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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Folgen eines ersten Fehlers sich mit der ehernen Konsequenz entwickeln, wie sie
der Dichter in der Tragödie als göttliche Gerechtigkeit uns vor Augen führt.
Es ist schwer, es mag ein Opfer kosten, den bereits begangenen Fehler gut zu
machen, aber es hieße am Vaterlande verzweifeln, es für unmöglich zu erklären.
Noch, davon sind wir überzeugt, steht es in Preußens Macht, in das Lager
der nationalen Sache zurückzukehren, nicht ohne selbstverschuldete Schwierigkeiten;
aber können Schwierigkeiten, und seien sie der peinlichsten Natur, in Betracht
kommen, wo es sich um die Rettung, die Macht, die Ehre des Vaterlandes handelt?

Ein correctes Verhalten in der Erbfolgefrage sichert Preußen noch heute
die Stellung in Deutschland, die bei längerem Verharren in der gegenwärtigen
Politik vielleicht unwiederbringlich verloren wäre.




Der Kampf um Schleswig-Holstein
1848-1850.
2.

Wohl fanden inzwischen die Behörden und Stände von Schleswig-Holstein
in den traurigen Erfahrungen der letzten Maiwoche einen erhöhten Antrieb,
der eigenen Haltung des Landes politisch und militärisch eine größere Festigkeit
zu verleihen. Unmittelbar nach dem Rückzüge Wrangels aus Jütland sprach
eine Verkündigung der provisorischen Regierung den Grundsatz der allgemeinen
Wehrpflicht aus. Die Stände, um die Mitte Juni sich versammelnd, beschlossen
nicht blos ein Gesetz zur Ausführung dieser Verkündigung, sondern auch ein
Wahlgesetz zur Einberufung einer allgemeinen Landesversainmlung, der die
Berathung einer neuen Verfassung für die Herzogthümer obliegen sollte. In¬
dessen hatten alle Bemühungen, das Schleswig-holsteinische Heer auf einen stär¬
keren Fuß zu bringen, fortwährend mit den mannigfachsten Schwierigkeiten zu
kämpfen, vor allem mit dem Mangel an geschulten Offizieren. Aus das Zu¬
strömen von Freiwilligen aus dem übrigen Deutschland aber konnten nur un¬
günstig die MißHelligkeiten einwirken, die zwischen den Führern des regelmäßigen
Militärs und den Freischaaren bestanden. Daß die Ersteren auf die Dienste
der Letzteren keinen allzugroßen Werth legten, war an sich eine in den Kriegen
der Neuzeit nicht ungewöhnliche Erscheinung; hier aber wurde der Gegensatz


Folgen eines ersten Fehlers sich mit der ehernen Konsequenz entwickeln, wie sie
der Dichter in der Tragödie als göttliche Gerechtigkeit uns vor Augen führt.
Es ist schwer, es mag ein Opfer kosten, den bereits begangenen Fehler gut zu
machen, aber es hieße am Vaterlande verzweifeln, es für unmöglich zu erklären.
Noch, davon sind wir überzeugt, steht es in Preußens Macht, in das Lager
der nationalen Sache zurückzukehren, nicht ohne selbstverschuldete Schwierigkeiten;
aber können Schwierigkeiten, und seien sie der peinlichsten Natur, in Betracht
kommen, wo es sich um die Rettung, die Macht, die Ehre des Vaterlandes handelt?

Ein correctes Verhalten in der Erbfolgefrage sichert Preußen noch heute
die Stellung in Deutschland, die bei längerem Verharren in der gegenwärtigen
Politik vielleicht unwiederbringlich verloren wäre.




Der Kampf um Schleswig-Holstein
1848-1850.
2.

