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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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zeuge. Ricasoli, die Loyalität selber, übergibt, da ihm der Weg der offenen
Unterhandlung mit Rom versperrt ist. der französischen Diplomatie seinen Ver¬
gleichsentwurf zur Uebermittlung nach Rom. und da er von Frankreich zurück¬
gewiesen wird, wendet er sich sofort an die Oeffentlichkeit, um sich vor der
öffentlichen Meinung zu rechtfertigen. Er steht an Reinheit des Charakters
ebenso hoch über Cavour. als dieser ihm an diplomatischem Geschick und Un-
erschöpflichkeit der Auskunftsmittel überlegen war.

Eine andere Frage ist, ob ein glücklicher Ausgang jener Verhandlungen
wirklich ein Glück für Italien gewesen wäre. Man wird bemerkt haben, daß
zu den Vorschlägen Cavours Cardinal Antonelli mehrere Bedingungen von
nicht geringer Tragweite hinzugefügt hatte, wie z. B. die Beibehaltung der
Nuntien und die vollständige Freiheit des italienischen Episkopats in geist¬
lichen Angelegenheiten. In den Vorschlägen Ricasoli's waren die Concessionen
noch mehr gesteigert und dem Papst ist das freie Ernennungsrecht der Bischöfe
zugestanden. Es wären dies schwerlich die richtigen Grundlagen gewesen, um
in Italien einen dauernden Frieden zwischen Kirche und Staat herbeizuführen,
und im Interesse einer späteren, reineren Lösung der ganzen Frage ist es sicher
als ein Gewinn anzuschlagen, daß die römische Curie, als wäre nichts geschehen,
zu ihrem System des non xossumus zurückgekehrt ist, was von ihrer Seite we¬
nig Witz erfordert, dem Staat aber die Möglichkeit offen läßt, künftig auf ent¬
sprechenderen, allgemein recipirten Grundlagen das Verhältniß beider Gewalten
zu ordnen. Inzwischen ist es immerhin ein moralischer Triumph der Sache
Italiens, daß^der h. Stuhl, nachdem er wiederholt mit höchstem Nachdruck jeden
Gedanken an eine Transaction von sich gewiesen hat, sich jetzt auf diesen
Schleichwegen ertappen läßt. Dem römischen Hof ist damit eine seiner stärksten
Waffen, sein wirksamstes Prestige entrissen, und man wird die Aufrechthaltung der
weltlichen Herrschaft des Papstthums nicht'mehr für eine Forderung der Reli¬
gion erklären können, nachdem Cardinal Antonelli selbst sie als eine Frage der
W. L. Politik und der Opportunist behandelt hat.




Die Leibeigene" und Sklaven der Griechen und Römer.
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Die Ansichten der Römer über die Rechtmäßigreit der Sklaverei" waren
nur insoweit von denen der Griechen abweichend, als man bei ihnen die Natur-
Widrigkeit des Verhältnisses eigentlich nicht leugnete. So lautet die in die


zeuge. Ricasoli, die Loyalität selber, übergibt, da ihm der Weg der offenen
Unterhandlung mit Rom versperrt ist. der französischen Diplomatie seinen Ver¬
gleichsentwurf zur Uebermittlung nach Rom. und da er von Frankreich zurück¬
gewiesen wird, wendet er sich sofort an die Oeffentlichkeit, um sich vor der
öffentlichen Meinung zu rechtfertigen. Er steht an Reinheit des Charakters
ebenso hoch über Cavour. als dieser ihm an diplomatischem Geschick und Un-
erschöpflichkeit der Auskunftsmittel überlegen war.

