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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Die Schleswiger in Kiel.

Während die Regierungen der Mittelstaaten immer mehr enthüllen, wie
wenig Ernst es ihnen mit der Vertheidigung des guten Rechts der Herzogthümer
ist, und während Oestreich und Preußen von Tage zu Tage deutlicher erkennen
lassen, daß von ihnen die Wiedervereinigung des von Dänemark getrennten
Schleswig-Holstein statt der Vollendung und Befestigung der Trennung ins
Auge gefaßt ist, macht unter dem Volke der Herzogthümer der Scheidungsproceß
täglich größere Fortschritte. Immer weiter greift die Ueberzeugung um sich,
daß nur in der vollständigen Loslösung von aller und jeder Verbindung mit
Dänemark das Heil zu suchen, und immer klarer wird es allerwärts, daß der
Herzog Friedrich in seiner Person diese vollständige Loslösung verkörpert, daß
daher von den Dänen aus immer befreit sein wollen, ihm huldigen heißt.

Wiederholt schon folgten den zu diesem Zweck in Kiel erschienenen Depu¬
tationen aus Holstein auch Gesandtschaften mit ähnlichem Austrage aus dem
Herzogthum Schleswig. So aus Dähnisch-Wohld und Eckernförde, aus Eider-
stedt und aus der fernen Karrharde sowie aus dem friesischen Kögen. Der
gestrige und der heutige Tag aber brachten Kundgebungen allgemeinerer Art.

Gestern, Donnerstag, um die Mittagsstunde erschienen in Kiel die Angler,
oder wie man hier seltsamerweise sagt, die Angliter, um dem Herzog die
Huldigung ihrer Landschaft darzubringen. 670 an der Zahl zogen sie mit ihren
Fahnen von der Börse, wo sie sich gesammelt, hinaus nach dem Saale des
Badehauses in Düsternbrook. wo bald nach ihrer Ankunft auch der Herzog ein¬
traf und unter einem Thronhimmel die ehrfurchtsvolle Begrüßung entgegen¬
nahm, bei welcher Dr. Wurm von Gekling als Sprecher fungirte. und aus die
der Herzog in längerer Rede antwortete. In der Rede Wurms kam die Stelle
vor, man werde am Recht des Herzogs festhalten, "so wahr Gott uns helfe
und sein heiliges Wort".

Von noch größerer Bedeutung war der heutige Tag, welcher die große aus
Wahlen im Verhältniß von einem Vertreter aus 400 Seelen hervorgegangene
Huldigungsdeputation des ganzen Herzogthums Schleswig nach Kiel bringen
sollte. Die Wahlen hatten allerdings nicht überall stattfinden können. Die
Inseln Alsen und Arröe. desgleichen Fehmern und die ganze Inselgruppe im
Westen waren noch in der Gewalt der Dänen. Im Sundewitt gab es einige
dänisch Gesinnte und noch mehr solche, welche den deutschen Mächten nicht den
Willen zutrauten, die Wiederkehr der Dänen in das Herzogthum zu hindern,


Die Schleswiger in Kiel.

Während die Regierungen der Mittelstaaten immer mehr enthüllen, wie
wenig Ernst es ihnen mit der Vertheidigung des guten Rechts der Herzogthümer
ist, und während Oestreich und Preußen von Tage zu Tage deutlicher erkennen
lassen, daß von ihnen die Wiedervereinigung des von Dänemark getrennten
Schleswig-Holstein statt der Vollendung und Befestigung der Trennung ins
Auge gefaßt ist, macht unter dem Volke der Herzogthümer der Scheidungsproceß
täglich größere Fortschritte. Immer weiter greift die Ueberzeugung um sich,
daß nur in der vollständigen Loslösung von aller und jeder Verbindung mit
Dänemark das Heil zu suchen, und immer klarer wird es allerwärts, daß der
Herzog Friedrich in seiner Person diese vollständige Loslösung verkörpert, daß
daher von den Dänen aus immer befreit sein wollen, ihm huldigen heißt.

Wiederholt schon folgten den zu diesem Zweck in Kiel erschienenen Depu¬
tationen aus Holstein auch Gesandtschaften mit ähnlichem Austrage aus dem
Herzogthum Schleswig. So aus Dähnisch-Wohld und Eckernförde, aus Eider-
stedt und aus der fernen Karrharde sowie aus dem friesischen Kögen. Der
gestrige und der heutige Tag aber brachten Kundgebungen allgemeinerer Art.

