Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Als Sie mich aufforderten. Ihnen noch einmal aus dem Lande der Sar-
maten zu berichten, lagen die Arbeiten der Ernte und der neuen Aussaat vor
mir, so daß ich schlechterdings nicht in der Lage war, Ihrem Wunsche nach¬
zukommen. Auch heute ist es nur sehr fraglich, ob ich ein detailirtes Bild der
Dinge, die hier vorgehn, werde entwerfen können. Aber ich will wenigstens
einen Rückblick geben. Haben doch die Grenzboten durch Herrn von Niego-
lewski dringend Veranlassung erhalten, ein Wort in eigner Sache zu reden.
Daß die grünen Blätter von dem Winde bewegt werden, welcher von dem
Posen er Polizeipräsidium ausgeht, ist zwar eine allzukühne Porstellung, als daß
sie auch nur bei Einem Ihrer Leser Glauben finden könnte; indeß gestatten
Sie mir doch, ausdrücklich zu bemerken, daß Ihr Korrespondent -- und
ich glaube, Sie werden dies auch von den früheren Berichterstattern sagen
können -- weder Herrn von Bärensprung noch Herrn Post je gesehn hat.
Von ersteren, der seit einer langen Reihe von Jahren unter der Leitung von
drei verschiedenen Oberpräsidenten und vier Regierungspräsidenten als Chef
der posener Polizei sungnt, steht so viel fest, daß er eines ungewöhnlichen
Muthes und hartnäckigster Ausdauer bedarf, um die große Verantwortung zu
tragen, die sein Amt ihm auferlegt. Denn es ist keine Kleinigkeit, den un¬
ausgesetzten schonungsloser offenen und verdeckten Angriffen seiner leidenschaft¬
lichen Gegner Stand zu halten, ihre Bewegungen zu beobachten und zu ver¬
eiteln, damit eine Landschaft, in welcher ein so reiches Capital deutscher Arbeit
liegt, nicht durch muthwillige und zwecklose Agitation zerrüttet werde. Daß
man bei solcher Lage einem übergroßen Eifer etwas zu Gute halte, wird keine
übertriebene Forderung genannt werden. Ueber die Mittel, die er gebraucht
hat und gebraucht haben soll, kann ich natürlich in meinem Haulande nicht
richten. Nach meiner Meinung giebt es nur Eine Moral, welche für die Polizei
dieselbe ist wie für den Richter oder den Pfarrherr. Der Proceß wird Von
neuem die alte Wahrheit predigen, daß der beste Standpunkt gegen seine Feinde
der strenge Rechtsboden >se. Was die zum Theil abscheulichen Anklagen der
Gegner des Herrn von Bärensprung betrifft, so ist eben im Proceß wenigstens
eine der widrigsten durch das einstimmige Gutachten der Schreibverständigcn
in ihr Nichts ausgelöst, und hinsichtlich anderer möchte man die Herren Polen¬
vertheidiger nicht darum zu beneiden haben, daß rücksichtslose persönliche An¬
griffe die Hauptmiitcl für ihre Clienten sind.


Grenzboten IV. 18V4. 5

Als Sie mich aufforderten. Ihnen noch einmal aus dem Lande der Sar-
maten zu berichten, lagen die Arbeiten der Ernte und der neuen Aussaat vor
mir, so daß ich schlechterdings nicht in der Lage war, Ihrem Wunsche nach¬
zukommen. Auch heute ist es nur sehr fraglich, ob ich ein detailirtes Bild der
Dinge, die hier vorgehn, werde entwerfen können. Aber ich will wenigstens
einen Rückblick geben. Haben doch die Grenzboten durch Herrn von Niego-
lewski dringend Veranlassung erhalten, ein Wort in eigner Sache zu reden.
Daß die grünen Blätter von dem Winde bewegt werden, welcher von dem
Posen er Polizeipräsidium ausgeht, ist zwar eine allzukühne Porstellung, als daß
sie auch nur bei Einem Ihrer Leser Glauben finden könnte; indeß gestatten
Sie mir doch, ausdrücklich zu bemerken, daß Ihr Korrespondent — und
ich glaube, Sie werden dies auch von den früheren Berichterstattern sagen
können — weder Herrn von Bärensprung noch Herrn Post je gesehn hat.
