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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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Christian Friedrich Baron v. Stocknmr.

In dem Manne, welcher am 9. Juli zu Coburg sein leuchtendes Auge
für immer schloß, haben wir Deutsche einen weisen Staatsmann, einen
warmherzigen Patrioten und einen sehr guten Menschen verloren. Wenn in
den letzten Jahren ein deutscher Reisender durch die Straßen Coburgs schritt
und ein Bürger der Stadt achtungsvoll auf das Haus des Verstorbenen wies,
so klang der Name desselben vielleicht fremd in das Ohr des Landsmanns.
Daß dergleichen möglich war, erklärt sich allerdings zum Theil aus der eigen¬
thümlichen Stellung, welche Stockmar zu den Geschäften einnahm; es ist uns
aber auch eine ernste Erinnerung daran, wie wenig unser Volk bis in die
neueste Zeit an der großen Politik Europas Theil gehabt hat, und wie erbärm¬
lich das politische Leben der Deutschen dahinfloß, während der Geschiedene auf
die Bildung neuer Staaten und das Schicksal europäischer Dynastien be¬
stimmenden Einfluß ausübte.

Christian Friedrich Stockmar wu^>e zu Coburg am 22. August 1787 in
einer wohlhabenden und angesehenen bürgerlichen Familie geboren. Seine
Mutter war eine kluge Frau von Geist und guter Laune, der Vater — cobur-
gischer Justizamtmann und Rittergutsbesitzer — ein lebhafter heiterer Herr, der
sein gutes Theil an der Zeitbildung und eine Unabhängigkeit des Charakters
besaß, welche ihn unter Andern in Conflicte mit seiner Regierung setzte, damals
als die Willkürherrschaft des Ministers v. Kretschmann in die Gelder der öffent¬
lichen Stiftungen eingreifen wollte. In beiden Eltern war das Naturell
vorgebildet, welches sich in dem Sohn zu ausgezeichneter Bedeutung ent¬
faltete.

In solchem Haushalt, in einem stattlichen Bürgerhause des vorigen Jahr¬
hunderts, worin die aufstrebende Lebenskraft bereits mit Selbstgefühl und Be¬
hagen verbunden war, wuchs der Knabe' fröhlich herauf, ein Liebling, ein
glückliches Kind, von sprudelnder Lebhaftigkeit und kecker Laune. Als er noch
'ein kleiner Bursch war, brach die Zuversicht, mit der er kindisch in das Leben
schaute, nicht selten zur Belustigung der Familie heraus. Wenn er bei einem
Gespräch der Großen über das Geschirr des Tisches entschlossen dazwischen-


Grenzboten III. 186Z, . 21

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/169>, abgerufen am 30.12.2024.