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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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bciudes der arvalischen Brüderschaft, und zwar mit Angabe des Ortes "am
vierten Miglienstein der Via Portuensis". Diese werthvolle architektonische
Skizze zeigt als Schmuck des Gebäudes neun Statuen römischer Kaiser, welche
mit dem Abzeichen der arvalischen Priesterwürdc, einem Aehrenkranze im Haar,
dargestellt waren. Die Statuen sind verloren gegangen, obwohl eine flüchtige
Notiz eines Cinquecentistcn bezeugt, daß sie von der ursprünglichen Stelle später
in einen römischen Palast gerettet worden sind; auch das Gebäude, welches dem
berühmten Schüler und Genossen Rafaels Anlaß zu der erwähnten Studie
gegeben, ist'gegenwärtig großentheils zerstört. Indessen läßt es sich an dem
angegebenen O.re, wenigstens in seinem Grundriß, noch deutlich erkennen, etwa
eine halbe deutsche Meile weit von der Stadt auf der Via Portuensis oder
Campana, welche von Trastcverc aus dem rechten Ufer des Tiber entlang sich
hinzieht; und dicht in der Nähe finden sich noch heutzutage die Ueberreste
der sämmtlichen Heiligthümer, die einst den Hain und Berg des arvalischen
Priestercollegiums schmückten. Nachgrabungen, welche der Zufall in neuerer
Zeit an diesem Ort anstellte, haben neue Fragmente der berühmten Urkunden
zu Tag gefördert, und damit auf das schlagendste die Richtigkeit der topo¬
graphischen Fixirung bestätigt. Leider haben weder die gegenwärtigen Eigen¬
thümer des Grund und Bodens noch die Regierung, der es in der gegenwär¬
tigen politischen und finanziellen Misöre an Geld und Lust zu wissenschaftlichen
Lorbeeren fehlt, sich entschließen können, eine Ausgrabung des ganzen Bezirkes,
welche die bedeutendsten Ergebnisse erzielen müßte, planmäßig zu veranstalten.
Man darf sich mit einem Grad von Wahrscheinlichkeit, der an Gewißheit
grenzt, sagen, daß dieser Fleck Erde noch eine Reihe von Monumenten verbirgt,
welche über viele Punkte der römischen Alterthumskunde die folgenreichsten Auf¬
schlüsse geben müssen. Aber das Geld ist eine Macht auch in der Wissenschaft;
sie muß sich begnügen und weiter Plagen, wo sie nur zu vermuthen und nicht
zu wissen vermag, bis das Glück ihr neue Quellen zuführt, die. wenn es metho¬
disch zuginge in der Welt, sofort und mit allen Mitteln zu Tag gebracht werben
müßten. Das kommende Jahrhundert wird es vielleicht nicht verstehen, daß
das gegenwärtige, in welchem die Bücher über Kunst und Kunstgeschichte wie
Pilse aus der Erde wachsen, trotz aller Winckelmannsfeste und Akademien, keine
Anstalten macht, die Schätze Olympias zu heben.

Es ist ein neuer Zufall -- der Besitzer der Vigne, in welchem der Tempel
der v6g. sich befindet, mußte einen kleinen Anbau vornehmen -- der eine
neue arvalischc Inschrift vor wenigen Monaten ans Licht gebracht hat. Sie
ist von Marmor Und von ansehnlicher Größe. 1,72 Meter hoch, 0.86 Meter
breit; ihre Aufzeichnungen liefern die Geschichte der Brüderschaft in den Jahren
68--69 n. Chr. G. und füllen eine Lücke in der Reihe der bisher bekannten
aus, so daß man mit ihrer Hilfe nunmehr die sämmtlichen Acten des Collegiums


bciudes der arvalischen Brüderschaft, und zwar mit Angabe des Ortes „am
vierten Miglienstein der Via Portuensis". Diese werthvolle architektonische
Skizze zeigt als Schmuck des Gebäudes neun Statuen römischer Kaiser, welche
mit dem Abzeichen der arvalischen Priesterwürdc, einem Aehrenkranze im Haar,
dargestellt waren. Die Statuen sind verloren gegangen, obwohl eine flüchtige
Notiz eines Cinquecentistcn bezeugt, daß sie von der ursprünglichen Stelle später
in einen römischen Palast gerettet worden sind; auch das Gebäude, welches dem
berühmten Schüler und Genossen Rafaels Anlaß zu der erwähnten Studie
gegeben, ist'gegenwärtig großentheils zerstört. Indessen läßt es sich an dem
angegebenen O.re, wenigstens in seinem Grundriß, noch deutlich erkennen, etwa
eine halbe deutsche Meile weit von der Stadt auf der Via Portuensis oder
Campana, welche von Trastcverc aus dem rechten Ufer des Tiber entlang sich
hinzieht; und dicht in der Nähe finden sich noch heutzutage die Ueberreste
der sämmtlichen Heiligthümer, die einst den Hain und Berg des arvalischen
Priestercollegiums schmückten. Nachgrabungen, welche der Zufall in neuerer
Zeit an diesem Ort anstellte, haben neue Fragmente der berühmten Urkunden
zu Tag gefördert, und damit auf das schlagendste die Richtigkeit der topo¬
graphischen Fixirung bestätigt. Leider haben weder die gegenwärtigen Eigen¬
thümer des Grund und Bodens noch die Regierung, der es in der gegenwär¬
tigen politischen und finanziellen Misöre an Geld und Lust zu wissenschaftlichen
Lorbeeren fehlt, sich entschließen können, eine Ausgrabung des ganzen Bezirkes,
welche die bedeutendsten Ergebnisse erzielen müßte, planmäßig zu veranstalten.
Man darf sich mit einem Grad von Wahrscheinlichkeit, der an Gewißheit
grenzt, sagen, daß dieser Fleck Erde noch eine Reihe von Monumenten verbirgt,
welche über viele Punkte der römischen Alterthumskunde die folgenreichsten Auf¬
schlüsse geben müssen. Aber das Geld ist eine Macht auch in der Wissenschaft;
sie muß sich begnügen und weiter Plagen, wo sie nur zu vermuthen und nicht
zu wissen vermag, bis das Glück ihr neue Quellen zuführt, die. wenn es metho¬
disch zuginge in der Welt, sofort und mit allen Mitteln zu Tag gebracht werben
müßten. Das kommende Jahrhundert wird es vielleicht nicht verstehen, daß
das gegenwärtige, in welchem die Bücher über Kunst und Kunstgeschichte wie
Pilse aus der Erde wachsen, trotz aller Winckelmannsfeste und Akademien, keine
Anstalten macht, die Schätze Olympias zu heben.

