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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Für Schleswig-Holstein.

Die gegenwärtige Situation der Herzogtümer ist so abenteuerlich, daß
es den Deutschen schwer werden mag, die ganze erschreckende Zerfahrenheit der
deutschen Politik zu begreifen, für das Ausland ist diese Confusion völlig un¬
faßbar. Schleswig in den Händen der Dänen; Holstein bis auf den Grenzrand
von Rendsburg und Friedrichstadt in den Händen des Bundes; die Executions-
truppen und Commissäre desselben von Forderungen und Instructionen abhängig,
welche durch die Ereignisse der letzten Monate bereits längst überholt sind. Ferner
die Majorität des Bundes und der sächsische General und Bundescommissar
der Sache der Herzogthümer nicht abgeneigt, aber wieder preußische und
östreichische Heeresabtheilungen als Soutien der BundeSexecutionStruppen, Preu¬
ßen und Oestreicher, welche zwar vorläufig unter dem Bundesgcneral stehen,
aber doch zuletzt von Regierungen abhängen, welche der Sache der Herzog¬
thümer so feindlich als möglich sind.

Außerdem aber sind angekündigt und im Anmarsch andere preußische und
östreichische Corps, welche die Dänen in Schleswig angreifen sollen, um einige
Concessionen von der dänischen Regierung durchzusetzen und alsdann Schleswig
und Holstein an Dänemark zu übergeben und die deutsche Bewegung gründ¬
lichst zu unterdrücken.

Dazwischen steht ferner der Herzog von Schleswig-Holstein, in der Stille
bemüht, sein Volk um sich zu sammeln mit dem Entschluß, sein Land durchaus
nicht mehr zu verlassen, und die Bordereitungen für offene Besitzergreifung des
Landes treffend. Der Herzog aber ist wieder gezwungen den Bundescommissaren
die Regierung zu überlassen, weil die Majorität des Bundes ihm die Aussicht
auf Anerkennung seiner Rechte gewährt. Die Bundescommissare regieren zwar
vorläufig, sind aber wieder in Sorge, durch Schritte des Herzogs compromit-
tirt zu werden, und in der immerhin patriotischen noch größeren Sorge, von
den Preußen und Oestreichern beseitigt zu werden. Denn wenn die preußischen
und östreichischen Truppen in der That das Land besetzen und die Feindselig¬
keiten gegen Dänemark beginnen, dann soll Feldmarschall Wrangel den Ober¬
befehl übernehmen. Daher das Bestreben der Sachsen, das Einrücken der
Preußen und Oestreicher hinauszuschieben, daher das Zögern der Dänen in
Holstein selbst, welche einen Theil Rendsburgs und Friedrichstadt festhalten,
ohne daraus vertrieben zu werden.

Unterdeß auch in Frankfurt ein starkes Pochen. Werben und Jntriguiren
der preußischen und östreichischen Diplomatie, um die Majorität des Bundes
einzuschüchtern, zu sich herüberzuziehen und die Anerkennung des Herzogs zu
verhindern. Die Regierungen der Mittelstaaten in ihrer Majorität mehr oder


Für Schleswig-Holstein.

Die gegenwärtige Situation der Herzogtümer ist so abenteuerlich, daß
es den Deutschen schwer werden mag, die ganze erschreckende Zerfahrenheit der
deutschen Politik zu begreifen, für das Ausland ist diese Confusion völlig un¬
faßbar. Schleswig in den Händen der Dänen; Holstein bis auf den Grenzrand
von Rendsburg und Friedrichstadt in den Händen des Bundes; die Executions-
truppen und Commissäre desselben von Forderungen und Instructionen abhängig,
welche durch die Ereignisse der letzten Monate bereits längst überholt sind. Ferner
die Majorität des Bundes und der sächsische General und Bundescommissar
der Sache der Herzogthümer nicht abgeneigt, aber wieder preußische und
östreichische Heeresabtheilungen als Soutien der BundeSexecutionStruppen, Preu¬
ßen und Oestreicher, welche zwar vorläufig unter dem Bundesgcneral stehen,
aber doch zuletzt von Regierungen abhängen, welche der Sache der Herzog¬
thümer so feindlich als möglich sind.

Außerdem aber sind angekündigt und im Anmarsch andere preußische und
östreichische Corps, welche die Dänen in Schleswig angreifen sollen, um einige
Concessionen von der dänischen Regierung durchzusetzen und alsdann Schleswig
und Holstein an Dänemark zu übergeben und die deutsche Bewegung gründ¬
lichst zu unterdrücken.

