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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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der Abgeordneten zu erreichen, wenn nicht unglücklicherweise das Gesetz die
Wahl vorschriebe.

Mag nun in den nächsten Wahlen die Partei siegen, welche über alle
äußeren Mittel verfügt, oder diejenige, welche nur in ihrer sittlichen Macht eine
Stütze hat: dem künftigen Parlamente bleibt das Recht der Wahlprüfungen.
Wie sich die Resultate in zweiter Instanz auch gestalten, warten haben wir
gelernt, und daß dem in Preußens Hand ruhenden nationalen Werke der Sieg
zufalle und seine Früchte auch für Mecklenburg nicht verloren gehen, bleibt allen
etwaigen einzelnen Enttäuschungen zum Trotz unsere unerschütterliche Zuversicht.




Kunst und Künstler im Gefolge des Kriegs.

Der große Krieg dieses Jahres liegt abgeschlossen hinter uns. Die nächsten
Resultate, welche er für das Vaterland gebracht hat, lassen sich übersehen. Was
wir durch ihn gewonnen und was verloren, können wir gegen einander abwägen.
In allen öffentlichen Verhältnissen ist wohl wenig, woraus er nicht erkennbar,
vorübergehend oder dauernd und tief umgestaltend eingewirkt hätte. Wie er
in die Privatverhältnisse eingegriffen, wie viel an Wohl und Weh wir Deutschen
durch ihn empfangen, wissen die Einzelnen, deren keiner von seiner Macht un¬
berührt geblieben ist im Vaterlande, zu sagen und zu würdigen.

Zunächst drohte auch dieser Krieg aller friedlichen Thätigkeit, aller Arbeit des
Schaffens und Erwerbens Verderben und Untergang. Er entzieht ihr die
Hände und gleichzeitig den Markt. Kein Wunder, wenn die Angst vor dem
unvermeidlich hereindrohenden Unheil auch ohne die Mitwirkung der politischen
Ueberzeugung und des "deutschen" Vaterlandsgesühls in den Vertretern und
Angehörigen der vorzugsweis erwerbenden Bürgcrclassen jenen Fanatismus des
Friedens erzeugte, dessen Leistungen wir im Frühling dieses Jahres zu be¬
wundern so reiche Gelegenheit fanden. Dieser Fanatismus ist ein Bruder des
passiven Widerstandes: er setzt sich für seine Sache aufs äußerste zur Wehr,
aber immer "innerhalb der gesetzlichen Schranken". Und bleiben seine An¬
strengungen erfolglos, so schwindet seine Kraft und Hitze schnell genug. Man
arrangirt sich mit dem nicht zu Aendernden, so gut es eben gehen will, schickt


Grenzbot-n IV. 1866. 62

der Abgeordneten zu erreichen, wenn nicht unglücklicherweise das Gesetz die
Wahl vorschriebe.

Mag nun in den nächsten Wahlen die Partei siegen, welche über alle
äußeren Mittel verfügt, oder diejenige, welche nur in ihrer sittlichen Macht eine
Stütze hat: dem künftigen Parlamente bleibt das Recht der Wahlprüfungen.
Wie sich die Resultate in zweiter Instanz auch gestalten, warten haben wir
gelernt, und daß dem in Preußens Hand ruhenden nationalen Werke der Sieg
zufalle und seine Früchte auch für Mecklenburg nicht verloren gehen, bleibt allen
etwaigen einzelnen Enttäuschungen zum Trotz unsere unerschütterliche Zuversicht.




Kunst und Künstler im Gefolge des Kriegs.

Der große Krieg dieses Jahres liegt abgeschlossen hinter uns. Die nächsten
Resultate, welche er für das Vaterland gebracht hat, lassen sich übersehen. Was
wir durch ihn gewonnen und was verloren, können wir gegen einander abwägen.
In allen öffentlichen Verhältnissen ist wohl wenig, woraus er nicht erkennbar,
vorübergehend oder dauernd und tief umgestaltend eingewirkt hätte. Wie er
in die Privatverhältnisse eingegriffen, wie viel an Wohl und Weh wir Deutschen
durch ihn empfangen, wissen die Einzelnen, deren keiner von seiner Macht un¬
berührt geblieben ist im Vaterlande, zu sagen und zu würdigen.

