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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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v. Bismarck und v. Rechberg richtiger als der mecklenburgische Minister, wenn
wir sie nicht für fähig halten, mit dieser Sache irgendeine Solidarität ein¬
zugehen. Wir gehen aber noch weiter und glauben kaum, daß sie dem Schritte
der mecklenburgischen Regierung gegenüber sich an einem schweigenden und
unthätigen Verhalten genügen lassen werden. Sie werden dem Vorwurf
keinen Raum geben wollen, daß sie das neue mecklenburgische Strafgesetz billigen,
sie werden nicht durch neutrales Schweigen die mecklenöurgische Negierung zum
Beharren auf der von ihr betretenen unglücklichen Bahn ermuthigen wollen.
Ihnen wird es vielmehr geboten erscheinen, sich ausdrücklich von jeder Gemein¬
schaft mit den Tendenzen loszusagen, zu deren Sicherstellung ihre Hilfe an¬
gerufen wird, und ihren Schutz nicht der Regierung ""gedeihen zu lassen, die
ohne ihn in äußerster Gefahr zu sein erklärt, sondern der Bevölkerung, die
solchen Schutzes bedarf. Ist die Regierung in Gefahr mit ihrem System Schiff-
bruch zu erleiden, erklärt sie sich selbst für schutzlos und schutzbedürftig, so giebt
sie damit zugleich den übrigen deutschen Regierungen ein volles Recht in die
Hand, die innern Zustände Mecklenburgs zu prüfen und über das richtige Heil¬
mittel Entscheidung zu treffen. Die angerufenen deutschen Regierungen werden
die ihnen damit angewiesene günstige Position gewiß zu würdigen und zum
Heile des mecklenburgischen Landes und Volkes zu benutzen wissen.




Die Nordschleswiger.
2. Ihre politische Gesinnung.

Im vorigen Abschnitt zeigten wir, daß die weit überwiegende Masse der
Nordschleswiger, d. h. der Bewohner Schleswigs nördlich von einer Linie, die
auf dem Festland etwa der tondcrn-flensburger Chaussee folgt und die friesi¬
schen Inseln dem Süden des Herzogthums zutheilt, gegenwärtig nach Sprache,
Sitte und Bildung als ein Seitenzweig der dänischen Nation anzusehen ist.
Eine andere Frage ist, ob die Nordschleswiger Dänen sein wollen, und dies
sührt uns auf das politische Deuten und Verhalten derselben.

Das Volk von Südcarolina spricht englisch wie das von Massachusetts
und hat ähnliche Sitten wie dieses, will aber staatlich nicht mehr Eins mit
demselben sein. Die Provencalen und die Bretagner reden nicht französisch,


v. Bismarck und v. Rechberg richtiger als der mecklenburgische Minister, wenn
wir sie nicht für fähig halten, mit dieser Sache irgendeine Solidarität ein¬
zugehen. Wir gehen aber noch weiter und glauben kaum, daß sie dem Schritte
der mecklenburgischen Regierung gegenüber sich an einem schweigenden und
unthätigen Verhalten genügen lassen werden. Sie werden dem Vorwurf
keinen Raum geben wollen, daß sie das neue mecklenburgische Strafgesetz billigen,
sie werden nicht durch neutrales Schweigen die mecklenöurgische Negierung zum
Beharren auf der von ihr betretenen unglücklichen Bahn ermuthigen wollen.
Ihnen wird es vielmehr geboten erscheinen, sich ausdrücklich von jeder Gemein¬
schaft mit den Tendenzen loszusagen, zu deren Sicherstellung ihre Hilfe an¬
gerufen wird, und ihren Schutz nicht der Regierung «»gedeihen zu lassen, die
ohne ihn in äußerster Gefahr zu sein erklärt, sondern der Bevölkerung, die
solchen Schutzes bedarf. Ist die Regierung in Gefahr mit ihrem System Schiff-
bruch zu erleiden, erklärt sie sich selbst für schutzlos und schutzbedürftig, so giebt
sie damit zugleich den übrigen deutschen Regierungen ein volles Recht in die
Hand, die innern Zustände Mecklenburgs zu prüfen und über das richtige Heil¬
mittel Entscheidung zu treffen. Die angerufenen deutschen Regierungen werden
die ihnen damit angewiesene günstige Position gewiß zu würdigen und zum
Heile des mecklenburgischen Landes und Volkes zu benutzen wissen.




