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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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so wie sie auch die Thatsache, daß die bereits gesetzlich vollständig abgeschaffte
Prügelstrafe überhaupt erst durch den Feudalismus wiederhergestellt worden ist,
mit vornehmem Schweigen übergeht, ja geflissentlich unterdrückt, wenn sie be¬
merkt, daß die körperliche Züchtigung in Mecklenburg zu der strafrechtlichen
Competenz des Gutsherrn gehört habe, "bis die Statthaftigt'eit dieses Stiaf-
mittels in der neuern Zeit wesentlich beschränkt wurde."

Trotz der von der mecklenburg-schwerinschen Regierung aufgewandten Be¬
mühungen wird man hiernach in Deutschland über den wahren Inhalt des
Gesetzes und die wirkliche Gestalt unserer Zustände nicht im Zweifel sein, und
die Entschließung des großherzoglichen Ministers der auswärtigen Angelegen¬
heiten, das von ihm als Minister des Innern veranlaßte Prügelgesetz zum
Gegenstand einer diplomatischen Activ" zu machen, wird nur dazu beitragen,
den Jammer, welchen das feudale Regierungssystem über Mecklenburg ver¬
breitet hat. in ein noch helleres Licht zu setzen.

Die mecklenburgische Regierung hat alles gethan, um die freie Meinungs¬
äußerung im eigenen Lande zu unterdrücken und ihr den Zutritt von außen
abzuschneiden. Sie hat die Vereine und Versammlungen zu politischen Zwecken
verboten und der einheimischen Presse durch Strafgesetze und durch das Institut
der Verwarnungen und Cvncessivnsentziehungen im administrativen Wege die
Kritik ihrer Handlungen unmöglich gemacht; sie hat gegen die gelesensten aus¬
wärtigen Zeitungen, darunter die "Nationalzeitung" und die "Volkszeitung",
auch drei Hamburger Zeitschriften, das Land abgesperrt, über eine Menge von
Druckschriften ein Verbot verhängt, einer Anzahl von Blättern den Pvjldebit
entzogen und auf ganze Buchhandlungen mit Ihrem gesammten gegenwärtigen
und künftigen Verlag das Interdict gelegt. Nach allen diesen Kraftanstengungen
sieht sie sich jetzt zu dem Geständniß genöthigt, daß dieselben den gewünschten
Erfolg noch immer vermissen lassen, und daß Mecklenburg, wenn es den An¬
griffen der auswärtigen Presse noch länger Widerstand leisten soll, dazu der
Unterstützung der deutschen Großmächte bedarf. Sie findet kein Bedenken, die
Hilfe derselben und anderer deutscher Regierungen für die Aufrechrhallung ihrer
Autorität und der unter dieser Autorität stehenden einheimischen Prügelwirth¬
schaft zu einer Zeit in Anspruch zu nehmen, wo die Lösung einer der größten
nationalen Aufgaben alle Kräfte der Regierungen und des ganzen deutschen
Volkes in höchster Spannung erhält, einer Aufgabe, an welcher freilich die
mecklenburgische Bevölkerung von ihrer Regierung verhindert wurde sich in
anderer Weise zu betheiligen als durch mildthätige Spenden an d>e im Dienst
des Vaterlandes verwundeten und erkrankten Krieger.

Daß die diplomatische Action, zu welcher Herr v. Oertzen in sich den Muth
gefunden hat, von irgendeinem seiner Sache günstigen Erfolg gekrönt werden könnte,
das zu befürchten sind wir weit entfernt. Gewiß urtheilen wir über die Herren


so wie sie auch die Thatsache, daß die bereits gesetzlich vollständig abgeschaffte
Prügelstrafe überhaupt erst durch den Feudalismus wiederhergestellt worden ist,
mit vornehmem Schweigen übergeht, ja geflissentlich unterdrückt, wenn sie be¬
merkt, daß die körperliche Züchtigung in Mecklenburg zu der strafrechtlichen
Competenz des Gutsherrn gehört habe, „bis die Statthaftigt'eit dieses Stiaf-
mittels in der neuern Zeit wesentlich beschränkt wurde."

Trotz der von der mecklenburg-schwerinschen Regierung aufgewandten Be¬
mühungen wird man hiernach in Deutschland über den wahren Inhalt des
Gesetzes und die wirkliche Gestalt unserer Zustände nicht im Zweifel sein, und
die Entschließung des großherzoglichen Ministers der auswärtigen Angelegen¬
heiten, das von ihm als Minister des Innern veranlaßte Prügelgesetz zum
Gegenstand einer diplomatischen Activ» zu machen, wird nur dazu beitragen,
den Jammer, welchen das feudale Regierungssystem über Mecklenburg ver¬
breitet hat. in ein noch helleres Licht zu setzen.

