Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.Das Cabinet der Kupferstiche und Handzeichnungen in Berlin. ^.^"l 2. ' ' Unter dreiviertel Millionen von Blättern (so viel ungefähr besitzt dieses Das Cabinet der Kupferstiche und Handzeichnungen in Berlin. ^.^"l 2. ' ' Unter dreiviertel Millionen von Blättern (so viel ungefähr besitzt dieses <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0234" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283587"/> </div> <div n="1"> <head> Das Cabinet der Kupferstiche und Handzeichnungen in Berlin.<lb/> ^.^"l 2. ' '</head><lb/> <p xml:id="ID_658" next="#ID_659"> Unter dreiviertel Millionen von Blättern (so viel ungefähr besitzt dieses<lb/> Cabinet) von denen ein so großer Theil das Schönste und Beste darstellt, was<lb/> Handzeichnung, Kupferstich und Holzschnitt überhaupt je und irgendwo leisteten,<lb/> fällt es schwer, Einzelnes zur Betrachtung herauszuwählen. Es geht mir<lb/> dabei ähnlich, wie denjenigen Besuchern dieser Säle, die kein bestimmter<lb/> Zweck, ein specielles Werk zu suchen, sondern nur der allgemeine Wunsch, Er¬<lb/> freuliches zu sehen, herführt: die Fülle des Vorhandnen macht die Entscheidung<lb/> über das zu Wählende schwierig. Am besten ist es, in solchem Fall etwas<lb/> dieser Sammlung allein Eignes, besonders Charakteristisches zu verlangen. Auch<lb/> die seltensten und vollkommensten Kupferdrucke sind doch mehr oder weniger<lb/> Gemeingut verschiedener Cabinete. Wirkliche Unica dieses Genres existiren<lb/> wohl nur wenige. Das Eigenste eines jeden Cabinets ist daher nur unter<lb/> den Handzeichnungen zu suchen. Freilich bleibt auch von diesen Zahl und Art<lb/> zu groß und verschieden, als daß die engere Wahl unter ihnen nicht auch wie¬<lb/> der ähnliche Schwierigkeiten mit sich brächte, wie die weitere unter dem gan¬<lb/> zen Bestände der Sammlung. Ohne langes Besinnen aber fordere ich das mir<lb/> unter allem, was diese Schränke enthalten, fast am meisten Liebe und Theuere,<lb/> die Handzeichnungen von Hans Holbein. Und zwar jene drei Bände mit den<lb/> 70 Porträts aus einem Studienbuch von ihm. Es sind Köpfe von Geistlichen<lb/> aus dem Kloster Sanct Ulrich zu Augsburg und von einer Menge vornehmer<lb/> Patricier und Beamten derselben Reichsstadt, während seines dortigen Aufent¬<lb/> halts in den ersten Jahren des sechszehnten Jahrhunderts gezeichnet. Die<lb/> Blätter sind fast sämmtlich Pergament, das Zeichenmaterial Silberstift, hier und<lb/> da mit einem leisen Tuschton, auch wohl mit zarter Andeutung localer Farben<lb/> einzelner Gesichtstheile, mit weiß aufgesetzten höchsten Lichtern nachgeholfen, bei<lb/> einigen einzelne Contouren noch mit der Feder nachgezogen, wobei es indeß<lb/> zuweilen zweifelhaft bleibt, ob es nicht von der Hand eines Späteren nachträg¬<lb/> lich geschah. Die Namen der Gezeichneten sind von Holbeins eigner Hand auf<lb/> jedem Blatt neben oder über jedes Bildniß geschrieben; die Rückseiten der<lb/> Blätter hier und da noch mit „Einfällen", Arabesken oder Gestalten voll ge¬<lb/> zeichnet; alles zeigt, daß es die Seiten eines künstlerischen Notiz- und Skizzcn-<lb/> buchs waren, und Holbein diese Köpfe zur Erinnerung, zum Gebrauch für sich<lb/> hineinschrieb, während er in gutem Gespräch mit den Originalen beisammen¬<lb/> saß. Aber in dieser größten Unbefangenheit und Bescheidenheit — welche</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0234]
Das Cabinet der Kupferstiche und Handzeichnungen in Berlin.
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Unter dreiviertel Millionen von Blättern (so viel ungefähr besitzt dieses
Cabinet) von denen ein so großer Theil das Schönste und Beste darstellt, was
Handzeichnung, Kupferstich und Holzschnitt überhaupt je und irgendwo leisteten,
fällt es schwer, Einzelnes zur Betrachtung herauszuwählen. Es geht mir
dabei ähnlich, wie denjenigen Besuchern dieser Säle, die kein bestimmter
Zweck, ein specielles Werk zu suchen, sondern nur der allgemeine Wunsch, Er¬
freuliches zu sehen, herführt: die Fülle des Vorhandnen macht die Entscheidung
über das zu Wählende schwierig. Am besten ist es, in solchem Fall etwas
dieser Sammlung allein Eignes, besonders Charakteristisches zu verlangen. Auch
die seltensten und vollkommensten Kupferdrucke sind doch mehr oder weniger
Gemeingut verschiedener Cabinete. Wirkliche Unica dieses Genres existiren
wohl nur wenige. Das Eigenste eines jeden Cabinets ist daher nur unter
den Handzeichnungen zu suchen. Freilich bleibt auch von diesen Zahl und Art
zu groß und verschieden, als daß die engere Wahl unter ihnen nicht auch wie¬
der ähnliche Schwierigkeiten mit sich brächte, wie die weitere unter dem gan¬
zen Bestände der Sammlung. Ohne langes Besinnen aber fordere ich das mir
unter allem, was diese Schränke enthalten, fast am meisten Liebe und Theuere,
die Handzeichnungen von Hans Holbein. Und zwar jene drei Bände mit den
70 Porträts aus einem Studienbuch von ihm. Es sind Köpfe von Geistlichen
aus dem Kloster Sanct Ulrich zu Augsburg und von einer Menge vornehmer
Patricier und Beamten derselben Reichsstadt, während seines dortigen Aufent¬
halts in den ersten Jahren des sechszehnten Jahrhunderts gezeichnet. Die
Blätter sind fast sämmtlich Pergament, das Zeichenmaterial Silberstift, hier und
da mit einem leisen Tuschton, auch wohl mit zarter Andeutung localer Farben
einzelner Gesichtstheile, mit weiß aufgesetzten höchsten Lichtern nachgeholfen, bei
einigen einzelne Contouren noch mit der Feder nachgezogen, wobei es indeß
zuweilen zweifelhaft bleibt, ob es nicht von der Hand eines Späteren nachträg¬
lich geschah. Die Namen der Gezeichneten sind von Holbeins eigner Hand auf
jedem Blatt neben oder über jedes Bildniß geschrieben; die Rückseiten der
Blätter hier und da noch mit „Einfällen", Arabesken oder Gestalten voll ge¬
zeichnet; alles zeigt, daß es die Seiten eines künstlerischen Notiz- und Skizzcn-
buchs waren, und Holbein diese Köpfe zur Erinnerung, zum Gebrauch für sich
hineinschrieb, während er in gutem Gespräch mit den Originalen beisammen¬
saß. Aber in dieser größten Unbefangenheit und Bescheidenheit — welche
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