Die Nordschleswiger.
2. Ihre politische Gesinnung.

Im vorigen Abschnitt zeigten wir, daß die weit überwiegende Masse der
Nordschleswiger, d. h. der Bewohner Schleswigs nördlich von einer Linie, die
auf dem Festland etwa der tondcrn-flensburger Chaussee folgt und die friesi¬
schen Inseln dem Süden des Herzogthums zutheilt, gegenwärtig nach Sprache,
Sitte und Bildung als ein Seitenzweig der dänischen Nation anzusehen ist.
Eine andere Frage ist, ob die Nordschleswiger Dänen sein wollen, und dies
sührt uns auf das politische Deuten und Verhalten derselben.

Das Volk von Südcarolina spricht englisch wie das von Massachusetts
und hat ähnliche Sitten wie dieses, will aber staatlich nicht mehr Eins mit
demselben sein. Die Provencalen und die Bretagner reden nicht französisch,


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[0464] v. Bismarck und v. Rechberg richtiger als der mecklenburgische Minister, wenn wir sie nicht für fähig halten, mit dieser Sache irgendeine Solidarität ein¬ zugehen. Wir gehen aber noch weiter und glauben kaum, daß sie dem Schritte der mecklenburgischen Regierung gegenüber sich an einem schweigenden und unthätigen Verhalten genügen lassen werden. Sie werden dem Vorwurf keinen Raum geben wollen, daß sie das neue mecklenburgische Strafgesetz billigen, sie werden nicht durch neutrales Schweigen die mecklenöurgische Negierung zum Beharren auf der von ihr betretenen unglücklichen Bahn ermuthigen wollen. Ihnen wird es vielmehr geboten erscheinen, sich ausdrücklich von jeder Gemein¬ schaft mit den Tendenzen loszusagen, zu deren Sicherstellung ihre Hilfe an¬ gerufen wird, und ihren Schutz nicht der Regierung «»gedeihen zu lassen, die ohne ihn in äußerster Gefahr zu sein erklärt, sondern der Bevölkerung, die solchen Schutzes bedarf. Ist die Regierung in Gefahr mit ihrem System Schiff- bruch zu erleiden, erklärt sie sich selbst für schutzlos und schutzbedürftig, so giebt sie damit zugleich den übrigen deutschen Regierungen ein volles Recht in die Hand, die innern Zustände Mecklenburgs zu prüfen und über das richtige Heil¬ mittel Entscheidung zu treffen. Die angerufenen deutschen Regierungen werden die ihnen damit angewiesene günstige Position gewiß zu würdigen und zum Heile des mecklenburgischen Landes und Volkes zu benutzen wissen. Die Nordschleswiger. 2. Ihre politische Gesinnung. Im vorigen Abschnitt zeigten wir, daß die weit überwiegende Masse der Nordschleswiger, d. h. der Bewohner Schleswigs nördlich von einer Linie, die auf dem Festland etwa der tondcrn-flensburger Chaussee folgt und die friesi¬ schen Inseln dem Süden des Herzogthums zutheilt, gegenwärtig nach Sprache, Sitte und Bildung als ein Seitenzweig der dänischen Nation anzusehen ist. Eine andere Frage ist, ob die Nordschleswiger Dänen sein wollen, und dies sührt uns auf das politische Deuten und Verhalten derselben. Das Volk von Südcarolina spricht englisch wie das von Massachusetts und hat ähnliche Sitten wie dieses, will aber staatlich nicht mehr Eins mit demselben sein. Die Provencalen und die Bretagner reden nicht französisch,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/464>, abgerufen am 23.07.2024.