Von ersteren, der seit einer langen Reihe von Jahren unter der Leitung von
drei verschiedenen Oberpräsidenten und vier Regierungspräsidenten als Chef
der posener Polizei sungnt, steht so viel fest, daß er eines ungewöhnlichen
Muthes und hartnäckigster Ausdauer bedarf, um die große Verantwortung zu
tragen, die sein Amt ihm auferlegt. Denn es ist keine Kleinigkeit, den un¬
ausgesetzten schonungsloser offenen und verdeckten Angriffen seiner leidenschaft¬
lichen Gegner Stand zu halten, ihre Bewegungen zu beobachten und zu ver¬
eiteln, damit eine Landschaft, in welcher ein so reiches Capital deutscher Arbeit
liegt, nicht durch muthwillige und zwecklose Agitation zerrüttet werde. Daß
man bei solcher Lage einem übergroßen Eifer etwas zu Gute halte, wird keine
übertriebene Forderung genannt werden. Ueber die Mittel, die er gebraucht
hat und gebraucht haben soll, kann ich natürlich in meinem Haulande nicht
richten. Nach meiner Meinung giebt es nur Eine Moral, welche für die Polizei
dieselbe ist wie für den Richter oder den Pfarrherr. Der Proceß wird Von
neuem die alte Wahrheit predigen, daß der beste Standpunkt gegen seine Feinde
der strenge Rechtsboden >se. Was die zum Theil abscheulichen Anklagen der
Gegner des Herrn von Bärensprung betrifft, so ist eben im Proceß wenigstens
eine der widrigsten durch das einstimmige Gutachten der Schreibverständigcn
in ihr Nichts ausgelöst, und hinsichtlich anderer möchte man die Herren Polen¬
vertheidiger nicht darum zu beneiden haben, daß rücksichtslose persönliche An¬
griffe die Hauptmiitcl für ihre Clienten sind.


Grenzboten IV. 18V4. 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0037" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189661"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> </head><lb/>
          <p xml:id="ID_129"> Als Sie mich aufforderten. Ihnen noch einmal aus dem Lande der Sar-<lb/>
maten zu berichten, lagen die Arbeiten der Ernte und der neuen Aussaat vor<lb/>
mir, so daß ich schlechterdings nicht in der Lage war, Ihrem Wunsche nach¬<lb/>
zukommen. Auch heute ist es nur sehr fraglich, ob ich ein detailirtes Bild der<lb/>
Dinge, die hier vorgehn, werde entwerfen können. Aber ich will wenigstens<lb/>
einen Rückblick geben. Haben doch die Grenzboten durch Herrn von Niego-<lb/>
lewski dringend Veranlassung erhalten, ein Wort in eigner Sache zu reden.<lb/>
Daß die grünen Blätter von dem Winde bewegt werden, welcher von dem<lb/>
Posen er Polizeipräsidium ausgeht, ist zwar eine allzukühne Porstellung, als daß<lb/>
sie auch nur bei Einem Ihrer Leser Glauben finden könnte; indeß gestatten<lb/>
Sie mir doch, ausdrücklich zu bemerken, daß Ihr Korrespondent &#x2014; und<lb/>
ich glaube, Sie werden dies auch von den früheren Berichterstattern sagen<lb/>
können &#x2014; weder Herrn von Bärensprung noch Herrn Post je gesehn hat.<lb/>
Von ersteren, der seit einer langen Reihe von Jahren unter der Leitung von<lb/>
drei verschiedenen Oberpräsidenten und vier Regierungspräsidenten als Chef<lb/>
der posener Polizei sungnt, steht so viel fest, daß er eines ungewöhnlichen<lb/>
Muthes und hartnäckigster Ausdauer bedarf, um die große Verantwortung zu<lb/>
tragen, die sein Amt ihm auferlegt. Denn es ist keine Kleinigkeit, den un¬<lb/>
ausgesetzten schonungsloser offenen und verdeckten Angriffen seiner leidenschaft¬<lb/>
lichen Gegner Stand zu halten, ihre Bewegungen zu beobachten und zu ver¬<lb/>
eiteln, damit eine Landschaft, in welcher ein so reiches Capital deutscher Arbeit<lb/>
liegt, nicht durch muthwillige und zwecklose Agitation zerrüttet werde. Daß<lb/>
man bei solcher Lage einem übergroßen Eifer etwas zu Gute halte, wird keine<lb/>