Dazwischen steht ferner der Herzog von Schleswig-Holstein, in der Stille
bemüht, sein Volk um sich zu sammeln mit dem Entschluß, sein Land durchaus
nicht mehr zu verlassen, und die Bordereitungen für offene Besitzergreifung des
Landes treffend. Der Herzog aber ist wieder gezwungen den Bundescommissaren
die Regierung zu überlassen, weil die Majorität des Bundes ihm die Aussicht
auf Anerkennung seiner Rechte gewährt. Die Bundescommissare regieren zwar
vorläufig, sind aber wieder in Sorge, durch Schritte des Herzogs compromit-
tirt zu werden, und in der immerhin patriotischen noch größeren Sorge, von
den Preußen und Oestreichern beseitigt zu werden. Denn wenn die preußischen
und östreichischen Truppen in der That das Land besetzen und die Feindselig¬
keiten gegen Dänemark beginnen, dann soll Feldmarschall Wrangel den Ober¬
befehl übernehmen. Daher das Bestreben der Sachsen, das Einrücken der
Preußen und Oestreicher hinauszuschieben, daher das Zögern der Dänen in
Holstein selbst, welche einen Theil Rendsburgs und Friedrichstadt festhalten,
ohne daraus vertrieben zu werden.

Unterdeß auch in Frankfurt ein starkes Pochen. Werben und Jntriguiren
der preußischen und östreichischen Diplomatie, um die Majorität des Bundes
einzuschüchtern, zu sich herüberzuziehen und die Anerkennung des Herzogs zu
verhindern. Die Regierungen der Mittelstaaten in ihrer Majorität mehr oder


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[0126] Für Schleswig-Holstein. Die gegenwärtige Situation der Herzogtümer ist so abenteuerlich, daß es den Deutschen schwer werden mag, die ganze erschreckende Zerfahrenheit der deutschen Politik zu begreifen, für das Ausland ist diese Confusion völlig un¬ faßbar. Schleswig in den Händen der Dänen; Holstein bis auf den Grenzrand von Rendsburg und Friedrichstadt in den Händen des Bundes; die Executions- truppen und Commissäre desselben von Forderungen und Instructionen abhängig, welche durch die Ereignisse der letzten Monate bereits längst überholt sind. Ferner die Majorität des Bundes und der sächsische General und Bundescommissar der Sache der Herzogthümer nicht abgeneigt, aber wieder preußische und östreichische Heeresabtheilungen als Soutien der BundeSexecutionStruppen, Preu¬ ßen und Oestreicher, welche zwar vorläufig unter dem Bundesgcneral stehen, aber doch zuletzt von Regierungen abhängen, welche der Sache der Herzog¬ thümer so feindlich als möglich sind. Außerdem aber sind angekündigt und im Anmarsch andere preußische und östreichische Corps, welche die Dänen in Schleswig angreifen sollen, um einige Concessionen von der dänischen Regierung durchzusetzen und alsdann Schleswig und Holstein an Dänemark zu übergeben und die deutsche Bewegung gründ¬ lichst zu unterdrücken. Dazwischen steht ferner der Herzog von Schleswig-Holstein, in der Stille bemüht, sein Volk um sich zu sammeln mit dem Entschluß, sein Land durchaus nicht mehr zu verlassen, und die Bordereitungen für offene Besitzergreifung des Landes treffend. Der Herzog aber ist wieder gezwungen den Bundescommissaren die Regierung zu überlassen, weil die Majorität des Bundes ihm die Aussicht auf Anerkennung seiner Rechte gewährt. Die Bundescommissare regieren zwar vorläufig, sind aber wieder in Sorge, durch Schritte des Herzogs compromit- tirt zu werden, und in der immerhin patriotischen noch größeren Sorge, von den Preußen und Oestreichern beseitigt zu werden. Denn wenn die preußischen und östreichischen Truppen in der That das Land besetzen und die Feindselig¬ keiten gegen Dänemark beginnen, dann soll Feldmarschall Wrangel den Ober¬ befehl übernehmen. Daher das Bestreben der Sachsen, das Einrücken der Preußen und Oestreicher hinauszuschieben, daher das Zögern der Dänen in Holstein selbst, welche einen Theil Rendsburgs und Friedrichstadt festhalten, ohne daraus vertrieben zu werden. Unterdeß auch in Frankfurt ein starkes Pochen. Werben und Jntriguiren der preußischen und östreichischen Diplomatie, um die Majorität des Bundes einzuschüchtern, zu sich herüberzuziehen und die Anerkennung des Herzogs zu verhindern. Die Regierungen der Mittelstaaten in ihrer Majorität mehr oder

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/126>, abgerufen am 27.06.2024.