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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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Die diesjährige berliner Kunstausstellung.
2.

In den Gemäldesälen herrscht Genre und Landschaft so sehr vor, daß man
eine Besprechung dieses Theils der Ausstellung füglich mit den Bildern dieser
dominirenden Gattungen beginnen dürfte. Bleiben wir indeß der gewohnten
Folge getreu, welche der "Geschichtsmalerei" und zwar der "heiligen" bei einer
solchen Schau die Ehre des Vortritts gönnt, wie wenig auch die auf diesem
Gebiet zu Tage tretende künstlerische Kraft sich mit jener messen kann, welcher
wir in den Landschaften und Genrebildern begegnen werden. Heilig-ge¬
schichtliche, religiöse Gemälde haben auf solchen modernen Ausstellungen, die
im Grunde für den wahren Genuß, für die rechte Wirkung jedes Kunstwer¬
kes die ungünstigste Einrichtung find, einen schlimmen Stand. Sie vor allen
beanspruche" Sammlung der Seele, aber was giebt es Zerstreuenderes, als eben
eine solche große Ausstellung? Ein wirklich aus tiefer Frömmigkeit, aus religiö¬
ser Begeisterung hervorgegangenes Bild würde man nur beklagen müssen, wenn
es in dies bunte Gewirr hincinverstoßen wäre. Zu einer solchen Klage wird
uns diesmal aber keine Veranlassung geboten. Selbst die Zahl der Gemälde,
welche nichts als der von der Bibel oder heiligen Legende entlehnte Bildstoff
zur Bezeichnung der religiösen berechtigt, ist diesmal auffallend gering. Es hatte
vor einigen Jahren den Anschein, als ob jene Art biblischer Darstellungen,
welche die testamentlichen Gegenstände ausschließlich von ihrer rein menschlichen
Seite aufgefaßt, sich die Freiheit bewahrend, von jeder traditionell geheiligten
Behandlungsweise abzuweichen, bei Publicum und Malern in gleiche Gunst
gekommen wären. Aber nach wenigen glücklichen Anläufen hat man auf ein
Weiterarbeiten auch in dieser Richtung verzichtet. Ermunterung wird der reli¬
giösen Kunst bei uns eben nicht zu Theil. Kirchen und Ministerien des protestan¬
tischen Staats bestellen äußerst wenig derartige Arbeiten und die Frömmigkeit der
Privaten schwingt sich zu so praktischer Bethätigung nicht auf. Von einer solchen
Masse gemüthloser, leerer, widerlicher Erscheinungen kirchlicher Malerei, wie sie
jede pariser Ausstellung aufweist, bleiben wir glücklicherweise befreit. Was wir
an Werken derselben antreffen, hat, wie es auch im Uebrigen damit beschaffen sei,
wenigstens den Vorzug, mehr einer innern Neigung der Maler entsprungen zu sein.
Zwischen dieser und der wirklichen Fähigkeit aber, aus solcher Neigung heraus
ein echtes Kunstwerk religiöser Gattung zu schaffen, ist freilich immer noch
ein weiter Unterschied und es hat eben nicht den Anschein, als ob die Künstler
unsrer Tage mit dieser Fähigkeit besonders reichlich ausgerüstet wären. Plock¬
horst in Berlin hat vor sechs Jahren einmal mit seinem sehr populär gewor-


Grenzboten IV. 18V4. ^
Die diesjährige berliner Kunstausstellung.
2.

