgelese¬ nen Versen (II, 350) handelt. Ungern vermissen wir bei einem Werke, das so den ganzen Menschen umsaßt, ein Porträt Diderots; vielleicht würde man am besten eine Abbildung des Monumentes gewählt haben, das ihm seine Vaterstadt Langres setzte. Das Gelfiesbild freilich, das unser deutscher Philosoph zum ersten Mal deutlich ent¬ 6. worfen, wird fortan des französischen Steines Denkmal sein. Otto Zahns kleine Schriften. >) Biographische Aufsätze von Otto Jahr. Zweiter unveränderter Abdruck. Leipzig, Hirzel. 1866. 2) Gesammelte Aufsätze über Musik von Otto Jahr. Leipzig. Breitkopf u. Härtel. 1866. Vor einiger Zeit pilgerte ein junger Musikgelehrter — er hätte Rost heißen können, trug aber zufällig einen anderen Namen — den Rhein entlang. Wie gebräuchlich begrüßte er überall das Handwerk und führte diesen löblichen Vor¬ satz auch in Bonn aus, wo er gleich nach seiner Ankunft eilte, sich Otto Jahr vorstellen zu lassen. Eine Entdeckung in Köln, nach seinem Berichte der Fund eines musikalischen Codex „vom zwölften bis zum sechzehnten Jahrhundert", hatte den Jüngling für fremden Ruhm tolerant gemacht und so fehlten denn in seiner Begrüßung, nachdem er den Blick auf die Zimmerdecke gerichtet, die Worte: „Großer Mann, längst gehegte Sehnsucht. Begeisterung für den Bio¬ graphen Mozarts" u. f. w., nicht. Und um zu zeigen, wie tief sein Interesse für Jahr wurzele, erbat er sich die Erlaubniß zum Hospitiren und lispelte die Frage, ob Jahr über Beethoven oder Bach lese? „Ich interpretire diesmal Ciceros oratio pro Nilone". lautete die Antwort. Aus allen seinen Himmeln sah sich der Enthusiast gestürzt. Welche Professur konnte Jahr bekleiden, wenn

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/542>, abgerufen am 28.06.2024.