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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Die Bedeutung dn militärischen Lager, besonders sür
Preußen.

Die Zeitungen aus Holstein berichten uns häufig, daß Reiselustige jetzt
ihre Unterhaltung im Lager Von Lockstädt suchen und stets sehr befriedigt
heimkehren, es gebe da allerhand Belustigungen, auch ein Theater und Restau¬
rationen aller Art. Von den Truppenübungen aber hört man nichts, und es
scheint daher, daß die preußischen Truppen dort ein Lustlager bezogen haben,
in der Art wie wir sie aus den zwanziger und dreißiger Jahren in den soge¬
nannten Königsmanövern kennen. Diese sollten nur viele Truppen auf einem
Fleck vereinen, um mit diesen größere Exercitien u. s. w. zu machen; der Auf-
enthalt im Lager war nicht Zweck, sondern nur Auskunftsmittel. Es blieb
daher anheimgestellt, den Aufenthalt so angenehm als möglich zu machen, das
Lager wurde ein Platz, auf dem sich eine Masse Menschen sammelten, die alle,
"v da wohnend oder zum Besuch kommend, die wenigen Tage und Stunden
'sür ihr Vergnügen möglichst ausnutzen wollten. Man fand da längs des ganzen
Lagers Reihen von Restaurationen, schau- und Spielbuden, Menagerien u. s. w..
kurz einen Meßplatz mit allen seinen Freuden und auch Leiden. Die Soldaten
jeden Ranges hielten sich. so lange sie nicht schliefen oder wegen Mangel an
Geld nicht krumm liegen mußten, in ihren dienstfreien Stunden fern von den
Zelten im Getümmel der Genießenden auf. Da diese Lager in ihrer Einrich.
tung für kurze Dauer sowohl dem Staat, als auch besonders ihren Bewohnern
sehr theuer waren, gab Friedrich Wilhelm der Vierte dieselben auf, beschränkte
die Dauer der großen Uebungen und ließ die Truppen während der wenigen
Tage, wo sie in großen Massen vereinigt waren, bivouakiren. Ein Bedürfniß,
diese Lager von ihrem Tode wieder zu erwecken, hat wohl niemand empfunden,
der sie genossen, am wenigsten der. welcher die Ueberzeugung hegt, daß durch
das Lagerleben selbst sehr bedeutende militärische Erziehungsresultate erreichbar
wären. Denn hierzu gehören nicht Lust, sondern Uebungslager; und unter
Uebungslagern versteht man solche, in welchen das ganze Leben des Soldaten
militärisch gefaßt wird. Solche Lager hat Napoleon der Dritte nach dem Bei¬
spiel seines großen Onkels zur Erziehung seiner Armee gegründet; seine be¬
deutendste derartige Schöpfung ist das Lager bei Chalons. das wir deshalb in
seiner Lage, Größe, innern Einrichtung und Benutzung hier näher betrach-
ten wollen.

Das Lager von Chalons liegt in der Mitte des gegen Belgien und Deutsch-


Sttnzbottn III. 186S. S4
Die Bedeutung dn militärischen Lager, besonders sür
Preußen.

Die Zeitungen aus Holstein berichten uns häufig, daß Reiselustige jetzt
ihre Unterhaltung im Lager Von Lockstädt suchen und stets sehr befriedigt
heimkehren, es gebe da allerhand Belustigungen, auch ein Theater und Restau¬
rationen aller Art. Von den Truppenübungen aber hört man nichts, und es
scheint daher, daß die preußischen Truppen dort ein Lustlager bezogen haben,
in der Art wie wir sie aus den zwanziger und dreißiger Jahren in den soge¬
nannten Königsmanövern kennen. Diese sollten nur viele Truppen auf einem
Fleck vereinen, um mit diesen größere Exercitien u. s. w. zu machen; der Auf-
enthalt im Lager war nicht Zweck, sondern nur Auskunftsmittel. Es blieb
daher anheimgestellt, den Aufenthalt so angenehm als möglich zu machen, das
Lager wurde ein Platz, auf dem sich eine Masse Menschen sammelten, die alle,
»v da wohnend oder zum Besuch kommend, die wenigen Tage und Stunden
'sür ihr Vergnügen möglichst ausnutzen wollten. Man fand da längs des ganzen
Lagers Reihen von Restaurationen, schau- und Spielbuden, Menagerien u. s. w..
kurz einen Meßplatz mit allen seinen Freuden und auch Leiden. Die Soldaten
jeden Ranges hielten sich. so lange sie nicht schliefen oder wegen Mangel an
Geld nicht krumm liegen mußten, in ihren dienstfreien Stunden fern von den
Zelten im Getümmel der Genießenden auf. Da diese Lager in ihrer Einrich.
tung für kurze Dauer sowohl dem Staat, als auch besonders ihren Bewohnern
sehr theuer waren, gab Friedrich Wilhelm der Vierte dieselben auf, beschränkte
die Dauer der großen Uebungen und ließ die Truppen während der wenigen
Tage, wo sie in großen Massen vereinigt waren, bivouakiren. Ein Bedürfniß,
diese Lager von ihrem Tode wieder zu erwecken, hat wohl niemand empfunden,
der sie genossen, am wenigsten der. welcher die Ueberzeugung hegt, daß durch
das Lagerleben selbst sehr bedeutende militärische Erziehungsresultate erreichbar
wären. Denn hierzu gehören nicht Lust, sondern Uebungslager; und unter
Uebungslagern versteht man solche, in welchen das ganze Leben des Soldaten
militärisch gefaßt wird. Solche Lager hat Napoleon der Dritte nach dem Bei¬
spiel seines großen Onkels zur Erziehung seiner Armee gegründet; seine be¬
deutendste derartige Schöpfung ist das Lager bei Chalons. das wir deshalb in
seiner Lage, Größe, innern Einrichtung und Benutzung hier näher betrach-
ten wollen.