Gestern, Donnerstag, um die Mittagsstunde erschienen in Kiel die Angler,
oder wie man hier seltsamerweise sagt, die Angliter, um dem Herzog die
Huldigung ihrer Landschaft darzubringen. 670 an der Zahl zogen sie mit ihren
Fahnen von der Börse, wo sie sich gesammelt, hinaus nach dem Saale des
Badehauses in Düsternbrook. wo bald nach ihrer Ankunft auch der Herzog ein¬
traf und unter einem Thronhimmel die ehrfurchtsvolle Begrüßung entgegen¬
nahm, bei welcher Dr. Wurm von Gekling als Sprecher fungirte. und aus die
der Herzog in längerer Rede antwortete. In der Rede Wurms kam die Stelle
vor, man werde am Recht des Herzogs festhalten, „so wahr Gott uns helfe
und sein heiliges Wort".

Von noch größerer Bedeutung war der heutige Tag, welcher die große aus
Wahlen im Verhältniß von einem Vertreter aus 400 Seelen hervorgegangene
Huldigungsdeputation des ganzen Herzogthums Schleswig nach Kiel bringen
sollte. Die Wahlen hatten allerdings nicht überall stattfinden können. Die
Inseln Alsen und Arröe. desgleichen Fehmern und die ganze Inselgruppe im
Westen waren noch in der Gewalt der Dänen. Im Sundewitt gab es einige
dänisch Gesinnte und noch mehr solche, welche den deutschen Mächten nicht den
Willen zutrauten, die Wiederkehr der Dänen in das Herzogthum zu hindern,


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[0401] Die Schleswiger in Kiel. Während die Regierungen der Mittelstaaten immer mehr enthüllen, wie wenig Ernst es ihnen mit der Vertheidigung des guten Rechts der Herzogthümer ist, und während Oestreich und Preußen von Tage zu Tage deutlicher erkennen lassen, daß von ihnen die Wiedervereinigung des von Dänemark getrennten Schleswig-Holstein statt der Vollendung und Befestigung der Trennung ins Auge gefaßt ist, macht unter dem Volke der Herzogthümer der Scheidungsproceß täglich größere Fortschritte. Immer weiter greift die Ueberzeugung um sich, daß nur in der vollständigen Loslösung von aller und jeder Verbindung mit Dänemark das Heil zu suchen, und immer klarer wird es allerwärts, daß der Herzog Friedrich in seiner Person diese vollständige Loslösung verkörpert, daß daher von den Dänen aus immer befreit sein wollen, ihm huldigen heißt. Wiederholt schon folgten den zu diesem Zweck in Kiel erschienenen Depu¬ tationen aus Holstein auch Gesandtschaften mit ähnlichem Austrage aus dem Herzogthum Schleswig. So aus Dähnisch-Wohld und Eckernförde, aus Eider- stedt und aus der fernen Karrharde sowie aus dem friesischen Kögen. Der gestrige und der heutige Tag aber brachten Kundgebungen allgemeinerer Art. Gestern, Donnerstag, um die Mittagsstunde erschienen in Kiel die Angler, oder wie man hier seltsamerweise sagt, die Angliter, um dem Herzog die Huldigung ihrer Landschaft darzubringen. 670 an der Zahl zogen sie mit ihren Fahnen von der Börse, wo sie sich gesammelt, hinaus nach dem Saale des Badehauses in Düsternbrook. wo bald nach ihrer Ankunft auch der Herzog ein¬ traf und unter einem Thronhimmel die ehrfurchtsvolle Begrüßung entgegen¬ nahm, bei welcher Dr. Wurm von Gekling als Sprecher fungirte. und aus die der Herzog in längerer Rede antwortete. In der Rede Wurms kam die Stelle vor, man werde am Recht des Herzogs festhalten, „so wahr Gott uns helfe und sein heiliges Wort". Von noch größerer Bedeutung war der heutige Tag, welcher die große aus Wahlen im Verhältniß von einem Vertreter aus 400 Seelen hervorgegangene Huldigungsdeputation des ganzen Herzogthums Schleswig nach Kiel bringen sollte. Die Wahlen hatten allerdings nicht überall stattfinden können. Die Inseln Alsen und Arröe. desgleichen Fehmern und die ganze Inselgruppe im Westen waren noch in der Gewalt der Dänen. Im Sundewitt gab es einige dänisch Gesinnte und noch mehr solche, welche den deutschen Mächten nicht den Willen zutrauten, die Wiederkehr der Dänen in das Herzogthum zu hindern,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/401>, abgerufen am 27.06.2024.