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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Reichswahlgesetz hergestellt, so winde in Mecklenburg nur mit Protest gewählt
werden können und das Weitere der Entscheidung des Parlaments anheim¬
zugeben sein.




Eine nenentdeitte arwlische Inschrift.

Wer aus Erfahrung weiß, wie tumultuarisch mitunter selbst von Verstän¬
digen in Rom und in der Campagna ausgegraben wird, wie ängstlich man im
Kunsthandel die Angaben der Provenienzen neuentdeckter Kunstgegenstände ver¬
meidet aus Furcht, daß sich die Negierung ins Mittel lege oder daß Unbefugte
nachgraben möchten, oder daß die Ergiebigkeit des Ortes durch das offene Wort
hinweggezaubert,werden könnte -- den kann es nicht Wunder nehmen, daß so
viele Monumente, bekannte wie ncuauftauchende, ohne Angabe ihrer Heimath
bleiben, daß man von zahlreichen oft so wichtigen Denkmälern schmerzlich
genug eine Notiz über ihren Fundort vermißt. So konnte es kommen, daß
die in Inschriften erhaltenen hochwichtigen Urkunden des römischen Priester-
collegiums der kratres arvales längst Gegenstand gelehrter und gründlicher
Forschung waren, ohne daß man noch mit Wahrscheinlichkeit den Ort anzugeben
vermochte, wo in der römischen Campagna der Cultus der von diesem Colle-
gium gefeierten altlateinischen Flurgöttin ven, via stattfand, und die ihn be¬
treffenden inschriftlichen Protokolle ursprünglich aufgestellt waren. Man war
durch diese Urkunden selbst auf das genaueste über die religiösen Ceremonien
der Brüderschaft unterrichtet, wußte, an welchen Tagen im Jahr und in welcher
Weise sie ihre zahlreichen Opfer und Schmäuse hielten, wußte um ihre Orga¬
nisation und kannte eine große Zahl ihrer Mitglieder, unter welchen die ange¬
sehensten Römer, und selbst Kaiser figuriren, ja man kannte die Zahl und die
Beschaffenheit ihrer sacralen Gebäude, ihren Tempel der vsu, via, ihr Cäsareum.
Cncus und Tetrastylum; aber noch immer fehlte in Ermangelung von Er¬
wähnungen oder Beschreibungen der Localität bei alten Schriftstellern jede'
Möglichkeit einer annähernd genauen topographischen Präcision.

Eine glückliche Entdeckung des verstorbenen Archäologen Abeken machte der
Ungewißheit ein Ende. Er fand in den Ufsizien zu Florenz unter den Hand¬
zeichnungen Balthasare Pcruzzis (-j- 1536) den Grund- und Aufriß eines Ge-


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Reichswahlgesetz hergestellt, so winde in Mecklenburg nur mit Protest gewählt
werden können und das Weitere der Entscheidung des Parlaments anheim¬
zugeben sein.




Eine nenentdeitte arwlische Inschrift.

Wer aus Erfahrung weiß, wie tumultuarisch mitunter selbst von Verstän¬
digen in Rom und in der Campagna ausgegraben wird, wie ängstlich man im
Kunsthandel die Angaben der Provenienzen neuentdeckter Kunstgegenstände ver¬
meidet aus Furcht, daß sich die Negierung ins Mittel lege oder daß Unbefugte
nachgraben möchten, oder daß die Ergiebigkeit des Ortes durch das offene Wort
hinweggezaubert,werden könnte — den kann es nicht Wunder nehmen, daß so
viele Monumente, bekannte wie ncuauftauchende, ohne Angabe ihrer Heimath
bleiben, daß man von zahlreichen oft so wichtigen Denkmälern schmerzlich
genug eine Notiz über ihren Fundort vermißt. So konnte es kommen, daß
die in Inschriften erhaltenen hochwichtigen Urkunden des römischen Priester-
collegiums der kratres arvales längst Gegenstand gelehrter und gründlicher
Forschung waren, ohne daß man noch mit Wahrscheinlichkeit den Ort anzugeben
vermochte, wo in der römischen Campagna der Cultus der von diesem Colle-
gium gefeierten altlateinischen Flurgöttin ven, via stattfand, und die ihn be¬
treffenden inschriftlichen Protokolle ursprünglich aufgestellt waren. Man war
durch diese Urkunden selbst auf das genaueste über die religiösen Ceremonien
der Brüderschaft unterrichtet, wußte, an welchen Tagen im Jahr und in welcher
Weise sie ihre zahlreichen Opfer und Schmäuse hielten, wußte um ihre Orga¬
nisation und kannte eine große Zahl ihrer Mitglieder, unter welchen die ange¬
sehensten Römer, und selbst Kaiser figuriren, ja man kannte die Zahl und die
Beschaffenheit ihrer sacralen Gebäude, ihren Tempel der vsu, via, ihr Cäsareum.
Cncus und Tetrastylum; aber noch immer fehlte in Ermangelung von Er¬
wähnungen oder Beschreibungen der Localität bei alten Schriftstellern jede'
Möglichkeit einer annähernd genauen topographischen Präcision.

