Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Schwunges, so hoch auch formell Habakuk und Jeremia in rein geistiger Hin¬
sicht stehn. Die dritte Periode, die des neuen Auslebens der Nation gegen den
Schluß des Exils hin, wird durch mehre anonyme und ein pseudonymes Stück
in den Büchern Jesaia und Jeremia repräsentirt, welche wieder einen frischen,
kräftigen Ton anschlagen und meist gegen das tyrannische Babel gerichtet sind.
Die vierte Periode endlich, die nachezilische, aus der wir die Schriften Haggais,
Sacharjas und Maleachis haben, zeigt das gänzliche Sinken der prophetischen
Kraft. Inhalt und Form ist hier gleich dürftig; für das eigentliche Judenthum,
welches in dieser Zeit begründet ward, paßte das alte israelitische Propheten-
thum mit seinem hohen, freien, undisciplinirten Geiste nicht mehr.




Kaiser Karl der Fünfte.

Karl der Fünfte und die deutschen Protestanten 1545 bis 1555. Von Wilhelm
Maurenbrecher. Nebst einem Anhang von Ackerstücken aus dem spanischen Staats¬
archiv von Simancas. Düsseldorf, Verlagshandlung von I. Buddeus. 1865.
346 und 184 S. 8.

Die vorliegende Schrift ist die erste Frucht vierzehnmonatlicher Studien in
den Archiven zu Simancas, die dem Verfasser Material zu einer Geschichte
Philipps des Zweiten von Spanien geben sollten, und gleichsam die Einleitung
in diese Geschichte. Einen Gegenstand behandelnd, der von Ranke, dem Lehrer
und Vorbild Maurenbrechers, bereits dargestellt ist, entwickelt sie im Ganzen
dieselbe Ansicht von der Periode, mit der sie sich beschäftigt, wie jener, doch
mußten bei dem größeren Reichthum an Material manche einzelne Partien in
anderm Lichte erscheinen als bei dem Vorgänger. An Scharfsinn in der Deu¬
tung und Entwickelung der Charaktere und Situationen und in der Kunst klarer
und anschaulicher Darstellung kommt der Schüler dem Meister ziemlich nahe. Die
kriegerischen Ereignisse sowie überhaupt bekannte Dinge sind nur kurz erwähnt,
Hauptsache ist dem Verfasser, auszuführen, in welchen Wechselbeziehungen und
Wechselwirkungen Karls europäische Politik, sein Streben nach der Universal¬
monarchie zu der kirchlichen Bewegung des deutschen Protestantismus gestanden
hat, und dies ist ihm in einer Weise gelungen, die sein Buch warm empfehlen
läßt. Die eigenthümliche Mischung verschiedener, sich widerstrebender Motiven


Schwunges, so hoch auch formell Habakuk und Jeremia in rein geistiger Hin¬
sicht stehn. Die dritte Periode, die des neuen Auslebens der Nation gegen den
Schluß des Exils hin, wird durch mehre anonyme und ein pseudonymes Stück
in den Büchern Jesaia und Jeremia repräsentirt, welche wieder einen frischen,
kräftigen Ton anschlagen und meist gegen das tyrannische Babel gerichtet sind.
Die vierte Periode endlich, die nachezilische, aus der wir die Schriften Haggais,
Sacharjas und Maleachis haben, zeigt das gänzliche Sinken der prophetischen
Kraft. Inhalt und Form ist hier gleich dürftig; für das eigentliche Judenthum,
welches in dieser Zeit begründet ward, paßte das alte israelitische Propheten-
thum mit seinem hohen, freien, undisciplinirten Geiste nicht mehr.




Kaiser Karl der Fünfte.

Karl der Fünfte und die deutschen Protestanten 1545 bis 1555. Von Wilhelm
Maurenbrecher. Nebst einem Anhang von Ackerstücken aus dem spanischen Staats¬
archiv von Simancas. Düsseldorf, Verlagshandlung von I. Buddeus. 1865.
346 und 184 S. 8.

Die vorliegende Schrift ist die erste Frucht vierzehnmonatlicher Studien in
den Archiven zu Simancas, die dem Verfasser Material zu einer Geschichte
Philipps des Zweiten von Spanien geben sollten, und gleichsam die Einleitung
in diese Geschichte. Einen Gegenstand behandelnd, der von Ranke, dem Lehrer
und Vorbild Maurenbrechers, bereits dargestellt ist, entwickelt sie im Ganzen
dieselbe Ansicht von der Periode, mit der sie sich beschäftigt, wie jener, doch
mußten bei dem größeren Reichthum an Material manche einzelne Partien in
anderm Lichte erscheinen als bei dem Vorgänger. An Scharfsinn in der Deu¬
tung und Entwickelung der Charaktere und Situationen und in der Kunst klarer
und anschaulicher Darstellung kommt der Schüler dem Meister ziemlich nahe. Die
kriegerischen Ereignisse sowie überhaupt bekannte Dinge sind nur kurz erwähnt,
Hauptsache ist dem Verfasser, auszuführen, in welchen Wechselbeziehungen und
Wechselwirkungen Karls europäische Politik, sein Streben nach der Universal¬
monarchie zu der kirchlichen Bewegung des deutschen Protestantismus gestanden
hat, und dies ist ihm in einer Weise gelungen, die sein Buch warm empfehlen
läßt. Die eigenthümliche Mischung verschiedener, sich widerstrebender Motiven


