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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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sie ins Feuer gehen müssen. Die zu der Einwohnerzahl und den finanziellen
Kräften des Landes nicht im rechten Verhältniß stehende Stärke der Armee
andrerseits dagegen treibt an, diesen Tag möglichst zu beschleunigen. Erleidet
die schnell einberufne, noch nicht durchgehends ausgebildete, aus Geübten und
nur Halbgeübten bestehende Armee gleich anfangs einige schwere Niederlagen,
so wird sie ohne Zweifel rasch allen moralischen Halt verlieren und vom Kriegs¬
schauplatz verschwinden, und so wäre auch nach dieser Betrachtung, wenn man
deutscherseits den Krieg ernstlich wollte, ein sofortiges Vorgehen zu rathen.
Das dänische Wehrsystem ist, alles Gesagte zusammengefaßt, ein auf die Gunst
der ersten Umstände basirtes. Der eingetretene harte Winter gewährt diese Gunst
nicht, die Schlei und die Eider sind jetzt keine Gräben, sondern Brücken, die
Verschanzungen am Dannewerk leicht zu umgehen,^Friedrichstadt ohne Wasser
zu keinem langen Widerstand fähig, die Flotte, sonst sehr nützlich zu Flanken¬
demonstrationen, lahm gelegt durch das Eis der Buchten. Eine einzige Schlacht,
wenn sie von den dänischen Generalen überhaupt gewagt wird, kann der Armee
König Christians ein Ende machen.




Die streitigen Ortschaften in Schleswig-Holstein.

In den Zeitungen figuriren jetzt ziemlich häusig die "sechs holsteinischen
Dörfer" jenseits der Eider, welche von den Bundestruppen ebenfalls besetzt
werden sollten, aber bis heute noch in den Händen der Dänen sind, und nach
der Art, wie von ihnen gesprochen wird, kann es scheinen, als wären nur sie
und das rendsburger Kronwerk Objecte, welche für Holstein zu reclamiren sind.
Dem ist jedoch nicht so. Wie an der Nordgrenze und im Westen Schleswigs
eine beträchliche Anzahl von Orten und Gebieten sind, welche staatsrechtlich
nicht, wie die Dänen behaupten, zu Jütland. sondern zum Herzogthum Schles¬
wig gehören*), so ist auch die Südgrenze des letzteren in staatsrechtlicher Be-



") Unter Anderm zählen hierher der südliche Theil der Stadt Kolding, ein Stück des
Kirchspiels secht und die ehemaligen Birkdistricte Lustrup und Riberhuus, sofern sie aus
Grundstücken bestehen, welche zur Grafschaft Schackenburg, zum ehemaligen Vorwerk des
Schlosses Nibcrhuus, zum ehemaligen königlichen Reutcrgut, zum ehemaligen Domcapitel, zur
Schule und zum Hospital in Nipcn gehören.

sie ins Feuer gehen müssen. Die zu der Einwohnerzahl und den finanziellen
Kräften des Landes nicht im rechten Verhältniß stehende Stärke der Armee
andrerseits dagegen treibt an, diesen Tag möglichst zu beschleunigen. Erleidet
die schnell einberufne, noch nicht durchgehends ausgebildete, aus Geübten und
nur Halbgeübten bestehende Armee gleich anfangs einige schwere Niederlagen,
so wird sie ohne Zweifel rasch allen moralischen Halt verlieren und vom Kriegs¬
schauplatz verschwinden, und so wäre auch nach dieser Betrachtung, wenn man
deutscherseits den Krieg ernstlich wollte, ein sofortiges Vorgehen zu rathen.
Das dänische Wehrsystem ist, alles Gesagte zusammengefaßt, ein auf die Gunst
der ersten Umstände basirtes. Der eingetretene harte Winter gewährt diese Gunst
nicht, die Schlei und die Eider sind jetzt keine Gräben, sondern Brücken, die
Verschanzungen am Dannewerk leicht zu umgehen,^Friedrichstadt ohne Wasser
zu keinem langen Widerstand fähig, die Flotte, sonst sehr nützlich zu Flanken¬
demonstrationen, lahm gelegt durch das Eis der Buchten. Eine einzige Schlacht,
wenn sie von den dänischen Generalen überhaupt gewagt wird, kann der Armee
König Christians ein Ende machen.




Die streitigen Ortschaften in Schleswig-Holstein.

In den Zeitungen figuriren jetzt ziemlich häusig die „sechs holsteinischen
Dörfer" jenseits der Eider, welche von den Bundestruppen ebenfalls besetzt
werden sollten, aber bis heute noch in den Händen der Dänen sind, und nach
der Art, wie von ihnen gesprochen wird, kann es scheinen, als wären nur sie
und das rendsburger Kronwerk Objecte, welche für Holstein zu reclamiren sind.
Dem ist jedoch nicht so. Wie an der Nordgrenze und im Westen Schleswigs
eine beträchliche Anzahl von Orten und Gebieten sind, welche staatsrechtlich
nicht, wie die Dänen behaupten, zu Jütland. sondern zum Herzogthum Schles¬
wig gehören*), so ist auch die Südgrenze des letzteren in staatsrechtlicher Be-



") Unter Anderm zählen hierher der südliche Theil der Stadt Kolding, ein Stück des
Kirchspiels secht und die ehemaligen Birkdistricte Lustrup und Riberhuus, sofern sie aus
Grundstücken bestehen, welche zur Grafschaft Schackenburg, zum ehemaligen Vorwerk des
Schlosses Nibcrhuus, zum ehemaligen königlichen Reutcrgut, zum ehemaligen Domcapitel, zur
Schule und zum Hospital in Nipcn gehören.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/98>, abgerufen am 27.06.2024.