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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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dieses Sommers nicht ganz wieder zu Boden gefallen sind. Es wäre auch
schon des nächsten Anlasses und Zweckes halber verkehrt gewesen, darauf zu ver¬
zichten. Die Gegner des freien Unterrichts sind durch die jüngsten gewaltigen
Ereignisse so wenig umgestimmt oder zur Mäßigung bewogen worden, daß eine
wahrhaft kleinliche Verfolgung der Lehrer, welche an dem oben erwähnten Ab-
schicdsmcchle theilgenommen hatten, noch mitten im Sommer fortgesponnen
worden ist, -- und das keineswegs durch gewöhnliche Polizeiseelen. Doch darf
man vielleicht hoffen, daß dies mehr das unvermeidliche Nachhallen eines ver¬
zogenen, als die Ankündigung eines herausziehenden Gewitters gewesen sein
werde. Wie es aber damit auch stehe: die Thätigkeit des wuppcrthaler Pro¬
testantenvereins kann nicht früh und kräftig genug eröffnet werden. Nimmt
ein besonderer Schulverein ihm einen Theil seiner hoben Aufgabe ab, so mag
er sich dem Neste desto energischer widmen. Es wäre schön, wenn etwa auf
dem bevorstehenden deutschen Protestantentage -- dessen Besuch man der nun
preußisch gewordenen Stadt Hannover schuldet -- eine Abordnung von ange¬
sehenen Männern ElberfeldS und Barmens erschiene, um sich seine nächste Zu¬
sammenkunft für das Wuvpetthal auszubitten. Damit würde vor aller Welt
Augen von dem Namen dieses anmuthigen und durch den Fleiß tüchtiger
Menschen belebten Erdenflecks jene Einseitigkeit abgestreift, welche in dem Spitz¬
namen "Muckerthal" wiederklingt; es bliebe an der Vorstellung haften eine
besondere Stärke und Lebendigkeit des religiösen Triebes, wie sie der geschicht¬
lichen Entwickelung des Thales entspricht, aber befreit von den Schlacken der
Ausschließlichkeit, des Geisteszwanges früherer Zeiten, des ausgesprochenen
leidenschaftlichen Gegensatzes zu dem Jahrhundert, als dessen Bürger wir nun
einmal leben müssen, und mit aller Energie und vollem Bewußtsein leben wollen.




Ein Kriegstagebuch aus Nassau.
2.

Ich habe bereits hervorgehoben, daß in Frankfurt die Stimmung umge¬
schlagen; es thut mir leid hinzufügen zu müssen, daß sie trotzdem noch ebenso
confus und corrupt ist. wie am 20. Mai (Abgeordnetentag), nur in einer an¬
deren Art. Mit dem 4. und 6. Juli trat der Wendepunkt ein. Bis dahin
hatten nur die Austriacissimi das Wort. Sie tanzten einen politischen Hexen-


dieses Sommers nicht ganz wieder zu Boden gefallen sind. Es wäre auch
schon des nächsten Anlasses und Zweckes halber verkehrt gewesen, darauf zu ver¬
zichten. Die Gegner des freien Unterrichts sind durch die jüngsten gewaltigen
Ereignisse so wenig umgestimmt oder zur Mäßigung bewogen worden, daß eine
wahrhaft kleinliche Verfolgung der Lehrer, welche an dem oben erwähnten Ab-
schicdsmcchle theilgenommen hatten, noch mitten im Sommer fortgesponnen
worden ist, — und das keineswegs durch gewöhnliche Polizeiseelen. Doch darf
man vielleicht hoffen, daß dies mehr das unvermeidliche Nachhallen eines ver¬
zogenen, als die Ankündigung eines herausziehenden Gewitters gewesen sein
werde. Wie es aber damit auch stehe: die Thätigkeit des wuppcrthaler Pro¬
testantenvereins kann nicht früh und kräftig genug eröffnet werden. Nimmt
ein besonderer Schulverein ihm einen Theil seiner hoben Aufgabe ab, so mag
er sich dem Neste desto energischer widmen. Es wäre schön, wenn etwa auf
dem bevorstehenden deutschen Protestantentage — dessen Besuch man der nun
preußisch gewordenen Stadt Hannover schuldet — eine Abordnung von ange¬
sehenen Männern ElberfeldS und Barmens erschiene, um sich seine nächste Zu¬
sammenkunft für das Wuvpetthal auszubitten. Damit würde vor aller Welt
Augen von dem Namen dieses anmuthigen und durch den Fleiß tüchtiger
Menschen belebten Erdenflecks jene Einseitigkeit abgestreift, welche in dem Spitz¬
namen „Muckerthal" wiederklingt; es bliebe an der Vorstellung haften eine
besondere Stärke und Lebendigkeit des religiösen Triebes, wie sie der geschicht¬
lichen Entwickelung des Thales entspricht, aber befreit von den Schlacken der
Ausschließlichkeit, des Geisteszwanges früherer Zeiten, des ausgesprochenen
leidenschaftlichen Gegensatzes zu dem Jahrhundert, als dessen Bürger wir nun
einmal leben müssen, und mit aller Energie und vollem Bewußtsein leben wollen.




