Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

einen Brief überbringt; Werners alter Jägermeister, der das Schloß seiner Flinte
prüft, und sein Dr. Elieser Bloch der Jchthyologe, der in seiner mit getrock¬
neten Fischen, Skeletten und Spiritusgläsern angefüllten Studirstube einem
kleinen Bauermädchen neu hereingebrachte Fische abhandelt, bestätigen das über
beide Künstler Gesagte. Und noch nenne ich Wille in Weimar unter den
Schilderern vergangener Zeiten und Sitten. Er versteht sich meisterlich auf
die Behandlung der abenteuerlichen, phantastisch pitoresken Hausarchitekturen
des Mittelalters, die er mit entsprechender Staffage unterhaltend und wirksam
zu beleben weiß. Sein "hoher Besuch im Kloster" und sein spätmittelalterliches
"Wirthshausleben", die betreffenden Lebensarten und Localitäten mit etwas
schwunghafter und humoristischer Uebertreibung, aber bester Laune und behag¬
licher künstlerischer Freiheit schildernd, sind bezeichnend für ihn. Den Genann¬
ten reihe ich den bereits als Autor jener Se. Barbara erwähnten v. Heyden an,
mit seiner mittelalterlichen Novelle, geistreich und hübsch als "Verlorne Liebes¬
müh" bezeichnet, die im Antichambre einer liebeserfahrenen Schonen spielt. Die
Scene ist gut erfunden und hübsch erzählt. In der Anordnung begegnet man
wunderlichen Dingen, so daß es nicht ganz leicht ist, sich die einzelnen Gestalten
sofort herauszufordern; aber zugleich ist so viel echt malerischer Sinn, ein so
tüchtiges Talent und so energisches Bemühen, das Beste zu erreichen, darin, daß
uns das Bild trotz alledem und alledem wie die Bürgschaft noch einer be¬
deutenderen künstlerischen Zukunft erscheinen will.




Der Mtiomlverein.

( Aus

In der Rede, mit welcher Herr v. Bennigsen die diesjährige Generalver¬
sammlung des Nationalvereins eröffnete, wies er darauf hin. wie der Reform¬
verein, da er wegen der zerfahrenen politischen Verhältnisse seine statuten¬
mäßige Versammlung ausgesetzt, sich selbst zu den Todten geworfen habe.

Den Satz unterschreiben wir. Wie aber, wenn gegnerischerseits nun
die Frage gestellt wird: Wozu soll der Neformvcrein sich versammeln, wenn
der Nationalverein beschließt, was jener sonst beschlossen hätte? --

Mit dem bloßen Zusammenkommen ists nicht gethan, man muß auch


40*

einen Brief überbringt; Werners alter Jägermeister, der das Schloß seiner Flinte
prüft, und sein Dr. Elieser Bloch der Jchthyologe, der in seiner mit getrock¬
neten Fischen, Skeletten und Spiritusgläsern angefüllten Studirstube einem
kleinen Bauermädchen neu hereingebrachte Fische abhandelt, bestätigen das über
beide Künstler Gesagte. Und noch nenne ich Wille in Weimar unter den
Schilderern vergangener Zeiten und Sitten. Er versteht sich meisterlich auf
die Behandlung der abenteuerlichen, phantastisch pitoresken Hausarchitekturen
des Mittelalters, die er mit entsprechender Staffage unterhaltend und wirksam
zu beleben weiß. Sein „hoher Besuch im Kloster" und sein spätmittelalterliches
„Wirthshausleben", die betreffenden Lebensarten und Localitäten mit etwas
schwunghafter und humoristischer Uebertreibung, aber bester Laune und behag¬
licher künstlerischer Freiheit schildernd, sind bezeichnend für ihn. Den Genann¬
ten reihe ich den bereits als Autor jener Se. Barbara erwähnten v. Heyden an,
mit seiner mittelalterlichen Novelle, geistreich und hübsch als „Verlorne Liebes¬
müh" bezeichnet, die im Antichambre einer liebeserfahrenen Schonen spielt. Die
Scene ist gut erfunden und hübsch erzählt. In der Anordnung begegnet man
wunderlichen Dingen, so daß es nicht ganz leicht ist, sich die einzelnen Gestalten
sofort herauszufordern; aber zugleich ist so viel echt malerischer Sinn, ein so
tüchtiges Talent und so energisches Bemühen, das Beste zu erreichen, darin, daß
uns das Bild trotz alledem und alledem wie die Bürgschaft noch einer be¬
deutenderen künstlerischen Zukunft erscheinen will.




Der Mtiomlverein.

( Aus

In der Rede, mit welcher Herr v. Bennigsen die diesjährige Generalver¬
sammlung des Nationalvereins eröffnete, wies er darauf hin. wie der Reform¬
verein, da er wegen der zerfahrenen politischen Verhältnisse seine statuten¬
mäßige Versammlung ausgesetzt, sich selbst zu den Todten geworfen habe.

