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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Hauptstcllung bei Schleswig genommen, eine kleine Schanze, der Königshügel
bei Oberselk, doch hätten die Truppen auch beträchtliche Verluste -- der General
sprach von S19 Mann -- dabei erlitten.

Auf unsre Erkundigung, wohin wir jetzt gehen sollten, lautete die Antwort:
"Wohin Sie wollen. Dahin, dorthin, jetzt alles einerlei. In einer Stunde
breche ich nach Missunde auf, und wenn Sie wollen, können Sie mir folgen."

Wir ursprünglichen vier, die am Morgen zusammen von Eckernförde auf¬
gebrochen waren, zogen es vor, das erlöste Schleswig aufzusuchen. Die meisten
Uebrigen schienen des Feldzugs überdrüssig zu sein und sich sobald als möglich
über Eckernförde in die Heimath zurückbegeben zu wollen. Die Nacht in der
Mühle war in der That geeignet gewesen, Wißbegier und Enthusiasmus abzu¬
kühlen. Dennoch konnte sich die Gesellschaft nicht auflösen, ohne daß eine gute
Seele unter den Befreiten dem General ein Hoch ausbrachte, in welches die
Mehrzahl mit Hüteschwent'en einstimmte. Nicht gerade erfreulich, aber nicht zu
verwundern. So sind die Deutschen! So im Großen wie hier im Kleinen!
so auch in der Schleswig-holsteinischen Sache!




Beethoven und die Ausgaben seiner Werke.
Beethovens Werke, in der Ausgabe von Breitkopf und Härtel.
3.

Wer mit dem Worte philologische Kritik eine dunkle Vorstellung
von ständigen Pergamenten und alten Drucken, von einem Wust unnützer
Lesarten, von unerquicklicher Wortklauberei und Silbenstecherei verbindet, wer
es als die Arbeit der philologischen Kritik ansieht, um die Werke der Poesie
und Kunst eine Stachelhecke zu ziehen, welche den Zugang zu denselben er¬
schwert und ihren Genuß stört -- dem wird nicht gerade behaglich bei dem
Gedanken werden, daß diese Kritik nun auch mit Beethoven sich zu schaffen
machen soll. Mancher, der glimpflicher denkt, wird doch Zweifel darüber
hegen, was denn bei den Werken eines Componisten. der noch in die heutige
Generation hineinragte und seine Werte selbst herausgegeben hat, für die
Kritik Erhebliches zu thun sei, und was ein weitschichtiger Apparat von Hand¬
schriften und Ausgaben nützen könne. Hier darf man an das naheliegende


Grenzboten I. 1864. 44

Hauptstcllung bei Schleswig genommen, eine kleine Schanze, der Königshügel
bei Oberselk, doch hätten die Truppen auch beträchtliche Verluste — der General
sprach von S19 Mann — dabei erlitten.

Auf unsre Erkundigung, wohin wir jetzt gehen sollten, lautete die Antwort:
„Wohin Sie wollen. Dahin, dorthin, jetzt alles einerlei. In einer Stunde
breche ich nach Missunde auf, und wenn Sie wollen, können Sie mir folgen."

Wir ursprünglichen vier, die am Morgen zusammen von Eckernförde auf¬
gebrochen waren, zogen es vor, das erlöste Schleswig aufzusuchen. Die meisten
Uebrigen schienen des Feldzugs überdrüssig zu sein und sich sobald als möglich
über Eckernförde in die Heimath zurückbegeben zu wollen. Die Nacht in der
Mühle war in der That geeignet gewesen, Wißbegier und Enthusiasmus abzu¬
kühlen. Dennoch konnte sich die Gesellschaft nicht auflösen, ohne daß eine gute
Seele unter den Befreiten dem General ein Hoch ausbrachte, in welches die
Mehrzahl mit Hüteschwent'en einstimmte. Nicht gerade erfreulich, aber nicht zu
verwundern. So sind die Deutschen! So im Großen wie hier im Kleinen!
so auch in der Schleswig-holsteinischen Sache!




