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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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Die Reden des Prinz-Gemahls von England.

Reden des Prinzen Albert, Gemahls der Königin von England. Deutsch von
or. Julius Frese. Autorisirtc Ucvcrsctzung. Bremen 1863. Verlag von
Heinrich Strack.

Wir Deutsche haben gerade jetzt Veranlassung zu bedauern, daß der Fürst,
welcher durch fast zwanzig Jahre in der Stille die Politik Englands gemäßigt,
billig, in großem Sinne leiten half, von der Erde geschieden ist. Und wir
meinen, daß man in England die Größe dieses Verlustes dereinst auch in Be¬
treff der großen deutschen Frage dieses Jahres empfinden wird. So lange der
Prinz lebte, waren die Führer der Parteien in ihrem verantwortlichen Amt
immerhin abhängig von einem Willen, der sich bei tiefer Achtung vor dem
Wesen der englischen Verfassung, in der Regel schonend und vorsichtig, bei
wichtigen Gelegenheiten aber mehr als einmal mit Energie geltend gemacht hat.
Zuweilen trug der Stolz englischer Staatsmänner unwillig die Einwirkung,
welche der Prinz in seiner Stellung ausübte; aber nach manchen Kämpfen,
Intriguen und versteckten Angriffen auf seine Person und den "deutschen Ein¬
fluß" hatten sie sich doch gewöhnt, der klaren Logik und dem gesunden Menschen¬
verstand seiner Ansichten Concessionen zu machen. Der ehrliche Eiser Lord
Rüssels fügte sich in aufrichtiger Neigung dem Willen des Prinzen, auch die
schlaue Gewandtheit Lord Palmerstons fand es nach einigen ernsten Erfahrungen
wenigstens nicht gerathen, dem Prinzen offen entgegenzutreten. Und man darf
wohl behaupten, die Verblendung, die jähe Hitze und-ungeschickte Behandlung,
welche die Whigs in der Schleswig-holsteinischen Frage gegen Deutschland gezeigt
haben, wäre ganz unmöglich gewesen, wenn das versöhnende Wesen des Prinzen
dabei noch hätte wirksam sein können.

Die englische Presse hat unter anderem thörichten Geschwätz in den letzten
Monaten sich zuweilen darin gefallen, über einen turor teutouieuZ zu spotten,
der uns überfallen habe. Wir geben ihr mit besserem Selbstgefühl diesen Vor¬
wurf zurück. Wenn der Deutsche einen eigenthümlichen Vorzug unter den
Nationen Europas beanspruchen darf, so ist es gerade der, daß ihn auch der
wärmste Schlag seines Herzens und großer Eiser in Liebe und Haß nicht un-


Grenzboten II. 1864. 11
Die Reden des Prinz-Gemahls von England.

Reden des Prinzen Albert, Gemahls der Königin von England. Deutsch von
or. Julius Frese. Autorisirtc Ucvcrsctzung. Bremen 1863. Verlag von
Heinrich Strack.

Wir Deutsche haben gerade jetzt Veranlassung zu bedauern, daß der Fürst,
welcher durch fast zwanzig Jahre in der Stille die Politik Englands gemäßigt,
billig, in großem Sinne leiten half, von der Erde geschieden ist. Und wir
meinen, daß man in England die Größe dieses Verlustes dereinst auch in Be¬
treff der großen deutschen Frage dieses Jahres empfinden wird. So lange der
Prinz lebte, waren die Führer der Parteien in ihrem verantwortlichen Amt
immerhin abhängig von einem Willen, der sich bei tiefer Achtung vor dem
Wesen der englischen Verfassung, in der Regel schonend und vorsichtig, bei
wichtigen Gelegenheiten aber mehr als einmal mit Energie geltend gemacht hat.
Zuweilen trug der Stolz englischer Staatsmänner unwillig die Einwirkung,
welche der Prinz in seiner Stellung ausübte; aber nach manchen Kämpfen,
Intriguen und versteckten Angriffen auf seine Person und den „deutschen Ein¬
fluß" hatten sie sich doch gewöhnt, der klaren Logik und dem gesunden Menschen¬
verstand seiner Ansichten Concessionen zu machen. Der ehrliche Eiser Lord
Rüssels fügte sich in aufrichtiger Neigung dem Willen des Prinzen, auch die
schlaue Gewandtheit Lord Palmerstons fand es nach einigen ernsten Erfahrungen
wenigstens nicht gerathen, dem Prinzen offen entgegenzutreten. Und man darf
wohl behaupten, die Verblendung, die jähe Hitze und-ungeschickte Behandlung,
welche die Whigs in der Schleswig-holsteinischen Frage gegen Deutschland gezeigt
haben, wäre ganz unmöglich gewesen, wenn das versöhnende Wesen des Prinzen
dabei noch hätte wirksam sein können.

