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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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Ans Brandenburgs großer Zeit.
2. Die Tage von Fehrbellin.

Die fehrbelliner Schlacht ist oft beschrieben worden. Sie bildet so sehr
den Mittelpunkt der Volkserinnerung an den großen Kurfürsten, daß die poe¬
tische Freigebigkeit manchen Zug auf sie übertragen hat, den die strenge Ge¬
schichte nicht wiedererkennt. Wenn man daher den Hergang wiedererzählt und
sich an Buchs Aufzeichnungen hält, ist Gefahr. Enttäuschung zu bringen.
Aber wir wollen es auf die mögliche Einbuße nicht ankommen lassen. Was
unsterblich und groß an jenem Ereignisse ist, das wird uns nicht gekränkt, noch
verkümmert. Wem das so scheinen sollte, der mag sieh erinnern, daß ja unser
Berichterstatter in einzelnen Punkten irren kann, und vor allem, daß von einem
Theilnehmerund nicht blos Augenzeugen, wie er ist. jedenfalls nur ein in gewissem
Grade einseitiges Bild erwartet werden darf. Daß er freilich das Wichtigste
vergessen oder vernachlässigt haben sollte, ist bei ihm nicht wahrscheinlich. Wie
dem aber auch sei. immerhin bleibt das unmittelbare Bild von großem Werth
für die exacte Kunde.

In dem kräftigen Heldenwort, mit dem der große Kurfürst die Unter¬
nehmung seines glorreichsten Jahres inaugurirte. scheint etwas hindurch zu
klingen von dem Verdrusse. der ihm von der elsaßer Campagne her geblieben
war. Zu keiner Zeit konnte ihm wahrlich die Meldung vom Einbrüche der
Schweden in seine Mark gelegener kommen, als jetzt, wo er eine frische Reitcr-
that mit verhängten Zügeln brauchte, um den Wurm aus Gemüth und Herzen
wieder los zu werden, den er am Rhein geholt, wo ihm die nutzlose Mühe
ums Reich auch einen trefflichen Sohn gekostet hatte.

Schon in der Zeit als er dort mit gebundenen Händen den schlimmsten
Hindernissen mühsam trotzte, hatten die Schweden, aufgestachelt von Frankreich,
wie alle Welt weiß und wußte, den Bubenstreich gegen seine Erdtaube vor¬
bereitet. In Pommern, das ihnen bekanntlich als einziger Lohn für die große
Mühe des dreißigjährigen Krieges geblieben war. wurden Regimenter nach der
brandenburgischen Grenze hin zusammengezogen. Der Hafen von Wismar. der
ihnen ebenfalls gehörte, erfüllte seine Absicht, die Etappe nach Deutschland zu
bilden; Stettin gab ein bequemes Magazin zu diesem Zwecke ab und Pasewalk
war der Mittelpunkt der kriegerischen Vorbereitungen, die Karl Gustav Wrangel
zu leiten hatte.

Nicht gleich auf die ersten beunruhigenden Nachrichten, die der Statthalter
darüber an ihn gelangen ließ. kehrte Friedrich Wilhelm zurück. Aehnlich seinem
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Ans Brandenburgs großer Zeit.
2. Die Tage von Fehrbellin.

Die fehrbelliner Schlacht ist oft beschrieben worden. Sie bildet so sehr
den Mittelpunkt der Volkserinnerung an den großen Kurfürsten, daß die poe¬
tische Freigebigkeit manchen Zug auf sie übertragen hat, den die strenge Ge¬
schichte nicht wiedererkennt. Wenn man daher den Hergang wiedererzählt und
sich an Buchs Aufzeichnungen hält, ist Gefahr. Enttäuschung zu bringen.
Aber wir wollen es auf die mögliche Einbuße nicht ankommen lassen. Was
unsterblich und groß an jenem Ereignisse ist, das wird uns nicht gekränkt, noch
verkümmert. Wem das so scheinen sollte, der mag sieh erinnern, daß ja unser
Berichterstatter in einzelnen Punkten irren kann, und vor allem, daß von einem
Theilnehmerund nicht blos Augenzeugen, wie er ist. jedenfalls nur ein in gewissem
Grade einseitiges Bild erwartet werden darf. Daß er freilich das Wichtigste
vergessen oder vernachlässigt haben sollte, ist bei ihm nicht wahrscheinlich. Wie
dem aber auch sei. immerhin bleibt das unmittelbare Bild von großem Werth
für die exacte Kunde.