Eine andere Frage ist, ob ein glücklicher Ausgang jener Verhandlungen
wirklich ein Glück für Italien gewesen wäre. Man wird bemerkt haben, daß
zu den Vorschlägen Cavours Cardinal Antonelli mehrere Bedingungen von
nicht geringer Tragweite hinzugefügt hatte, wie z. B. die Beibehaltung der
Nuntien und die vollständige Freiheit des italienischen Episkopats in geist¬
lichen Angelegenheiten. In den Vorschlägen Ricasoli's waren die Concessionen
noch mehr gesteigert und dem Papst ist das freie Ernennungsrecht der Bischöfe
zugestanden. Es wären dies schwerlich die richtigen Grundlagen gewesen, um
in Italien einen dauernden Frieden zwischen Kirche und Staat herbeizuführen,
und im Interesse einer späteren, reineren Lösung der ganzen Frage ist es sicher
als ein Gewinn anzuschlagen, daß die römische Curie, als wäre nichts geschehen,
zu ihrem System des non xossumus zurückgekehrt ist, was von ihrer Seite we¬
nig Witz erfordert, dem Staat aber die Möglichkeit offen läßt, künftig auf ent¬
sprechenderen, allgemein recipirten Grundlagen das Verhältniß beider Gewalten
zu ordnen. Inzwischen ist es immerhin ein moralischer Triumph der Sache
Italiens, daß^der h. Stuhl, nachdem er wiederholt mit höchstem Nachdruck jeden
Gedanken an eine Transaction von sich gewiesen hat, sich jetzt auf diesen
Schleichwegen ertappen läßt. Dem römischen Hof ist damit eine seiner stärksten
Waffen, sein wirksamstes Prestige entrissen, und man wird die Aufrechthaltung der
weltlichen Herrschaft des Papstthums nicht'mehr für eine Forderung der Reli¬
gion erklären können, nachdem Cardinal Antonelli selbst sie als eine Frage der
W. L. Politik und der Opportunist behandelt hat.




Die Leibeigene» und Sklaven der Griechen und Römer.
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Die Ansichten der Römer über die Rechtmäßigreit der Sklaverei« waren
nur insoweit von denen der Griechen abweichend, als man bei ihnen die Natur-
Widrigkeit des Verhältnisses eigentlich nicht leugnete. So lautet die in die


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[0059] zeuge. Ricasoli, die Loyalität selber, übergibt, da ihm der Weg der offenen Unterhandlung mit Rom versperrt ist. der französischen Diplomatie seinen Ver¬ gleichsentwurf zur Uebermittlung nach Rom. und da er von Frankreich zurück¬ gewiesen wird, wendet er sich sofort an die Oeffentlichkeit, um sich vor der öffentlichen Meinung zu rechtfertigen. Er steht an Reinheit des Charakters ebenso hoch über Cavour. als dieser ihm an diplomatischem Geschick und Un- erschöpflichkeit der Auskunftsmittel überlegen war. Eine andere Frage ist, ob ein glücklicher Ausgang jener Verhandlungen wirklich ein Glück für Italien gewesen wäre. Man wird bemerkt haben, daß zu den Vorschlägen Cavours Cardinal Antonelli mehrere Bedingungen von nicht geringer Tragweite hinzugefügt hatte, wie z. B. die Beibehaltung der Nuntien und die vollständige Freiheit des italienischen Episkopats in geist¬ lichen Angelegenheiten. In den Vorschlägen Ricasoli's waren die Concessionen noch mehr gesteigert und dem Papst ist das freie Ernennungsrecht der Bischöfe zugestanden. Es wären dies schwerlich die richtigen Grundlagen gewesen, um in Italien einen dauernden Frieden zwischen Kirche und Staat herbeizuführen, und im Interesse einer späteren, reineren Lösung der ganzen Frage ist es sicher als ein Gewinn anzuschlagen, daß die römische Curie, als wäre nichts geschehen, zu ihrem System des non xossumus zurückgekehrt ist, was von ihrer Seite we¬ nig Witz erfordert, dem Staat aber die Möglichkeit offen läßt, künftig auf ent¬ sprechenderen, allgemein recipirten Grundlagen das Verhältniß beider Gewalten zu ordnen. Inzwischen ist es immerhin ein moralischer Triumph der Sache Italiens, daß^der h. Stuhl, nachdem er wiederholt mit höchstem Nachdruck jeden Gedanken an eine Transaction von sich gewiesen hat, sich jetzt auf diesen Schleichwegen ertappen läßt. Dem römischen Hof ist damit eine seiner stärksten Waffen, sein wirksamstes Prestige entrissen, und man wird die Aufrechthaltung der weltlichen Herrschaft des Papstthums nicht'mehr für eine Forderung der Reli¬ gion erklären können, nachdem Cardinal Antonelli selbst sie als eine Frage der W. L. Politik und der Opportunist behandelt hat. Die Leibeigene» und Sklaven der Griechen und Römer. n^uft^^^..^^ .M's' n»Ä^l^^ Die Ansichten der Römer über die Rechtmäßigreit der Sklaverei« waren nur insoweit von denen der Griechen abweichend, als man bei ihnen die Natur- Widrigkeit des Verhältnisses eigentlich nicht leugnete. So lautet die in die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/59>, abgerufen am 05.01.2025.