Wohl fanden inzwischen die Behörden und Stände von Schleswig-Holstein
in den traurigen Erfahrungen der letzten Maiwoche einen erhöhten Antrieb,
der eigenen Haltung des Landes politisch und militärisch eine größere Festigkeit
zu verleihen. Unmittelbar nach dem Rückzüge Wrangels aus Jütland sprach
eine Verkündigung der provisorischen Regierung den Grundsatz der allgemeinen
Wehrpflicht aus. Die Stände, um die Mitte Juni sich versammelnd, beschlossen
nicht blos ein Gesetz zur Ausführung dieser Verkündigung, sondern auch ein
Wahlgesetz zur Einberufung einer allgemeinen Landesversainmlung, der die
Berathung einer neuen Verfassung für die Herzogthümer obliegen sollte. In¬
dessen hatten alle Bemühungen, das Schleswig-holsteinische Heer auf einen stär¬
keren Fuß zu bringen, fortwährend mit den mannigfachsten Schwierigkeiten zu
kämpfen, vor allem mit dem Mangel an geschulten Offizieren. Aus das Zu¬
strömen von Freiwilligen aus dem übrigen Deutschland aber konnten nur un¬
günstig die MißHelligkeiten einwirken, die zwischen den Führern des regelmäßigen
Militärs und den Freischaaren bestanden. Daß die Ersteren auf die Dienste
der Letzteren keinen allzugroßen Werth legten, war an sich eine in den Kriegen
der Neuzeit nicht ungewöhnliche Erscheinung; hier aber wurde der Gegensatz


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[0217] Folgen eines ersten Fehlers sich mit der ehernen Konsequenz entwickeln, wie sie der Dichter in der Tragödie als göttliche Gerechtigkeit uns vor Augen führt. Es ist schwer, es mag ein Opfer kosten, den bereits begangenen Fehler gut zu machen, aber es hieße am Vaterlande verzweifeln, es für unmöglich zu erklären. Noch, davon sind wir überzeugt, steht es in Preußens Macht, in das Lager der nationalen Sache zurückzukehren, nicht ohne selbstverschuldete Schwierigkeiten; aber können Schwierigkeiten, und seien sie der peinlichsten Natur, in Betracht kommen, wo es sich um die Rettung, die Macht, die Ehre des Vaterlandes handelt? Ein correctes Verhalten in der Erbfolgefrage sichert Preußen noch heute die Stellung in Deutschland, die bei längerem Verharren in der gegenwärtigen Politik vielleicht unwiederbringlich verloren wäre. Der Kampf um Schleswig-Holstein 1848-1850. 2. Wohl fanden inzwischen die Behörden und Stände von Schleswig-Holstein in den traurigen Erfahrungen der letzten Maiwoche einen erhöhten Antrieb, der eigenen Haltung des Landes politisch und militärisch eine größere Festigkeit zu verleihen. Unmittelbar nach dem Rückzüge Wrangels aus Jütland sprach eine Verkündigung der provisorischen Regierung den Grundsatz der allgemeinen Wehrpflicht aus. Die Stände, um die Mitte Juni sich versammelnd, beschlossen nicht blos ein Gesetz zur Ausführung dieser Verkündigung, sondern auch ein Wahlgesetz zur Einberufung einer allgemeinen Landesversainmlung, der die Berathung einer neuen Verfassung für die Herzogthümer obliegen sollte. In¬ dessen hatten alle Bemühungen, das Schleswig-holsteinische Heer auf einen stär¬ keren Fuß zu bringen, fortwährend mit den mannigfachsten Schwierigkeiten zu kämpfen, vor allem mit dem Mangel an geschulten Offizieren. Aus das Zu¬ strömen von Freiwilligen aus dem übrigen Deutschland aber konnten nur un¬ günstig die MißHelligkeiten einwirken, die zwischen den Führern des regelmäßigen Militärs und den Freischaaren bestanden. Daß die Ersteren auf die Dienste der Letzteren keinen allzugroßen Werth legten, war an sich eine in den Kriegen der Neuzeit nicht ungewöhnliche Erscheinung; hier aber wurde der Gegensatz

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/217>, abgerufen am 24.07.2024.