Das Lager von Chalons liegt in der Mitte des gegen Belgien und Deutsch-


Sttnzbottn III. 186S. S4
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[0409] Die Bedeutung dn militärischen Lager, besonders sür Preußen. Die Zeitungen aus Holstein berichten uns häufig, daß Reiselustige jetzt ihre Unterhaltung im Lager Von Lockstädt suchen und stets sehr befriedigt heimkehren, es gebe da allerhand Belustigungen, auch ein Theater und Restau¬ rationen aller Art. Von den Truppenübungen aber hört man nichts, und es scheint daher, daß die preußischen Truppen dort ein Lustlager bezogen haben, in der Art wie wir sie aus den zwanziger und dreißiger Jahren in den soge¬ nannten Königsmanövern kennen. Diese sollten nur viele Truppen auf einem Fleck vereinen, um mit diesen größere Exercitien u. s. w. zu machen; der Auf- enthalt im Lager war nicht Zweck, sondern nur Auskunftsmittel. Es blieb daher anheimgestellt, den Aufenthalt so angenehm als möglich zu machen, das Lager wurde ein Platz, auf dem sich eine Masse Menschen sammelten, die alle, »v da wohnend oder zum Besuch kommend, die wenigen Tage und Stunden 'sür ihr Vergnügen möglichst ausnutzen wollten. Man fand da längs des ganzen Lagers Reihen von Restaurationen, schau- und Spielbuden, Menagerien u. s. w.. kurz einen Meßplatz mit allen seinen Freuden und auch Leiden. Die Soldaten jeden Ranges hielten sich. so lange sie nicht schliefen oder wegen Mangel an Geld nicht krumm liegen mußten, in ihren dienstfreien Stunden fern von den Zelten im Getümmel der Genießenden auf. Da diese Lager in ihrer Einrich. tung für kurze Dauer sowohl dem Staat, als auch besonders ihren Bewohnern sehr theuer waren, gab Friedrich Wilhelm der Vierte dieselben auf, beschränkte die Dauer der großen Uebungen und ließ die Truppen während der wenigen Tage, wo sie in großen Massen vereinigt waren, bivouakiren. Ein Bedürfniß, diese Lager von ihrem Tode wieder zu erwecken, hat wohl niemand empfunden, der sie genossen, am wenigsten der. welcher die Ueberzeugung hegt, daß durch das Lagerleben selbst sehr bedeutende militärische Erziehungsresultate erreichbar wären. Denn hierzu gehören nicht Lust, sondern Uebungslager; und unter Uebungslagern versteht man solche, in welchen das ganze Leben des Soldaten militärisch gefaßt wird. Solche Lager hat Napoleon der Dritte nach dem Bei¬ spiel seines großen Onkels zur Erziehung seiner Armee gegründet; seine be¬ deutendste derartige Schöpfung ist das Lager bei Chalons. das wir deshalb in seiner Lage, Größe, innern Einrichtung und Benutzung hier näher betrach- ten wollen. Das Lager von Chalons liegt in der Mitte des gegen Belgien und Deutsch- Sttnzbottn III. 186S. S4

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/409>, abgerufen am 15.01.2025.