Ein Kriegstagebuch aus Nassau.
2.

Ich habe bereits hervorgehoben, daß in Frankfurt die Stimmung umge¬
schlagen; es thut mir leid hinzufügen zu müssen, daß sie trotzdem noch ebenso
confus und corrupt ist. wie am 20. Mai (Abgeordnetentag), nur in einer an¬
deren Art. Mit dem 4. und 6. Juli trat der Wendepunkt ein. Bis dahin
hatten nur die Austriacissimi das Wort. Sie tanzten einen politischen Hexen-


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[0036] dieses Sommers nicht ganz wieder zu Boden gefallen sind. Es wäre auch schon des nächsten Anlasses und Zweckes halber verkehrt gewesen, darauf zu ver¬ zichten. Die Gegner des freien Unterrichts sind durch die jüngsten gewaltigen Ereignisse so wenig umgestimmt oder zur Mäßigung bewogen worden, daß eine wahrhaft kleinliche Verfolgung der Lehrer, welche an dem oben erwähnten Ab- schicdsmcchle theilgenommen hatten, noch mitten im Sommer fortgesponnen worden ist, — und das keineswegs durch gewöhnliche Polizeiseelen. Doch darf man vielleicht hoffen, daß dies mehr das unvermeidliche Nachhallen eines ver¬ zogenen, als die Ankündigung eines herausziehenden Gewitters gewesen sein werde. Wie es aber damit auch stehe: die Thätigkeit des wuppcrthaler Pro¬ testantenvereins kann nicht früh und kräftig genug eröffnet werden. Nimmt ein besonderer Schulverein ihm einen Theil seiner hoben Aufgabe ab, so mag er sich dem Neste desto energischer widmen. Es wäre schön, wenn etwa auf dem bevorstehenden deutschen Protestantentage — dessen Besuch man der nun preußisch gewordenen Stadt Hannover schuldet — eine Abordnung von ange¬ sehenen Männern ElberfeldS und Barmens erschiene, um sich seine nächste Zu¬ sammenkunft für das Wuvpetthal auszubitten. Damit würde vor aller Welt Augen von dem Namen dieses anmuthigen und durch den Fleiß tüchtiger Menschen belebten Erdenflecks jene Einseitigkeit abgestreift, welche in dem Spitz¬ namen „Muckerthal" wiederklingt; es bliebe an der Vorstellung haften eine besondere Stärke und Lebendigkeit des religiösen Triebes, wie sie der geschicht¬ lichen Entwickelung des Thales entspricht, aber befreit von den Schlacken der Ausschließlichkeit, des Geisteszwanges früherer Zeiten, des ausgesprochenen leidenschaftlichen Gegensatzes zu dem Jahrhundert, als dessen Bürger wir nun einmal leben müssen, und mit aller Energie und vollem Bewußtsein leben wollen. Ein Kriegstagebuch aus Nassau. 2. Ich habe bereits hervorgehoben, daß in Frankfurt die Stimmung umge¬ schlagen; es thut mir leid hinzufügen zu müssen, daß sie trotzdem noch ebenso confus und corrupt ist. wie am 20. Mai (Abgeordnetentag), nur in einer an¬ deren Art. Mit dem 4. und 6. Juli trat der Wendepunkt ein. Bis dahin hatten nur die Austriacissimi das Wort. Sie tanzten einen politischen Hexen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/36>, abgerufen am 28.06.2024.