übertriebene Forderung genannt werden. Ueber die Mittel, die er gebraucht<lb/>
hat und gebraucht haben soll, kann ich natürlich in meinem Haulande nicht<lb/>
richten. Nach meiner Meinung giebt es nur Eine Moral, welche für die Polizei<lb/>
dieselbe ist wie für den Richter oder den Pfarrherr. Der Proceß wird Von<lb/>
neuem die alte Wahrheit predigen, daß der beste Standpunkt gegen seine Feinde<lb/>
der strenge Rechtsboden &gt;se. Was die zum Theil abscheulichen Anklagen der<lb/>
Gegner des Herrn von Bärensprung betrifft, so ist eben im Proceß wenigstens<lb/>
eine der widrigsten durch das einstimmige Gutachten der Schreibverständigcn<lb/>
in ihr Nichts ausgelöst, und hinsichtlich anderer möchte man die Herren Polen¬<lb/>
vertheidiger nicht darum zu beneiden haben, daß rücksichtslose persönliche An¬<lb/>
griffe die Hauptmiitcl für ihre Clienten sind.</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 18V4. 5</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0037] Als Sie mich aufforderten. Ihnen noch einmal aus dem Lande der Sar- maten zu berichten, lagen die Arbeiten der Ernte und der neuen Aussaat vor mir, so daß ich schlechterdings nicht in der Lage war, Ihrem Wunsche nach¬ zukommen. Auch heute ist es nur sehr fraglich, ob ich ein detailirtes Bild der Dinge, die hier vorgehn, werde entwerfen können. Aber ich will wenigstens einen Rückblick geben. Haben doch die Grenzboten durch Herrn von Niego- lewski dringend Veranlassung erhalten, ein Wort in eigner Sache zu reden. Daß die grünen Blätter von dem Winde bewegt werden, welcher von dem Posen er Polizeipräsidium ausgeht, ist zwar eine allzukühne Porstellung, als daß sie auch nur bei Einem Ihrer Leser Glauben finden könnte; indeß gestatten Sie mir doch, ausdrücklich zu bemerken, daß Ihr Korrespondent — und ich glaube, Sie werden dies auch von den früheren Berichterstattern sagen können — weder Herrn von Bärensprung noch Herrn Post je gesehn hat. Von ersteren, der seit einer langen Reihe von Jahren unter der Leitung von drei verschiedenen Oberpräsidenten und vier Regierungspräsidenten als Chef der posener Polizei sungnt, steht so viel fest, daß er eines ungewöhnlichen Muthes und hartnäckigster Ausdauer bedarf, um die große Verantwortung zu tragen, die sein Amt ihm auferlegt. Denn es ist keine Kleinigkeit, den un¬ ausgesetzten schonungsloser offenen und verdeckten Angriffen seiner leidenschaft¬ lichen Gegner Stand zu halten, ihre Bewegungen zu beobachten und zu ver¬ eiteln, damit eine Landschaft, in welcher ein so reiches Capital deutscher Arbeit liegt, nicht durch muthwillige und zwecklose Agitation zerrüttet werde. Daß man bei solcher Lage einem übergroßen Eifer etwas zu Gute halte, wird keine übertriebene Forderung genannt werden. Ueber die Mittel, die er gebraucht hat und gebraucht haben soll, kann ich natürlich in meinem Haulande nicht richten. Nach meiner Meinung giebt es nur Eine Moral, welche für die Polizei dieselbe ist wie für den Richter oder den Pfarrherr. Der Proceß wird Von neuem die alte Wahrheit predigen, daß der beste Standpunkt gegen seine Feinde der strenge Rechtsboden >se. Was die zum Theil abscheulichen Anklagen der Gegner des Herrn von Bärensprung betrifft, so ist eben im Proceß wenigstens eine der widrigsten durch das einstimmige Gutachten der Schreibverständigcn in ihr Nichts ausgelöst, und hinsichtlich anderer möchte man die Herren Polen¬ vertheidiger nicht darum zu beneiden haben, daß rücksichtslose persönliche An¬ griffe die Hauptmiitcl für ihre Clienten sind. Grenzboten IV. 18V4. 5

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/37
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/37>, abgerufen am 29.06.2024.