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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Literatur.

In mehren neuern Geschichtswerken und Zeitschriften findet man in
Betreff der Betheiligung der preußischen Landwehr an den glorreichen Be¬
freiungskämpfen Angaben, die zum nicht geringen Theil nur mit Vorsicht auf¬
zunehmen sind. Wir schicken hier voraus, daß wir die große Tapferkeit
und edle Hingebung dieser Truppen in keiner Weise verkennen und ihre
hohen Verdienste schmälern wollen. Will man aber gerecht und unparteilich
sein, so darf ein solches Hervorheben der Landwehr nicht auf Kosten der
anderen Waffengefährten in der Linie geschehen, sei das nun infolge eines
Uebersehens, einer nicht hinreichenden Kenntniß auf diesem Gebiete, oder gar
einer absichtlichen Einseitigkeit. So muß denn infolge dieser Mängel mancher
in der Kriegsgeschichte jener Zeit weniger Kundige zu der Annahme veranlaßt
werden: daß die Landwehr, wenn auch nicht alles, doch das Meiste in jenem
Vaterlandskricge gethan und der größere Theil dieser Kämpfer freiwillig
um das vaterländische Banner sich geschaart habe.

In jüngster Zeit wirkten besonders zwei Factoren in der Presse, die Land¬
wehr und ihre Leistungen in das glänzendste Licht zu stellen: nämlich die erste
Feier nach fünfzigjähriger Vergangenheit, zum Gedächtniß der Kämpfer und
ihrer Errungenschaften und dann die beabsichtigte preußische Heeresorganisation,
wobei man eine allmälige Beseitigung oder mindestens ein Zurückdrängen der
Landwehr aus dem bisherigen Heerverbände befürchtet. Ein drittes Motiv dürfte
noch von der Seite her in Betracht zu ziehen sein, von wo auf das entschie¬
denste dahin gewirkt wird: die stehenden Heere als zu kostspielig und nicht
mehr zeitgemäß zu beseitigen und statt ihrer es mit Vvlksheeren zu versuchen.
Da nun die preußische Landwehr in ihrer bisherigen Organisation und ihren
Elementen mehr der letzteren zuzuzählen ist, so mußten sich ihr alle die Sym¬
pathien derer mehr oder minder zuwenden, die sich als Gegner der stehenden
Heere erklären.

So konnte es denn nicht wohl ausbleiben, daß auch weniger Berufne,
dagegen aber für das System desto mehr Eingenommene thätig zum Verherr¬
lichen der preußischen Landwehr mitwirkten und sich so bei Darstellung kriegs¬
geschichtlicher Momente mehr oder weniger dem Vorwurf der Einseitigkeit oder
gar der Parteilichkeit preisgaben. Dagegen finden wir aber auch Schriften
anerkannt tüchtiger Männer von Fach, in denen der Gegenstand auf das
gründlichste behandelt wird, die aber leider den Weg in das größere Publikum
weniger finden, als das, was als leichtere Waare diesem in billigen und viel¬
gelesenen Zeitschriften aufgetischt oder sonst nach dem Geschmack der Massen
auf den Büchermarkt gebracht wird.


Literatur.

In mehren neuern Geschichtswerken und Zeitschriften findet man in
Betreff der Betheiligung der preußischen Landwehr an den glorreichen Be¬
freiungskämpfen Angaben, die zum nicht geringen Theil nur mit Vorsicht auf¬
zunehmen sind. Wir schicken hier voraus, daß wir die große Tapferkeit
und edle Hingebung dieser Truppen in keiner Weise verkennen und ihre
hohen Verdienste schmälern wollen. Will man aber gerecht und unparteilich
sein, so darf ein solches Hervorheben der Landwehr nicht auf Kosten der
anderen Waffengefährten in der Linie geschehen, sei das nun infolge eines
Uebersehens, einer nicht hinreichenden Kenntniß auf diesem Gebiete, oder gar
einer absichtlichen Einseitigkeit. So muß denn infolge dieser Mängel mancher
in der Kriegsgeschichte jener Zeit weniger Kundige zu der Annahme veranlaßt
werden: daß die Landwehr, wenn auch nicht alles, doch das Meiste in jenem
Vaterlandskricge gethan und der größere Theil dieser Kämpfer freiwillig
um das vaterländische Banner sich geschaart habe.