In dem kräftigen Heldenwort, mit dem der große Kurfürst die Unter¬
nehmung seines glorreichsten Jahres inaugurirte. scheint etwas hindurch zu
klingen von dem Verdrusse. der ihm von der elsaßer Campagne her geblieben
war. Zu keiner Zeit konnte ihm wahrlich die Meldung vom Einbrüche der
Schweden in seine Mark gelegener kommen, als jetzt, wo er eine frische Reitcr-
that mit verhängten Zügeln brauchte, um den Wurm aus Gemüth und Herzen
wieder los zu werden, den er am Rhein geholt, wo ihm die nutzlose Mühe
ums Reich auch einen trefflichen Sohn gekostet hatte.

Schon in der Zeit als er dort mit gebundenen Händen den schlimmsten
Hindernissen mühsam trotzte, hatten die Schweden, aufgestachelt von Frankreich,
wie alle Welt weiß und wußte, den Bubenstreich gegen seine Erdtaube vor¬
bereitet. In Pommern, das ihnen bekanntlich als einziger Lohn für die große
Mühe des dreißigjährigen Krieges geblieben war. wurden Regimenter nach der
brandenburgischen Grenze hin zusammengezogen. Der Hafen von Wismar. der
ihnen ebenfalls gehörte, erfüllte seine Absicht, die Etappe nach Deutschland zu
bilden; Stettin gab ein bequemes Magazin zu diesem Zwecke ab und Pasewalk
war der Mittelpunkt der kriegerischen Vorbereitungen, die Karl Gustav Wrangel
zu leiten hatte.

Nicht gleich auf die ersten beunruhigenden Nachrichten, die der Statthalter
darüber an ihn gelangen ließ. kehrte Friedrich Wilhelm zurück. Aehnlich seinem
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[0423] Ans Brandenburgs großer Zeit. 2. Die Tage von Fehrbellin. Die fehrbelliner Schlacht ist oft beschrieben worden. Sie bildet so sehr den Mittelpunkt der Volkserinnerung an den großen Kurfürsten, daß die poe¬ tische Freigebigkeit manchen Zug auf sie übertragen hat, den die strenge Ge¬ schichte nicht wiedererkennt. Wenn man daher den Hergang wiedererzählt und sich an Buchs Aufzeichnungen hält, ist Gefahr. Enttäuschung zu bringen. Aber wir wollen es auf die mögliche Einbuße nicht ankommen lassen. Was unsterblich und groß an jenem Ereignisse ist, das wird uns nicht gekränkt, noch verkümmert. Wem das so scheinen sollte, der mag sieh erinnern, daß ja unser Berichterstatter in einzelnen Punkten irren kann, und vor allem, daß von einem Theilnehmerund nicht blos Augenzeugen, wie er ist. jedenfalls nur ein in gewissem Grade einseitiges Bild erwartet werden darf. Daß er freilich das Wichtigste vergessen oder vernachlässigt haben sollte, ist bei ihm nicht wahrscheinlich. Wie dem aber auch sei. immerhin bleibt das unmittelbare Bild von großem Werth für die exacte Kunde. In dem kräftigen Heldenwort, mit dem der große Kurfürst die Unter¬ nehmung seines glorreichsten Jahres inaugurirte. scheint etwas hindurch zu klingen von dem Verdrusse. der ihm von der elsaßer Campagne her geblieben war. Zu keiner Zeit konnte ihm wahrlich die Meldung vom Einbrüche der Schweden in seine Mark gelegener kommen, als jetzt, wo er eine frische Reitcr- that mit verhängten Zügeln brauchte, um den Wurm aus Gemüth und Herzen wieder los zu werden, den er am Rhein geholt, wo ihm die nutzlose Mühe ums Reich auch einen trefflichen Sohn gekostet hatte. Schon in der Zeit als er dort mit gebundenen Händen den schlimmsten Hindernissen mühsam trotzte, hatten die Schweden, aufgestachelt von Frankreich, wie alle Welt weiß und wußte, den Bubenstreich gegen seine Erdtaube vor¬ bereitet. In Pommern, das ihnen bekanntlich als einziger Lohn für die große Mühe des dreißigjährigen Krieges geblieben war. wurden Regimenter nach der brandenburgischen Grenze hin zusammengezogen. Der Hafen von Wismar. der ihnen ebenfalls gehörte, erfüllte seine Absicht, die Etappe nach Deutschland zu bilden; Stettin gab ein bequemes Magazin zu diesem Zwecke ab und Pasewalk war der Mittelpunkt der kriegerischen Vorbereitungen, die Karl Gustav Wrangel zu leiten hatte. Nicht gleich auf die ersten beunruhigenden Nachrichten, die der Statthalter darüber an ihn gelangen ließ. kehrte Friedrich Wilhelm zurück. Aehnlich seinem * S3

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/423>, abgerufen am 29.06.2024.