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0454" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283807"/>
          <p xml:id="ID_1306" prev="#ID_1305"> Schwunges, so hoch auch formell Habakuk und Jeremia in rein geistiger Hin¬<lb/>
sicht stehn. Die dritte Periode, die des neuen Auslebens der Nation gegen den<lb/>
Schluß des Exils hin, wird durch mehre anonyme und ein pseudonymes Stück<lb/>
in den Büchern Jesaia und Jeremia repräsentirt, welche wieder einen frischen,<lb/>
kräftigen Ton anschlagen und meist gegen das tyrannische Babel gerichtet sind.<lb/>
Die vierte Periode endlich, die nachezilische, aus der wir die Schriften Haggais,<lb/>
Sacharjas und Maleachis haben, zeigt das gänzliche Sinken der prophetischen<lb/>
Kraft. Inhalt und Form ist hier gleich dürftig; für das eigentliche Judenthum,<lb/>
welches in dieser Zeit begründet ward, paßte das alte israelitische Propheten-<lb/>
thum mit seinem hohen, freien, undisciplinirten Geiste nicht mehr.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Kaiser Karl der Fünfte.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1307"> Karl der Fünfte und die deutschen Protestanten 1545 bis 1555.  Von Wilhelm<lb/>
Maurenbrecher.  Nebst einem Anhang von Ackerstücken aus dem spanischen Staats¬<lb/>
archiv von Simancas.  Düsseldorf, Verlagshandlung von I. Buddeus. 1865.<lb/>
346 und 184 S. 8.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1308" next="#ID_1309"> Die vorliegende Schrift ist die erste Frucht vierzehnmonatlicher Studien in<lb/>
den Archiven zu Simancas, die dem Verfasser Material zu einer Geschichte<lb/>
Philipps des Zweiten von Spanien geben sollten, und gleichsam die Einleitung<lb/>
in diese Geschichte. Einen Gegenstand behandelnd, der von Ranke, dem Lehrer<lb/>
und Vorbild Maurenbrechers, bereits dargestellt ist, entwickelt sie im Ganzen<lb/>
dieselbe Ansicht von der Periode, mit der sie sich beschäftigt, wie jener, doch<lb/>
mußten bei dem größeren Reichthum an Material manche einzelne Partien in<lb/>
anderm Lichte erscheinen als bei dem Vorgänger. An Scharfsinn in der Deu¬<lb/>
tung und Entwickelung der Charaktere und Situationen und in der Kunst klarer<lb/>
und anschaulicher Darstellung kommt der Schüler dem Meister ziemlich nahe. Die<lb/>
kriegerischen Ereignisse sowie überhaupt bekannte Dinge sind nur kurz erwähnt,<lb/>
Hauptsache ist dem Verfasser, auszuführen, in welchen Wechselbeziehungen und<lb/>
Wechselwirkungen Karls europäische Politik, sein Streben nach der Universal¬<lb/>
monarchie zu der kirchlichen Bewegung des deutschen Protestantismus gestanden<lb/>
hat, und dies ist ihm in einer Weise gelungen, die sein Buch warm empfehlen<lb/>
läßt. Die eigenthümliche Mischung verschiedener, sich widerstrebender Motiven</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0454] Schwunges, so hoch auch formell Habakuk und Jeremia in rein geistiger Hin¬ sicht stehn. Die dritte Periode, die des neuen Auslebens der Nation gegen den Schluß des Exils hin, wird durch mehre anonyme und ein pseudonymes Stück in den Büchern Jesaia und Jeremia repräsentirt, welche wieder einen frischen, kräftigen Ton anschlagen und meist gegen das tyrannische Babel gerichtet sind. Die vierte Periode endlich, die nachezilische, aus der wir die Schriften Haggais, Sacharjas und Maleachis haben, zeigt das gänzliche Sinken der prophetischen Kraft. Inhalt und Form ist hier gleich dürftig; für das eigentliche Judenthum, welches in dieser Zeit begründet ward, paßte das alte israelitische Propheten- thum mit seinem hohen, freien, undisciplinirten Geiste nicht mehr. Kaiser Karl der Fünfte. Karl der Fünfte und die deutschen Protestanten 1545 bis 1555. Von Wilhelm Maurenbrecher. Nebst einem Anhang von Ackerstücken aus dem spanischen Staats¬ archiv von Simancas. Düsseldorf, Verlagshandlung von I. Buddeus. 1865. 346 und 184 S. 8. Die vorliegende Schrift ist die erste Frucht vierzehnmonatlicher Studien in den Archiven zu Simancas, die dem Verfasser Material zu einer Geschichte Philipps des Zweiten von Spanien geben sollten, und gleichsam die Einleitung in diese Geschichte. Einen Gegenstand behandelnd, der von Ranke, dem Lehrer und Vorbild Maurenbrechers, bereits dargestellt ist, entwickelt sie im Ganzen dieselbe Ansicht von der Periode, mit der sie sich beschäftigt, wie jener, doch mußten bei dem größeren Reichthum an Material manche einzelne Partien in anderm Lichte erscheinen als bei dem Vorgänger. An Scharfsinn in der Deu¬ tung und Entwickelung der Charaktere und Situationen und in der Kunst klarer und anschaulicher Darstellung kommt der Schüler dem Meister ziemlich nahe. Die kriegerischen Ereignisse sowie überhaupt bekannte Dinge sind nur kurz erwähnt, Hauptsache ist dem Verfasser, auszuführen, in welchen Wechselbeziehungen und Wechselwirkungen Karls europäische Politik, sein Streben nach der Universal¬ monarchie zu der kirchlichen Bewegung des deutschen Protestantismus gestanden hat, und dies ist ihm in einer Weise gelungen, die sein Buch warm empfehlen läßt. Die eigenthümliche Mischung verschiedener, sich widerstrebender Motiven

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/454
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/454>, abgerufen am 15.01.2025.