Die mecklenburgische Regierung hat alles gethan, um die freie Meinungs¬
äußerung im eigenen Lande zu unterdrücken und ihr den Zutritt von außen
abzuschneiden. Sie hat die Vereine und Versammlungen zu politischen Zwecken
verboten und der einheimischen Presse durch Strafgesetze und durch das Institut
der Verwarnungen und Cvncessivnsentziehungen im administrativen Wege die
Kritik ihrer Handlungen unmöglich gemacht; sie hat gegen die gelesensten aus¬
wärtigen Zeitungen, darunter die „Nationalzeitung" und die „Volkszeitung",
auch drei Hamburger Zeitschriften, das Land abgesperrt, über eine Menge von
Druckschriften ein Verbot verhängt, einer Anzahl von Blättern den Pvjldebit
entzogen und auf ganze Buchhandlungen mit Ihrem gesammten gegenwärtigen
und künftigen Verlag das Interdict gelegt. Nach allen diesen Kraftanstengungen
sieht sie sich jetzt zu dem Geständniß genöthigt, daß dieselben den gewünschten
Erfolg noch immer vermissen lassen, und daß Mecklenburg, wenn es den An¬
griffen der auswärtigen Presse noch länger Widerstand leisten soll, dazu der
Unterstützung der deutschen Großmächte bedarf. Sie findet kein Bedenken, die
Hilfe derselben und anderer deutscher Regierungen für die Aufrechrhallung ihrer
Autorität und der unter dieser Autorität stehenden einheimischen Prügelwirth¬
schaft zu einer Zeit in Anspruch zu nehmen, wo die Lösung einer der größten
nationalen Aufgaben alle Kräfte der Regierungen und des ganzen deutschen
Volkes in höchster Spannung erhält, einer Aufgabe, an welcher freilich die
mecklenburgische Bevölkerung von ihrer Regierung verhindert wurde sich in
anderer Weise zu betheiligen als durch mildthätige Spenden an d>e im Dienst
des Vaterlandes verwundeten und erkrankten Krieger.

Daß die diplomatische Action, zu welcher Herr v. Oertzen in sich den Muth
gefunden hat, von irgendeinem seiner Sache günstigen Erfolg gekrönt werden könnte,
das zu befürchten sind wir weit entfernt. Gewiß urtheilen wir über die Herren


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[0463] so wie sie auch die Thatsache, daß die bereits gesetzlich vollständig abgeschaffte Prügelstrafe überhaupt erst durch den Feudalismus wiederhergestellt worden ist, mit vornehmem Schweigen übergeht, ja geflissentlich unterdrückt, wenn sie be¬ merkt, daß die körperliche Züchtigung in Mecklenburg zu der strafrechtlichen Competenz des Gutsherrn gehört habe, „bis die Statthaftigt'eit dieses Stiaf- mittels in der neuern Zeit wesentlich beschränkt wurde." Trotz der von der mecklenburg-schwerinschen Regierung aufgewandten Be¬ mühungen wird man hiernach in Deutschland über den wahren Inhalt des Gesetzes und die wirkliche Gestalt unserer Zustände nicht im Zweifel sein, und die Entschließung des großherzoglichen Ministers der auswärtigen Angelegen¬ heiten, das von ihm als Minister des Innern veranlaßte Prügelgesetz zum Gegenstand einer diplomatischen Activ» zu machen, wird nur dazu beitragen, den Jammer, welchen das feudale Regierungssystem über Mecklenburg ver¬ breitet hat. in ein noch helleres Licht zu setzen. Die mecklenburgische Regierung hat alles gethan, um die freie Meinungs¬ äußerung im eigenen Lande zu unterdrücken und ihr den Zutritt von außen abzuschneiden. Sie hat die Vereine und Versammlungen zu politischen Zwecken verboten und der einheimischen Presse durch Strafgesetze und durch das Institut der Verwarnungen und Cvncessivnsentziehungen im administrativen Wege die Kritik ihrer Handlungen unmöglich gemacht; sie hat gegen die gelesensten aus¬ wärtigen Zeitungen, darunter die „Nationalzeitung" und die „Volkszeitung", auch drei Hamburger Zeitschriften, das Land abgesperrt, über eine Menge von Druckschriften ein Verbot verhängt, einer Anzahl von Blättern den Pvjldebit entzogen und auf ganze Buchhandlungen mit Ihrem gesammten gegenwärtigen und künftigen Verlag das Interdict gelegt. Nach allen diesen Kraftanstengungen sieht sie sich jetzt zu dem Geständniß genöthigt, daß dieselben den gewünschten Erfolg noch immer vermissen lassen, und daß Mecklenburg, wenn es den An¬ griffen der auswärtigen Presse noch länger Widerstand leisten soll, dazu der Unterstützung der deutschen Großmächte bedarf. Sie findet kein Bedenken, die Hilfe derselben und anderer deutscher Regierungen für die Aufrechrhallung ihrer Autorität und der unter dieser Autorität stehenden einheimischen Prügelwirth¬ schaft zu einer Zeit in Anspruch zu nehmen, wo die Lösung einer der größten nationalen Aufgaben alle Kräfte der Regierungen und des ganzen deutschen Volkes in höchster Spannung erhält, einer Aufgabe, an welcher freilich die mecklenburgische Bevölkerung von ihrer Regierung verhindert wurde sich in anderer Weise zu betheiligen als durch mildthätige Spenden an d>e im Dienst des Vaterlandes verwundeten und erkrankten Krieger. Daß die diplomatische Action, zu welcher Herr v. Oertzen in sich den Muth gefunden hat, von irgendeinem seiner Sache günstigen Erfolg gekrönt werden könnte, das zu befürchten sind wir weit entfernt. Gewiß urtheilen wir über die Herren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/463>, abgerufen am 23.07.2024.