Beethoven und die Ausgaben seiner Werke.
Beethovens Werke, in der Ausgabe von Breitkopf und Härtel.
3.

Wer mit dem Worte philologische Kritik eine dunkle Vorstellung
von ständigen Pergamenten und alten Drucken, von einem Wust unnützer
Lesarten, von unerquicklicher Wortklauberei und Silbenstecherei verbindet, wer
es als die Arbeit der philologischen Kritik ansieht, um die Werke der Poesie
und Kunst eine Stachelhecke zu ziehen, welche den Zugang zu denselben er¬
schwert und ihren Genuß stört — dem wird nicht gerade behaglich bei dem
Gedanken werden, daß diese Kritik nun auch mit Beethoven sich zu schaffen
machen soll. Mancher, der glimpflicher denkt, wird doch Zweifel darüber
hegen, was denn bei den Werken eines Componisten. der noch in die heutige
Generation hineinragte und seine Werte selbst herausgegeben hat, für die
Kritik Erhebliches zu thun sei, und was ein weitschichtiger Apparat von Hand¬
schriften und Ausgaben nützen könne. Hier darf man an das naheliegende


Grenzboten I. 1864. 44
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[0351] Hauptstcllung bei Schleswig genommen, eine kleine Schanze, der Königshügel bei Oberselk, doch hätten die Truppen auch beträchtliche Verluste — der General sprach von S19 Mann — dabei erlitten. Auf unsre Erkundigung, wohin wir jetzt gehen sollten, lautete die Antwort: „Wohin Sie wollen. Dahin, dorthin, jetzt alles einerlei. In einer Stunde breche ich nach Missunde auf, und wenn Sie wollen, können Sie mir folgen." Wir ursprünglichen vier, die am Morgen zusammen von Eckernförde auf¬ gebrochen waren, zogen es vor, das erlöste Schleswig aufzusuchen. Die meisten Uebrigen schienen des Feldzugs überdrüssig zu sein und sich sobald als möglich über Eckernförde in die Heimath zurückbegeben zu wollen. Die Nacht in der Mühle war in der That geeignet gewesen, Wißbegier und Enthusiasmus abzu¬ kühlen. Dennoch konnte sich die Gesellschaft nicht auflösen, ohne daß eine gute Seele unter den Befreiten dem General ein Hoch ausbrachte, in welches die Mehrzahl mit Hüteschwent'en einstimmte. Nicht gerade erfreulich, aber nicht zu verwundern. So sind die Deutschen! So im Großen wie hier im Kleinen! so auch in der Schleswig-holsteinischen Sache! Beethoven und die Ausgaben seiner Werke. Beethovens Werke, in der Ausgabe von Breitkopf und Härtel. 3. Wer mit dem Worte philologische Kritik eine dunkle Vorstellung von ständigen Pergamenten und alten Drucken, von einem Wust unnützer Lesarten, von unerquicklicher Wortklauberei und Silbenstecherei verbindet, wer es als die Arbeit der philologischen Kritik ansieht, um die Werke der Poesie und Kunst eine Stachelhecke zu ziehen, welche den Zugang zu denselben er¬ schwert und ihren Genuß stört — dem wird nicht gerade behaglich bei dem Gedanken werden, daß diese Kritik nun auch mit Beethoven sich zu schaffen machen soll. Mancher, der glimpflicher denkt, wird doch Zweifel darüber hegen, was denn bei den Werken eines Componisten. der noch in die heutige Generation hineinragte und seine Werte selbst herausgegeben hat, für die Kritik Erhebliches zu thun sei, und was ein weitschichtiger Apparat von Hand¬ schriften und Ausgaben nützen könne. Hier darf man an das naheliegende Grenzboten I. 1864. 44

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/351>, abgerufen am 27.06.2024.