Die englische Presse hat unter anderem thörichten Geschwätz in den letzten
Monaten sich zuweilen darin gefallen, über einen turor teutouieuZ zu spotten,
der uns überfallen habe. Wir geben ihr mit besserem Selbstgefühl diesen Vor¬
wurf zurück. Wenn der Deutsche einen eigenthümlichen Vorzug unter den
Nationen Europas beanspruchen darf, so ist es gerade der, daß ihn auch der
wärmste Schlag seines Herzens und großer Eiser in Liebe und Haß nicht un-


Grenzboten II. 1864. 11
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[0098] Die Reden des Prinz-Gemahls von England. Reden des Prinzen Albert, Gemahls der Königin von England. Deutsch von or. Julius Frese. Autorisirtc Ucvcrsctzung. Bremen 1863. Verlag von Heinrich Strack. Wir Deutsche haben gerade jetzt Veranlassung zu bedauern, daß der Fürst, welcher durch fast zwanzig Jahre in der Stille die Politik Englands gemäßigt, billig, in großem Sinne leiten half, von der Erde geschieden ist. Und wir meinen, daß man in England die Größe dieses Verlustes dereinst auch in Be¬ treff der großen deutschen Frage dieses Jahres empfinden wird. So lange der Prinz lebte, waren die Führer der Parteien in ihrem verantwortlichen Amt immerhin abhängig von einem Willen, der sich bei tiefer Achtung vor dem Wesen der englischen Verfassung, in der Regel schonend und vorsichtig, bei wichtigen Gelegenheiten aber mehr als einmal mit Energie geltend gemacht hat. Zuweilen trug der Stolz englischer Staatsmänner unwillig die Einwirkung, welche der Prinz in seiner Stellung ausübte; aber nach manchen Kämpfen, Intriguen und versteckten Angriffen auf seine Person und den „deutschen Ein¬ fluß" hatten sie sich doch gewöhnt, der klaren Logik und dem gesunden Menschen¬ verstand seiner Ansichten Concessionen zu machen. Der ehrliche Eiser Lord Rüssels fügte sich in aufrichtiger Neigung dem Willen des Prinzen, auch die schlaue Gewandtheit Lord Palmerstons fand es nach einigen ernsten Erfahrungen wenigstens nicht gerathen, dem Prinzen offen entgegenzutreten. Und man darf wohl behaupten, die Verblendung, die jähe Hitze und-ungeschickte Behandlung, welche die Whigs in der Schleswig-holsteinischen Frage gegen Deutschland gezeigt haben, wäre ganz unmöglich gewesen, wenn das versöhnende Wesen des Prinzen dabei noch hätte wirksam sein können. Die englische Presse hat unter anderem thörichten Geschwätz in den letzten Monaten sich zuweilen darin gefallen, über einen turor teutouieuZ zu spotten, der uns überfallen habe. Wir geben ihr mit besserem Selbstgefühl diesen Vor¬ wurf zurück. Wenn der Deutsche einen eigenthümlichen Vorzug unter den Nationen Europas beanspruchen darf, so ist es gerade der, daß ihn auch der wärmste Schlag seines Herzens und großer Eiser in Liebe und Haß nicht un- Grenzboten II. 1864. 11

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/98>, abgerufen am 23.07.2024.