Den Satz unterschreiben wir. Wie aber, wenn gegnerischerseits nun
die Frage gestellt wird: Wozu soll der Neformvcrein sich versammeln, wenn
der Nationalverein beschließt, was jener sonst beschlossen hätte? —

Mit dem bloßen Zusammenkommen ists nicht gethan, man muß auch


40*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0319" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189943"/>
          <p xml:id="ID_1095" prev="#ID_1094"> einen Brief überbringt; Werners alter Jägermeister, der das Schloß seiner Flinte<lb/>
prüft, und sein Dr. Elieser Bloch der Jchthyologe, der in seiner mit getrock¬<lb/>
neten Fischen, Skeletten und Spiritusgläsern angefüllten Studirstube einem<lb/>
kleinen Bauermädchen neu hereingebrachte Fische abhandelt, bestätigen das über<lb/>
beide Künstler Gesagte. Und noch nenne ich Wille in Weimar unter den<lb/>
Schilderern vergangener Zeiten und Sitten. Er versteht sich meisterlich auf<lb/>
die Behandlung der abenteuerlichen, phantastisch pitoresken Hausarchitekturen<lb/>
des Mittelalters, die er mit entsprechender Staffage unterhaltend und wirksam<lb/>
zu beleben weiß. Sein &#x201E;hoher Besuch im Kloster" und sein spätmittelalterliches<lb/>
&#x201E;Wirthshausleben", die betreffenden Lebensarten und Localitäten mit etwas<lb/>
schwunghafter und humoristischer Uebertreibung, aber bester Laune und behag¬<lb/>
licher künstlerischer Freiheit schildernd, sind bezeichnend für ihn. Den Genann¬<lb/>
ten reihe ich den bereits als Autor jener Se. Barbara erwähnten v. Heyden an,<lb/>
mit seiner mittelalterlichen Novelle, geistreich und hübsch als &#x201E;Verlorne Liebes¬<lb/>
müh" bezeichnet, die im Antichambre einer liebeserfahrenen Schonen spielt. Die<lb/>
Scene ist gut erfunden und hübsch erzählt. In der Anordnung begegnet man<lb/>
wunderlichen Dingen, so daß es nicht ganz leicht ist, sich die einzelnen Gestalten<lb/>
sofort herauszufordern; aber zugleich ist so viel echt malerischer Sinn, ein so<lb/>
tüchtiges Talent und so energisches Bemühen, das Beste zu erreichen, darin, daß<lb/>
uns das Bild trotz alledem und alledem wie die Bürgschaft noch einer be¬<lb/>
deutenderen künstlerischen Zukunft erscheinen will.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Der Mtiomlverein.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1096"> ( Aus </p><lb/>
          <p xml:id="ID_1097"> In der Rede, mit welcher Herr v. Bennigsen die diesjährige Generalver¬<lb/>
sammlung des Nationalvereins eröffnete, wies er darauf hin. wie der Reform¬<lb/>
verein, da er wegen der zerfahrenen politischen Verhältnisse seine statuten¬<lb/>
mäßige Versammlung ausgesetzt, sich selbst zu den Todten geworfen habe.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1098"> Den Satz unterschreiben wir. Wie aber, wenn gegnerischerseits nun<lb/>
die Frage gestellt wird: Wozu soll der Neformvcrein sich versammeln, wenn<lb/>
der Nationalverein beschließt, was jener sonst beschlossen hätte? &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1099" next="#ID_1100"> Mit dem bloßen Zusammenkommen ists nicht gethan, man muß auch</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 40*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0319] einen Brief überbringt; Werners alter Jägermeister, der das Schloß seiner Flinte prüft, und sein Dr. Elieser Bloch der Jchthyologe, der in seiner mit getrock¬ neten Fischen, Skeletten und Spiritusgläsern angefüllten Studirstube einem kleinen Bauermädchen neu hereingebrachte Fische abhandelt, bestätigen das über beide Künstler Gesagte. Und noch nenne ich Wille in Weimar unter den Schilderern vergangener Zeiten und Sitten. Er versteht sich meisterlich auf die Behandlung der abenteuerlichen, phantastisch pitoresken Hausarchitekturen des Mittelalters, die er mit entsprechender Staffage unterhaltend und wirksam zu beleben weiß. Sein „hoher Besuch im Kloster" und sein spätmittelalterliches „Wirthshausleben", die betreffenden Lebensarten und Localitäten mit etwas schwunghafter und humoristischer Uebertreibung, aber bester Laune und behag¬ licher künstlerischer Freiheit schildernd, sind bezeichnend für ihn. Den Genann¬ ten reihe ich den bereits als Autor jener Se. Barbara erwähnten v. Heyden an, mit seiner mittelalterlichen Novelle, geistreich und hübsch als „Verlorne Liebes¬ müh" bezeichnet, die im Antichambre einer liebeserfahrenen Schonen spielt. Die Scene ist gut erfunden und hübsch erzählt. In der Anordnung begegnet man wunderlichen Dingen, so daß es nicht ganz leicht ist, sich die einzelnen Gestalten sofort herauszufordern; aber zugleich ist so viel echt malerischer Sinn, ein so tüchtiges Talent und so energisches Bemühen, das Beste zu erreichen, darin, daß uns das Bild trotz alledem und alledem wie die Bürgschaft noch einer be¬ deutenderen künstlerischen Zukunft erscheinen will. Der Mtiomlverein. ( Aus In der Rede, mit welcher Herr v. Bennigsen die diesjährige Generalver¬ sammlung des Nationalvereins eröffnete, wies er darauf hin. wie der Reform¬ verein, da er wegen der zerfahrenen politischen Verhältnisse seine statuten¬ mäßige Versammlung ausgesetzt, sich selbst zu den Todten geworfen habe. Den Satz unterschreiben wir. Wie aber, wenn gegnerischerseits nun die Frage gestellt wird: Wozu soll der Neformvcrein sich versammeln, wenn der Nationalverein beschließt, was jener sonst beschlossen hätte? — Mit dem bloßen Zusammenkommen ists nicht gethan, man muß auch 40*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/319
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/319>, abgerufen am 29.06.2024.