In jüngster Zeit wirkten besonders zwei Factoren in der Presse, die Land¬
wehr und ihre Leistungen in das glänzendste Licht zu stellen: nämlich die erste
Feier nach fünfzigjähriger Vergangenheit, zum Gedächtniß der Kämpfer und
ihrer Errungenschaften und dann die beabsichtigte preußische Heeresorganisation,
wobei man eine allmälige Beseitigung oder mindestens ein Zurückdrängen der
Landwehr aus dem bisherigen Heerverbände befürchtet. Ein drittes Motiv dürfte
noch von der Seite her in Betracht zu ziehen sein, von wo auf das entschie¬
denste dahin gewirkt wird: die stehenden Heere als zu kostspielig und nicht
mehr zeitgemäß zu beseitigen und statt ihrer es mit Vvlksheeren zu versuchen.
Da nun die preußische Landwehr in ihrer bisherigen Organisation und ihren
Elementen mehr der letzteren zuzuzählen ist, so mußten sich ihr alle die Sym¬
pathien derer mehr oder minder zuwenden, die sich als Gegner der stehenden
Heere erklären.

So konnte es denn nicht wohl ausbleiben, daß auch weniger Berufne,
dagegen aber für das System desto mehr Eingenommene thätig zum Verherr¬
lichen der preußischen Landwehr mitwirkten und sich so bei Darstellung kriegs¬
geschichtlicher Momente mehr oder weniger dem Vorwurf der Einseitigkeit oder
gar der Parteilichkeit preisgaben. Dagegen finden wir aber auch Schriften
anerkannt tüchtiger Männer von Fach, in denen der Gegenstand auf das
gründlichste behandelt wird, die aber leider den Weg in das größere Publikum
weniger finden, als das, was als leichtere Waare diesem in billigen und viel¬
gelesenen Zeitschriften aufgetischt oder sonst nach dem Geschmack der Massen
auf den Büchermarkt gebracht wird.


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[0169] Literatur. In mehren neuern Geschichtswerken und Zeitschriften findet man in Betreff der Betheiligung der preußischen Landwehr an den glorreichen Be¬ freiungskämpfen Angaben, die zum nicht geringen Theil nur mit Vorsicht auf¬ zunehmen sind. Wir schicken hier voraus, daß wir die große Tapferkeit und edle Hingebung dieser Truppen in keiner Weise verkennen und ihre hohen Verdienste schmälern wollen. Will man aber gerecht und unparteilich sein, so darf ein solches Hervorheben der Landwehr nicht auf Kosten der anderen Waffengefährten in der Linie geschehen, sei das nun infolge eines Uebersehens, einer nicht hinreichenden Kenntniß auf diesem Gebiete, oder gar einer absichtlichen Einseitigkeit. So muß denn infolge dieser Mängel mancher in der Kriegsgeschichte jener Zeit weniger Kundige zu der Annahme veranlaßt werden: daß die Landwehr, wenn auch nicht alles, doch das Meiste in jenem Vaterlandskricge gethan und der größere Theil dieser Kämpfer freiwillig um das vaterländische Banner sich geschaart habe. In jüngster Zeit wirkten besonders zwei Factoren in der Presse, die Land¬ wehr und ihre Leistungen in das glänzendste Licht zu stellen: nämlich die erste Feier nach fünfzigjähriger Vergangenheit, zum Gedächtniß der Kämpfer und ihrer Errungenschaften und dann die beabsichtigte preußische Heeresorganisation, wobei man eine allmälige Beseitigung oder mindestens ein Zurückdrängen der Landwehr aus dem bisherigen Heerverbände befürchtet. Ein drittes Motiv dürfte noch von der Seite her in Betracht zu ziehen sein, von wo auf das entschie¬ denste dahin gewirkt wird: die stehenden Heere als zu kostspielig und nicht mehr zeitgemäß zu beseitigen und statt ihrer es mit Vvlksheeren zu versuchen. Da nun die preußische Landwehr in ihrer bisherigen Organisation und ihren Elementen mehr der letzteren zuzuzählen ist, so mußten sich ihr alle die Sym¬ pathien derer mehr oder minder zuwenden, die sich als Gegner der stehenden Heere erklären. So konnte es denn nicht wohl ausbleiben, daß auch weniger Berufne, dagegen aber für das System desto mehr Eingenommene thätig zum Verherr¬ lichen der preußischen Landwehr mitwirkten und sich so bei Darstellung kriegs¬ geschichtlicher Momente mehr oder weniger dem Vorwurf der Einseitigkeit oder gar der Parteilichkeit preisgaben. Dagegen finden wir aber auch Schriften anerkannt tüchtiger Männer von Fach, in denen der Gegenstand auf das gründlichste behandelt wird, die aber leider den Weg in das größere Publikum weniger finden, als das, was als leichtere Waare diesem in billigen und viel¬ gelesenen Zeitschriften aufgetischt oder sonst nach dem Geschmack der Massen auf den Büchermarkt gebracht wird.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/169>, abgerufen am 30.12.2024.