In den Gemäldesälen herrscht Genre und Landschaft so sehr vor, daß man
eine Besprechung dieses Theils der Ausstellung füglich mit den Bildern dieser
dominirenden Gattungen beginnen dürfte. Bleiben wir indeß der gewohnten
Folge getreu, welche der „Geschichtsmalerei" und zwar der „heiligen" bei einer
solchen Schau die Ehre des Vortritts gönnt, wie wenig auch die auf diesem
Gebiet zu Tage tretende künstlerische Kraft sich mit jener messen kann, welcher
wir in den Landschaften und Genrebildern begegnen werden. Heilig-ge¬
schichtliche, religiöse Gemälde haben auf solchen modernen Ausstellungen, die
im Grunde für den wahren Genuß, für die rechte Wirkung jedes Kunstwer¬
kes die ungünstigste Einrichtung find, einen schlimmen Stand. Sie vor allen
beanspruche» Sammlung der Seele, aber was giebt es Zerstreuenderes, als eben
eine solche große Ausstellung? Ein wirklich aus tiefer Frömmigkeit, aus religiö¬
ser Begeisterung hervorgegangenes Bild würde man nur beklagen müssen, wenn
es in dies bunte Gewirr hincinverstoßen wäre. Zu einer solchen Klage wird
uns diesmal aber keine Veranlassung geboten. Selbst die Zahl der Gemälde,
welche nichts als der von der Bibel oder heiligen Legende entlehnte Bildstoff
zur Bezeichnung der religiösen berechtigt, ist diesmal auffallend gering. Es hatte
vor einigen Jahren den Anschein, als ob jene Art biblischer Darstellungen,
welche die testamentlichen Gegenstände ausschließlich von ihrer rein menschlichen
Seite aufgefaßt, sich die Freiheit bewahrend, von jeder traditionell geheiligten
Behandlungsweise abzuweichen, bei Publicum und Malern in gleiche Gunst
gekommen wären. Aber nach wenigen glücklichen Anläufen hat man auf ein
Weiterarbeiten auch in dieser Richtung verzichtet. Ermunterung wird der reli¬
giösen Kunst bei uns eben nicht zu Theil. Kirchen und Ministerien des protestan¬
tischen Staats bestellen äußerst wenig derartige Arbeiten und die Frömmigkeit der
Privaten schwingt sich zu so praktischer Bethätigung nicht auf. Von einer solchen
Masse gemüthloser, leerer, widerlicher Erscheinungen kirchlicher Malerei, wie sie
jede pariser Ausstellung aufweist, bleiben wir glücklicherweise befreit. Was wir
an Werken derselben antreffen, hat, wie es auch im Uebrigen damit beschaffen sei,
wenigstens den Vorzug, mehr einer innern Neigung der Maler entsprungen zu sein.
Zwischen dieser und der wirklichen Fähigkeit aber, aus solcher Neigung heraus
ein echtes Kunstwerk religiöser Gattung zu schaffen, ist freilich immer noch
ein weiter Unterschied und es hat eben nicht den Anschein, als ob die Künstler
unsrer Tage mit dieser Fähigkeit besonders reichlich ausgerüstet wären. Plock¬
horst in Berlin hat vor sechs Jahren einmal mit seinem sehr populär gewor-


Grenzboten IV. 18V4. ^
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[0277] Die diesjährige berliner Kunstausstellung. 2. In den Gemäldesälen herrscht Genre und Landschaft so sehr vor, daß man eine Besprechung dieses Theils der Ausstellung füglich mit den Bildern dieser dominirenden Gattungen beginnen dürfte. Bleiben wir indeß der gewohnten Folge getreu, welche der „Geschichtsmalerei" und zwar der „heiligen" bei einer solchen Schau die Ehre des Vortritts gönnt, wie wenig auch die auf diesem Gebiet zu Tage tretende künstlerische Kraft sich mit jener messen kann, welcher wir in den Landschaften und Genrebildern begegnen werden. Heilig-ge¬ schichtliche, religiöse Gemälde haben auf solchen modernen Ausstellungen, die im Grunde für den wahren Genuß, für die rechte Wirkung jedes Kunstwer¬ kes die ungünstigste Einrichtung find, einen schlimmen Stand. Sie vor allen beanspruche» Sammlung der Seele, aber was giebt es Zerstreuenderes, als eben eine solche große Ausstellung? Ein wirklich aus tiefer Frömmigkeit, aus religiö¬ ser Begeisterung hervorgegangenes Bild würde man nur beklagen müssen, wenn es in dies bunte Gewirr hincinverstoßen wäre. Zu einer solchen Klage wird uns diesmal aber keine Veranlassung geboten. Selbst die Zahl der Gemälde, welche nichts als der von der Bibel oder heiligen Legende entlehnte Bildstoff zur Bezeichnung der religiösen berechtigt, ist diesmal auffallend gering. Es hatte vor einigen Jahren den Anschein, als ob jene Art biblischer Darstellungen, welche die testamentlichen Gegenstände ausschließlich von ihrer rein menschlichen Seite aufgefaßt, sich die Freiheit bewahrend, von jeder traditionell geheiligten Behandlungsweise abzuweichen, bei Publicum und Malern in gleiche Gunst gekommen wären. Aber nach wenigen glücklichen Anläufen hat man auf ein Weiterarbeiten auch in dieser Richtung verzichtet. Ermunterung wird der reli¬ giösen Kunst bei uns eben nicht zu Theil. Kirchen und Ministerien des protestan¬ tischen Staats bestellen äußerst wenig derartige Arbeiten und die Frömmigkeit der Privaten schwingt sich zu so praktischer Bethätigung nicht auf. Von einer solchen Masse gemüthloser, leerer, widerlicher Erscheinungen kirchlicher Malerei, wie sie jede pariser Ausstellung aufweist, bleiben wir glücklicherweise befreit. Was wir an Werken derselben antreffen, hat, wie es auch im Uebrigen damit beschaffen sei, wenigstens den Vorzug, mehr einer innern Neigung der Maler entsprungen zu sein. Zwischen dieser und der wirklichen Fähigkeit aber, aus solcher Neigung heraus ein echtes Kunstwerk religiöser Gattung zu schaffen, ist freilich immer noch ein weiter Unterschied und es hat eben nicht den Anschein, als ob die Künstler unsrer Tage mit dieser Fähigkeit besonders reichlich ausgerüstet wären. Plock¬ horst in Berlin hat vor sechs Jahren einmal mit seinem sehr populär gewor- Grenzboten IV. 18V4. ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/277>, abgerufen am 29.06.2024.