Eine glückliche Entdeckung des verstorbenen Archäologen Abeken machte der
Ungewißheit ein Ende. Er fand in den Ufsizien zu Florenz unter den Hand¬
zeichnungen Balthasare Pcruzzis (-j- 1536) den Grund- und Aufriß eines Ge-


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[0247] Reichswahlgesetz hergestellt, so winde in Mecklenburg nur mit Protest gewählt werden können und das Weitere der Entscheidung des Parlaments anheim¬ zugeben sein. Eine nenentdeitte arwlische Inschrift. Wer aus Erfahrung weiß, wie tumultuarisch mitunter selbst von Verstän¬ digen in Rom und in der Campagna ausgegraben wird, wie ängstlich man im Kunsthandel die Angaben der Provenienzen neuentdeckter Kunstgegenstände ver¬ meidet aus Furcht, daß sich die Negierung ins Mittel lege oder daß Unbefugte nachgraben möchten, oder daß die Ergiebigkeit des Ortes durch das offene Wort hinweggezaubert,werden könnte — den kann es nicht Wunder nehmen, daß so viele Monumente, bekannte wie ncuauftauchende, ohne Angabe ihrer Heimath bleiben, daß man von zahlreichen oft so wichtigen Denkmälern schmerzlich genug eine Notiz über ihren Fundort vermißt. So konnte es kommen, daß die in Inschriften erhaltenen hochwichtigen Urkunden des römischen Priester- collegiums der kratres arvales längst Gegenstand gelehrter und gründlicher Forschung waren, ohne daß man noch mit Wahrscheinlichkeit den Ort anzugeben vermochte, wo in der römischen Campagna der Cultus der von diesem Colle- gium gefeierten altlateinischen Flurgöttin ven, via stattfand, und die ihn be¬ treffenden inschriftlichen Protokolle ursprünglich aufgestellt waren. Man war durch diese Urkunden selbst auf das genaueste über die religiösen Ceremonien der Brüderschaft unterrichtet, wußte, an welchen Tagen im Jahr und in welcher Weise sie ihre zahlreichen Opfer und Schmäuse hielten, wußte um ihre Orga¬ nisation und kannte eine große Zahl ihrer Mitglieder, unter welchen die ange¬ sehensten Römer, und selbst Kaiser figuriren, ja man kannte die Zahl und die Beschaffenheit ihrer sacralen Gebäude, ihren Tempel der vsu, via, ihr Cäsareum. Cncus und Tetrastylum; aber noch immer fehlte in Ermangelung von Er¬ wähnungen oder Beschreibungen der Localität bei alten Schriftstellern jede' Möglichkeit einer annähernd genauen topographischen Präcision. Eine glückliche Entdeckung des verstorbenen Archäologen Abeken machte der Ungewißheit ein Ende. Er fand in den Ufsizien zu Florenz unter den Hand¬ zeichnungen Balthasare Pcruzzis (-j- 1536) den Grund- und Aufriß eines Ge- 29"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/247>, abgerufen am 28.06.2024.