Es ist ein neuer Zufall — der Besitzer der Vigne, in welchem der Tempel
der v6g. sich befindet, mußte einen kleinen Anbau vornehmen — der eine
neue arvalischc Inschrift vor wenigen Monaten ans Licht gebracht hat. Sie
ist von Marmor Und von ansehnlicher Größe. 1,72 Meter hoch, 0.86 Meter
breit; ihre Aufzeichnungen liefern die Geschichte der Brüderschaft in den Jahren
68—69 n. Chr. G. und füllen eine Lücke in der Reihe der bisher bekannten
aus, so daß man mit ihrer Hilfe nunmehr die sämmtlichen Acten des Collegiums


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[0248] bciudes der arvalischen Brüderschaft, und zwar mit Angabe des Ortes „am vierten Miglienstein der Via Portuensis". Diese werthvolle architektonische Skizze zeigt als Schmuck des Gebäudes neun Statuen römischer Kaiser, welche mit dem Abzeichen der arvalischen Priesterwürdc, einem Aehrenkranze im Haar, dargestellt waren. Die Statuen sind verloren gegangen, obwohl eine flüchtige Notiz eines Cinquecentistcn bezeugt, daß sie von der ursprünglichen Stelle später in einen römischen Palast gerettet worden sind; auch das Gebäude, welches dem berühmten Schüler und Genossen Rafaels Anlaß zu der erwähnten Studie gegeben, ist'gegenwärtig großentheils zerstört. Indessen läßt es sich an dem angegebenen O.re, wenigstens in seinem Grundriß, noch deutlich erkennen, etwa eine halbe deutsche Meile weit von der Stadt auf der Via Portuensis oder Campana, welche von Trastcverc aus dem rechten Ufer des Tiber entlang sich hinzieht; und dicht in der Nähe finden sich noch heutzutage die Ueberreste der sämmtlichen Heiligthümer, die einst den Hain und Berg des arvalischen Priestercollegiums schmückten. Nachgrabungen, welche der Zufall in neuerer Zeit an diesem Ort anstellte, haben neue Fragmente der berühmten Urkunden zu Tag gefördert, und damit auf das schlagendste die Richtigkeit der topo¬ graphischen Fixirung bestätigt. Leider haben weder die gegenwärtigen Eigen¬ thümer des Grund und Bodens noch die Regierung, der es in der gegenwär¬ tigen politischen und finanziellen Misöre an Geld und Lust zu wissenschaftlichen Lorbeeren fehlt, sich entschließen können, eine Ausgrabung des ganzen Bezirkes, welche die bedeutendsten Ergebnisse erzielen müßte, planmäßig zu veranstalten. Man darf sich mit einem Grad von Wahrscheinlichkeit, der an Gewißheit grenzt, sagen, daß dieser Fleck Erde noch eine Reihe von Monumenten verbirgt, welche über viele Punkte der römischen Alterthumskunde die folgenreichsten Auf¬ schlüsse geben müssen. Aber das Geld ist eine Macht auch in der Wissenschaft; sie muß sich begnügen und weiter Plagen, wo sie nur zu vermuthen und nicht zu wissen vermag, bis das Glück ihr neue Quellen zuführt, die. wenn es metho¬ disch zuginge in der Welt, sofort und mit allen Mitteln zu Tag gebracht werben müßten. Das kommende Jahrhundert wird es vielleicht nicht verstehen, daß das gegenwärtige, in welchem die Bücher über Kunst und Kunstgeschichte wie Pilse aus der Erde wachsen, trotz aller Winckelmannsfeste und Akademien, keine Anstalten macht, die Schätze Olympias zu heben. Es ist ein neuer Zufall — der Besitzer der Vigne, in welchem der Tempel der v6g. sich befindet, mußte einen kleinen Anbau vornehmen — der eine neue arvalischc Inschrift vor wenigen Monaten ans Licht gebracht hat. Sie ist von Marmor Und von ansehnlicher Größe. 1,72 Meter hoch, 0.86 Meter breit; ihre Aufzeichnungen liefern die Geschichte der Brüderschaft in den Jahren 68—69 n. Chr. G. und füllen eine Lücke in der Reihe der bisher bekannten aus, so daß man mit ihrer Hilfe nunmehr die sämmtlichen Acten des Collegiums

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/248>, abgerufen am 30.06.2024.