Zunächst drohte auch dieser Krieg aller friedlichen Thätigkeit, aller Arbeit des
Schaffens und Erwerbens Verderben und Untergang. Er entzieht ihr die
Hände und gleichzeitig den Markt. Kein Wunder, wenn die Angst vor dem
unvermeidlich hereindrohenden Unheil auch ohne die Mitwirkung der politischen
Ueberzeugung und des „deutschen" Vaterlandsgesühls in den Vertretern und
Angehörigen der vorzugsweis erwerbenden Bürgcrclassen jenen Fanatismus des
Friedens erzeugte, dessen Leistungen wir im Frühling dieses Jahres zu be¬
wundern so reiche Gelegenheit fanden. Dieser Fanatismus ist ein Bruder des
passiven Widerstandes: er setzt sich für seine Sache aufs äußerste zur Wehr,
aber immer „innerhalb der gesetzlichen Schranken". Und bleiben seine An¬
strengungen erfolglos, so schwindet seine Kraft und Hitze schnell genug. Man
arrangirt sich mit dem nicht zu Aendernden, so gut es eben gehen will, schickt


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[0523] der Abgeordneten zu erreichen, wenn nicht unglücklicherweise das Gesetz die Wahl vorschriebe. Mag nun in den nächsten Wahlen die Partei siegen, welche über alle äußeren Mittel verfügt, oder diejenige, welche nur in ihrer sittlichen Macht eine Stütze hat: dem künftigen Parlamente bleibt das Recht der Wahlprüfungen. Wie sich die Resultate in zweiter Instanz auch gestalten, warten haben wir gelernt, und daß dem in Preußens Hand ruhenden nationalen Werke der Sieg zufalle und seine Früchte auch für Mecklenburg nicht verloren gehen, bleibt allen etwaigen einzelnen Enttäuschungen zum Trotz unsere unerschütterliche Zuversicht. Kunst und Künstler im Gefolge des Kriegs. Der große Krieg dieses Jahres liegt abgeschlossen hinter uns. Die nächsten Resultate, welche er für das Vaterland gebracht hat, lassen sich übersehen. Was wir durch ihn gewonnen und was verloren, können wir gegen einander abwägen. In allen öffentlichen Verhältnissen ist wohl wenig, woraus er nicht erkennbar, vorübergehend oder dauernd und tief umgestaltend eingewirkt hätte. Wie er in die Privatverhältnisse eingegriffen, wie viel an Wohl und Weh wir Deutschen durch ihn empfangen, wissen die Einzelnen, deren keiner von seiner Macht un¬ berührt geblieben ist im Vaterlande, zu sagen und zu würdigen. Zunächst drohte auch dieser Krieg aller friedlichen Thätigkeit, aller Arbeit des Schaffens und Erwerbens Verderben und Untergang. Er entzieht ihr die Hände und gleichzeitig den Markt. Kein Wunder, wenn die Angst vor dem unvermeidlich hereindrohenden Unheil auch ohne die Mitwirkung der politischen Ueberzeugung und des „deutschen" Vaterlandsgesühls in den Vertretern und Angehörigen der vorzugsweis erwerbenden Bürgcrclassen jenen Fanatismus des Friedens erzeugte, dessen Leistungen wir im Frühling dieses Jahres zu be¬ wundern so reiche Gelegenheit fanden. Dieser Fanatismus ist ein Bruder des passiven Widerstandes: er setzt sich für seine Sache aufs äußerste zur Wehr, aber immer „innerhalb der gesetzlichen Schranken". Und bleiben seine An¬ strengungen erfolglos, so schwindet seine Kraft und Hitze schnell genug. Man arrangirt sich mit dem nicht zu Aendernden, so gut es eben gehen will, schickt Grenzbot-n IV. 1866. 62

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/523>, abgerufen am 28.06.2024.