Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.Der Seefischfang im Großen. In Deutschland sind frische Fische auf den Tafeln durchschnittlich eine so Man schätzt den jährlichen Verbrauch Londons an Rindfleisch auf 300.000 Es ist indessen noch nicht so lange Zeit, daß der Fischverbrauch in Eng¬ Der Seefischfang im Großen. In Deutschland sind frische Fische auf den Tafeln durchschnittlich eine so Man schätzt den jährlichen Verbrauch Londons an Rindfleisch auf 300.000 Es ist indessen noch nicht so lange Zeit, daß der Fischverbrauch in Eng¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0446" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286594"/> </div> <div n="1"> <head> Der Seefischfang im Großen.</head><lb/> <p xml:id="ID_1319"> In Deutschland sind frische Fische auf den Tafeln durchschnittlich eine so<lb/> seltene Erscheinung als etwa Feldhühner und Krammetsvögel. Betaue man<lb/> sie nicht in Gasthäusern oder bei Festmahlen zu schmecken, wo das Bedürfniß<lb/> der Mannigfaltigkeit und Abwechselung die Schwierigkeiten des Bezugs zu über¬<lb/> winden nöthigt, so würden selbst die Angehörigen der wohlhabenden Classen im<lb/> tieferen Binnenlande die Bekanntschaft frischen Seefisches kaum je machen. Den<lb/> ärmeren Ständen vollends kommen die eßbaren Schätze des Meeres nur in ver¬<lb/> arbeiteter Gestalt vor die Augen, als getrockneter Stockfisch in den westlichen,<lb/> als gesalzener Häring in den östlichen Strichen. Wir haben daher auch keine<lb/> Vorstellung von der Ausdehnbarkeit, welche der Genuß dieser Sorte Fleisch<lb/> neuerdings durch einige ineinandergreifende Verbesserungen im Betriebe des<lb/> Fischfanges und in der Fortschaffung seiner Ergebnisse erlangt hat. Um unsere<lb/> Begriffe der thatsächlichen Wahrheit nahe zu bringen, müssen wir nach England<lb/> hinüberblicken, das in dieser wie in so mancher anderen wirthschaftlichen Be¬<lb/> ziehung einen Vorsprung von Jahrzehnten vor uns voraus hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1320"> Man schätzt den jährlichen Verbrauch Londons an Rindfleisch auf 300.000<lb/> Stück fetten Viehs. Giebt man diesen ein durchschnittliches Gewicht von sechs<lb/> Centnern das Stück, so kommen 90.000 Tons Fleisch heraus. Fischende Schiffe<lb/> sind gegenwärtig, so rechnet man, 8—900 für den londoner Markt beschäftigt, wenn<lb/> man sich auf die mit dem Grundnetz (trank) fischenden, die große Masse der<lb/> Fische liefernden Fahrzeuge beschränkt. Jedes mag im Jahr durchschnittlich<lb/> 90 Tons zu Markte bringen. Das gäbe ungefähr 85.000 Tons. Berücksichtigt<lb/> man also die anderen Lieferungsquellen für frischen Fisch ebenfalls, angelnde<lb/> Boote u. s. w., so stellt sich heraus, daß in London ungefähr ebenso viel Fisch¬<lb/> fleisch zu Markte kommt wie Rindfleisch.</p><lb/> <p xml:id="ID_1321" next="#ID_1322"> Es ist indessen noch nicht so lange Zeit, daß der Fischverbrauch in Eng¬<lb/> land die hiernach zu bemessenden Dimensionen angenommen hat. Der londoner<lb/> Fischmarkt Billingsgate, dessen Heißhunger jetzt 8—900 beständig arbeitende<lb/> Grundnetze kaum zufriedenstellen, hatte vor vierzig Jahren genug an dem Er¬<lb/> trage von 40—60. Vor zwanzig Jahren liefen zwei oder drei Trawler aus<lb/> dem Humber in See: gegenwärtig gehören dreihundert von der doppelten<lb/> Größe in Hull und Grimsby zu Hause. In Scarborough ist die Zahl während<lb/> der letzten dreißig Jahre von zwei auf fünfunddreißig gestiegen, in Plvmouth<lb/> von dreißig auf sechzig. Die gesammte Trawlcrflotte Englands beträgt heute<lb/> mindestens tausend Segel, bemannt mit mehr als fünftausend Leuten und ein</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0446]
Der Seefischfang im Großen.
In Deutschland sind frische Fische auf den Tafeln durchschnittlich eine so
seltene Erscheinung als etwa Feldhühner und Krammetsvögel. Betaue man
sie nicht in Gasthäusern oder bei Festmahlen zu schmecken, wo das Bedürfniß
der Mannigfaltigkeit und Abwechselung die Schwierigkeiten des Bezugs zu über¬
winden nöthigt, so würden selbst die Angehörigen der wohlhabenden Classen im
tieferen Binnenlande die Bekanntschaft frischen Seefisches kaum je machen. Den
ärmeren Ständen vollends kommen die eßbaren Schätze des Meeres nur in ver¬
arbeiteter Gestalt vor die Augen, als getrockneter Stockfisch in den westlichen,
als gesalzener Häring in den östlichen Strichen. Wir haben daher auch keine
Vorstellung von der Ausdehnbarkeit, welche der Genuß dieser Sorte Fleisch
neuerdings durch einige ineinandergreifende Verbesserungen im Betriebe des
Fischfanges und in der Fortschaffung seiner Ergebnisse erlangt hat. Um unsere
Begriffe der thatsächlichen Wahrheit nahe zu bringen, müssen wir nach England
hinüberblicken, das in dieser wie in so mancher anderen wirthschaftlichen Be¬
ziehung einen Vorsprung von Jahrzehnten vor uns voraus hat.
Man schätzt den jährlichen Verbrauch Londons an Rindfleisch auf 300.000
Stück fetten Viehs. Giebt man diesen ein durchschnittliches Gewicht von sechs
Centnern das Stück, so kommen 90.000 Tons Fleisch heraus. Fischende Schiffe
sind gegenwärtig, so rechnet man, 8—900 für den londoner Markt beschäftigt, wenn
man sich auf die mit dem Grundnetz (trank) fischenden, die große Masse der
Fische liefernden Fahrzeuge beschränkt. Jedes mag im Jahr durchschnittlich
90 Tons zu Markte bringen. Das gäbe ungefähr 85.000 Tons. Berücksichtigt
man also die anderen Lieferungsquellen für frischen Fisch ebenfalls, angelnde
Boote u. s. w., so stellt sich heraus, daß in London ungefähr ebenso viel Fisch¬
fleisch zu Markte kommt wie Rindfleisch.
Es ist indessen noch nicht so lange Zeit, daß der Fischverbrauch in Eng¬
land die hiernach zu bemessenden Dimensionen angenommen hat. Der londoner
Fischmarkt Billingsgate, dessen Heißhunger jetzt 8—900 beständig arbeitende
Grundnetze kaum zufriedenstellen, hatte vor vierzig Jahren genug an dem Er¬
trage von 40—60. Vor zwanzig Jahren liefen zwei oder drei Trawler aus
dem Humber in See: gegenwärtig gehören dreihundert von der doppelten
Größe in Hull und Grimsby zu Hause. In Scarborough ist die Zahl während
der letzten dreißig Jahre von zwei auf fünfunddreißig gestiegen, in Plvmouth
von dreißig auf sechzig. Die gesammte Trawlcrflotte Englands beträgt heute
mindestens tausend Segel, bemannt mit mehr als fünftausend Leuten und ein
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |