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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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Griechische Zustände.

Reisen in Griechenland nebst einen, Ausflug nach Kreta van Bayard Taylor. Aus dem
Ennlischen van Marie Hansen-Taylor, Antorisirte Ausgabe. 1862, Leipzig, Voigt und Günther.

Ein liebenswürdiger, gebildeter und freisinnig denkender Tourist erzählt und
schildert hier seine Erlebnisse und Beobachtungen während eines viermonatlicher
Aufenthalts unter den heutigen Hellenen, während dessen er Theile von Attika, die
interessantesten Striche des Peloponnes, Euböa und verschiedene Gegenden der Nord-
districte bis an die thessalische Grenze sowie ein Stuck von Kreta besuchte, gute
Blicke in Sitte und Lebensweise des modernen Hellas zu thun Gelegenheit fand und
auch bei Hofe eingeführt wurde. Die Reise wurde im Jahre 1857 unternommen,
doch wird das Meiste, was über Land und Volk gesagt ist, noch jetzt zutreffen.

Wir haben vor vierthalb Jahren eine Reihe von Bildern aus Griechenland ge¬
bracht, und beschränken uns daher hier auf einige Auszüge aus den letzten Kapiteln
des Buchs, die das dort über Regierung und Verwaltung Gesagte durch sehr ver¬
ständige Bemerkungen ergänzen und als theilweise Erklärung der Unzufriedenheit
dienen mögen, welche in diesen Tagen zur Revolution führte.

"Thatsache ist, daß einige wenige Beispiele glänzenden Heldenmuthes einen trüge¬
rischen Glorienschein über die dunklen Züge des griechischen Unabhängigkeitskriegs
gebreitet haben, und daß die meisten derjenigen, die sich mit Ehrfurcht vor dem Na¬
men eines Marko Bozzaris beugen, nicht wissen, daß sein Oheim Nothi die Kriegs¬
vorräthe seiner eigenen Truppen stahl, um sie an die Türken zu verkaufen -- daß,
während Kanaris und Miaulis brav und unbestechlich waren, Kolokotroni sich die
Taschen füllte und aus seinen Leuten feige Memmen machte -- daß, während Ka-
raiskakis ehrenhaft handelte, andere die heiligsten Religionseide brachen und die Ge¬
fangnen mordeten, die sie zu schonen versprochen hatten," -- "Es ist der verderbte
Sauerteig des byzantinischen Kaisertums, welcher noch in dem Blute dieses gemisch¬
ten Volkes gährt," -- "Einige der alten Volkscharakterzüge find noch heutigen
Tages unter ihnen vorhanden: Eitelkeit, Liebe zum Disputiren, Geschwätzigkeit und
Freude an Pomp und Gepränge, Die Würdigung der Kunst, ist jedoch (man ver¬
gleiche unsern neulichen Artikel über Museen und Alterthümer in Griechenland) unter
ihnen gänzlich zu Grunde gegangen. Viele derselben werfen sich zu Bekennern de¬
mokratischer Grundsätze auf und freuen sich zur selbigen Zeit wie die Kinder über
da" bunte Gepränge, welches den Thron umgibt, S-e lieben den Gewinn leidenschaft¬
lich und haben doch eine große Abneigung gegen Handarbeit. Einer ihrer besten
Züge ist ihre Lernbegierde; leider aber hört diese auf, sobald sie im Stande sind,
eines der Staatsämter zu erlangen, Bestechlichkeit ist unter den Staatsbeamten in
Griechenland ebenso allgemein wie -- wie in den Vereinigten Staaten, nur daß
man in jenem Lande ihr nicht dieselben Mittel entgegensetzen kann. Der ehrliche
Theil der Gesellschaft ist nicht beträchtlich genug, um einen vornehmen Taschendieb
zu brandmarken, und indem eine Horde von Blutsaugern in der Militär-, Marinc-
und Civilverwaltung sich auf Unkosten des Volkes bereichert, ist die Hauptmasse der
Bevölkerung nicht besser daran, als die Unterthanen des Sultans, Die Ehrlichkeit
unter den griechischen Landbewohnern kommt derjenigen gi.ich, die man gewöhnlich
unter Leuten ihres Standes findet, und wenn man sieht, wie ihnen von oben herab
die allerabseheulichsten Bctrugskünste gelehrt werden, so weiß ich nicht, ob man es
ihnen nicht vielmehr zur Ehre anrechnen muß, daß sie nicht schlimmer find, als es
wirklich der Fall ist.

Die Besteuerung der Landwirthe zum Beispiel geschieht nicht durch eine Ab¬
schätzung ihres Besitzthums, sondern durch die Abgabe eines Zehnten der Landespro-
ducte. Es herrscht das abscheuliche türkische System, die Zehnten des ganzen Landes
an eine Horde von Speculanten zu verpachten, welche der Negierung eine bestimmte
Summe zahlen und dann das Geschäft sich so gut zu Nutze machen als sie können.


Griechische Zustände.

Reisen in Griechenland nebst einen, Ausflug nach Kreta van Bayard Taylor. Aus dem
Ennlischen van Marie Hansen-Taylor, Antorisirte Ausgabe. 1862, Leipzig, Voigt und Günther.

Ein liebenswürdiger, gebildeter und freisinnig denkender Tourist erzählt und
schildert hier seine Erlebnisse und Beobachtungen während eines viermonatlicher
Aufenthalts unter den heutigen Hellenen, während dessen er Theile von Attika, die
interessantesten Striche des Peloponnes, Euböa und verschiedene Gegenden der Nord-
districte bis an die thessalische Grenze sowie ein Stuck von Kreta besuchte, gute
Blicke in Sitte und Lebensweise des modernen Hellas zu thun Gelegenheit fand und
auch bei Hofe eingeführt wurde. Die Reise wurde im Jahre 1857 unternommen,
doch wird das Meiste, was über Land und Volk gesagt ist, noch jetzt zutreffen.

Wir haben vor vierthalb Jahren eine Reihe von Bildern aus Griechenland ge¬
bracht, und beschränken uns daher hier auf einige Auszüge aus den letzten Kapiteln
des Buchs, die das dort über Regierung und Verwaltung Gesagte durch sehr ver¬
ständige Bemerkungen ergänzen und als theilweise Erklärung der Unzufriedenheit
dienen mögen, welche in diesen Tagen zur Revolution führte.

„Thatsache ist, daß einige wenige Beispiele glänzenden Heldenmuthes einen trüge¬
rischen Glorienschein über die dunklen Züge des griechischen Unabhängigkeitskriegs
gebreitet haben, und daß die meisten derjenigen, die sich mit Ehrfurcht vor dem Na¬
men eines Marko Bozzaris beugen, nicht wissen, daß sein Oheim Nothi die Kriegs¬
vorräthe seiner eigenen Truppen stahl, um sie an die Türken zu verkaufen — daß,
während Kanaris und Miaulis brav und unbestechlich waren, Kolokotroni sich die
Taschen füllte und aus seinen Leuten feige Memmen machte — daß, während Ka-
raiskakis ehrenhaft handelte, andere die heiligsten Religionseide brachen und die Ge¬
fangnen mordeten, die sie zu schonen versprochen hatten," — „Es ist der verderbte
Sauerteig des byzantinischen Kaisertums, welcher noch in dem Blute dieses gemisch¬
ten Volkes gährt," — „Einige der alten Volkscharakterzüge find noch heutigen
Tages unter ihnen vorhanden: Eitelkeit, Liebe zum Disputiren, Geschwätzigkeit und
Freude an Pomp und Gepränge, Die Würdigung der Kunst, ist jedoch (man ver¬
gleiche unsern neulichen Artikel über Museen und Alterthümer in Griechenland) unter
ihnen gänzlich zu Grunde gegangen. Viele derselben werfen sich zu Bekennern de¬
mokratischer Grundsätze auf und freuen sich zur selbigen Zeit wie die Kinder über
da« bunte Gepränge, welches den Thron umgibt, S-e lieben den Gewinn leidenschaft¬
lich und haben doch eine große Abneigung gegen Handarbeit. Einer ihrer besten
Züge ist ihre Lernbegierde; leider aber hört diese auf, sobald sie im Stande sind,
eines der Staatsämter zu erlangen, Bestechlichkeit ist unter den Staatsbeamten in
Griechenland ebenso allgemein wie — wie in den Vereinigten Staaten, nur daß
man in jenem Lande ihr nicht dieselben Mittel entgegensetzen kann. Der ehrliche
Theil der Gesellschaft ist nicht beträchtlich genug, um einen vornehmen Taschendieb
zu brandmarken, und indem eine Horde von Blutsaugern in der Militär-, Marinc-
und Civilverwaltung sich auf Unkosten des Volkes bereichert, ist die Hauptmasse der
Bevölkerung nicht besser daran, als die Unterthanen des Sultans, Die Ehrlichkeit
unter den griechischen Landbewohnern kommt derjenigen gi.ich, die man gewöhnlich
unter Leuten ihres Standes findet, und wenn man sieht, wie ihnen von oben herab
die allerabseheulichsten Bctrugskünste gelehrt werden, so weiß ich nicht, ob man es
ihnen nicht vielmehr zur Ehre anrechnen muß, daß sie nicht schlimmer find, als es
wirklich der Fall ist.

Die Besteuerung der Landwirthe zum Beispiel geschieht nicht durch eine Ab¬
schätzung ihres Besitzthums, sondern durch die Abgabe eines Zehnten der Landespro-
ducte. Es herrscht das abscheuliche türkische System, die Zehnten des ganzen Landes
an eine Horde von Speculanten zu verpachten, welche der Negierung eine bestimmte
Summe zahlen und dann das Geschäft sich so gut zu Nutze machen als sie können.


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[0086] Griechische Zustände. Reisen in Griechenland nebst einen, Ausflug nach Kreta van Bayard Taylor. Aus dem Ennlischen van Marie Hansen-Taylor, Antorisirte Ausgabe. 1862, Leipzig, Voigt und Günther. Ein liebenswürdiger, gebildeter und freisinnig denkender Tourist erzählt und schildert hier seine Erlebnisse und Beobachtungen während eines viermonatlicher Aufenthalts unter den heutigen Hellenen, während dessen er Theile von Attika, die interessantesten Striche des Peloponnes, Euböa und verschiedene Gegenden der Nord- districte bis an die thessalische Grenze sowie ein Stuck von Kreta besuchte, gute Blicke in Sitte und Lebensweise des modernen Hellas zu thun Gelegenheit fand und auch bei Hofe eingeführt wurde. Die Reise wurde im Jahre 1857 unternommen, doch wird das Meiste, was über Land und Volk gesagt ist, noch jetzt zutreffen. Wir haben vor vierthalb Jahren eine Reihe von Bildern aus Griechenland ge¬ bracht, und beschränken uns daher hier auf einige Auszüge aus den letzten Kapiteln des Buchs, die das dort über Regierung und Verwaltung Gesagte durch sehr ver¬ ständige Bemerkungen ergänzen und als theilweise Erklärung der Unzufriedenheit dienen mögen, welche in diesen Tagen zur Revolution führte. „Thatsache ist, daß einige wenige Beispiele glänzenden Heldenmuthes einen trüge¬ rischen Glorienschein über die dunklen Züge des griechischen Unabhängigkeitskriegs gebreitet haben, und daß die meisten derjenigen, die sich mit Ehrfurcht vor dem Na¬ men eines Marko Bozzaris beugen, nicht wissen, daß sein Oheim Nothi die Kriegs¬ vorräthe seiner eigenen Truppen stahl, um sie an die Türken zu verkaufen — daß, während Kanaris und Miaulis brav und unbestechlich waren, Kolokotroni sich die Taschen füllte und aus seinen Leuten feige Memmen machte — daß, während Ka- raiskakis ehrenhaft handelte, andere die heiligsten Religionseide brachen und die Ge¬ fangnen mordeten, die sie zu schonen versprochen hatten," — „Es ist der verderbte Sauerteig des byzantinischen Kaisertums, welcher noch in dem Blute dieses gemisch¬ ten Volkes gährt," — „Einige der alten Volkscharakterzüge find noch heutigen Tages unter ihnen vorhanden: Eitelkeit, Liebe zum Disputiren, Geschwätzigkeit und Freude an Pomp und Gepränge, Die Würdigung der Kunst, ist jedoch (man ver¬ gleiche unsern neulichen Artikel über Museen und Alterthümer in Griechenland) unter ihnen gänzlich zu Grunde gegangen. Viele derselben werfen sich zu Bekennern de¬ mokratischer Grundsätze auf und freuen sich zur selbigen Zeit wie die Kinder über da« bunte Gepränge, welches den Thron umgibt, S-e lieben den Gewinn leidenschaft¬ lich und haben doch eine große Abneigung gegen Handarbeit. Einer ihrer besten Züge ist ihre Lernbegierde; leider aber hört diese auf, sobald sie im Stande sind, eines der Staatsämter zu erlangen, Bestechlichkeit ist unter den Staatsbeamten in Griechenland ebenso allgemein wie — wie in den Vereinigten Staaten, nur daß man in jenem Lande ihr nicht dieselben Mittel entgegensetzen kann. Der ehrliche Theil der Gesellschaft ist nicht beträchtlich genug, um einen vornehmen Taschendieb zu brandmarken, und indem eine Horde von Blutsaugern in der Militär-, Marinc- und Civilverwaltung sich auf Unkosten des Volkes bereichert, ist die Hauptmasse der Bevölkerung nicht besser daran, als die Unterthanen des Sultans, Die Ehrlichkeit unter den griechischen Landbewohnern kommt derjenigen gi.ich, die man gewöhnlich unter Leuten ihres Standes findet, und wenn man sieht, wie ihnen von oben herab die allerabseheulichsten Bctrugskünste gelehrt werden, so weiß ich nicht, ob man es ihnen nicht vielmehr zur Ehre anrechnen muß, daß sie nicht schlimmer find, als es wirklich der Fall ist. Die Besteuerung der Landwirthe zum Beispiel geschieht nicht durch eine Ab¬ schätzung ihres Besitzthums, sondern durch die Abgabe eines Zehnten der Landespro- ducte. Es herrscht das abscheuliche türkische System, die Zehnten des ganzen Landes an eine Horde von Speculanten zu verpachten, welche der Negierung eine bestimmte Summe zahlen und dann das Geschäft sich so gut zu Nutze machen als sie können.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/86>, abgerufen am 05.01.2025.