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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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Digesten aufgenommene Definition, welche von dem zur Zeit des Kaisers Alexan¬
der Severus lebenden Rechtsgelehrten Florentinus herrührt: "Sklaverei ist eine
völkerrechtliche Bestimmung, durch welche Jemand gegen die Natur einer frem¬
den Gewalt unterworfen wird." Der Jurist Theophilos setzte hinzu: "Die
Natur hat Alle frei geschaffen, und die Sklaverei ist eine Erfindung des Kriegs."
Auch über die Aristotelische Annahme einer zweifachen Bestimmung des mensch¬
lichen Geschlechts dachte man freier, und der Philosoph Seneca sagt dagegen,
"Wenn man glaubt, daß die Sklaverei den ganzen Menschen umfasse, so irrt
man; der bessere Theil desselben ist ausgenommen. Die Leiber find den Herren
unterthänig und verschrieben; der Geist ist frei und ungebunden, daß er nicht
einmal von dem ihn umschließenden Gefängniß zurückgehalten werden kann
Ungeheures zu vollführen und sich zum Begleiter der Himmlischen emporzu¬
schwingen." Dessenungeachtet ist auch der freisinnige Seneca weit davon
entfernt an der Nothwendigkeit der Sklaverei zu zweifeln. Das Festhalten des
Römers am abstracten Rechte ließ ihn überhaupt zu keinem Scrupel hierüber
kommen, und der harte und rauhe Guß seiner eigenwilligen Natur brachte den
Unterworfenen eine gemessenere und mürrischere Behandlung als in Hellas.

, Was den Ursprung der Sklaverei bei den Römern betrifft, so haben die¬
selben sie gewiß mit Recht von der Kriegsgefangenschaft hergeleitet, durch die
der Feind selbst, wie jede andere erbeutete Sache in den Besitz des Siegers
kam. Gewöhnlich wurden nun aber die Gefangenen von der übrigen Beute,
die dem Heere anheim fiel, gesondert und für Rechnung des Staatsschatzes ver¬
kauft. Es wird dies sehr oft erwähnt (von Livius bereits aus dem Jahre
500 v. Chr.)> und bei der Versteigerung im Lager trugen die Gefangenen einen
Kranz auf dem Haupte, zum Zeichen, daß der Staat für ihre etwaigen Fehler
nicht hafte. Nur zuweilen geschah es, daß den Soldaten ein Theil der Kriegs¬
gefangenen als Belohnung zuertheilt wurde, z. B. im Jahre 423, wo nach
Eroberung der Stadt Fidcnä jeder Reiter einen Sklaven, die Tapfersten aber
je zwei sich erlvvsten. Wie in Griechenland gab es auch in Rom gewisse Fälle,
in denen der freigeborne Römer in die Sklaverei gerieth. Wer sich der all¬
gemeinen Schätzung entzog, um der Besteuerung und dem Kriegsdienst zu ent¬
gehen, wer sich bei der Recrutirung nicht stellte oder im Felde die Fahne ver¬
ließ, wer sich in betrügerischer Absicht als Sklave verkaufen ließ, um Antheil
am Gewinne zu haben, wurde vom Staate in die Sklaverei verkauft. Später
setzte auch der Kaiser Claudius fest "daß jede Freie, die mit einem fremden
Sklaven wider Willen seines Herrn lebte, mit ihrem ganzen Vermögen dem¬
selben Herrn angehören sollte. Dagegen erfolgte in zwei andern Fällen wohl
der Verlust der Freiheit, adel! nicht eigentliche Sklaverei, dn der Betroffene
nicht alle Rechtsfähigkeit verlor. Der Vater konnte vermöge seiner hauSherr-
lichcn Gewalt den eigenen Sohn verkaufen, und noch die Zwölfte>felgesetze be-


Digesten aufgenommene Definition, welche von dem zur Zeit des Kaisers Alexan¬
der Severus lebenden Rechtsgelehrten Florentinus herrührt: „Sklaverei ist eine
völkerrechtliche Bestimmung, durch welche Jemand gegen die Natur einer frem¬
den Gewalt unterworfen wird." Der Jurist Theophilos setzte hinzu: „Die
Natur hat Alle frei geschaffen, und die Sklaverei ist eine Erfindung des Kriegs."
Auch über die Aristotelische Annahme einer zweifachen Bestimmung des mensch¬
lichen Geschlechts dachte man freier, und der Philosoph Seneca sagt dagegen,
„Wenn man glaubt, daß die Sklaverei den ganzen Menschen umfasse, so irrt
man; der bessere Theil desselben ist ausgenommen. Die Leiber find den Herren
unterthänig und verschrieben; der Geist ist frei und ungebunden, daß er nicht
einmal von dem ihn umschließenden Gefängniß zurückgehalten werden kann
Ungeheures zu vollführen und sich zum Begleiter der Himmlischen emporzu¬
schwingen." Dessenungeachtet ist auch der freisinnige Seneca weit davon
entfernt an der Nothwendigkeit der Sklaverei zu zweifeln. Das Festhalten des
Römers am abstracten Rechte ließ ihn überhaupt zu keinem Scrupel hierüber
kommen, und der harte und rauhe Guß seiner eigenwilligen Natur brachte den
Unterworfenen eine gemessenere und mürrischere Behandlung als in Hellas.

, Was den Ursprung der Sklaverei bei den Römern betrifft, so haben die¬
selben sie gewiß mit Recht von der Kriegsgefangenschaft hergeleitet, durch die
der Feind selbst, wie jede andere erbeutete Sache in den Besitz des Siegers
kam. Gewöhnlich wurden nun aber die Gefangenen von der übrigen Beute,
die dem Heere anheim fiel, gesondert und für Rechnung des Staatsschatzes ver¬
kauft. Es wird dies sehr oft erwähnt (von Livius bereits aus dem Jahre
500 v. Chr.)> und bei der Versteigerung im Lager trugen die Gefangenen einen
Kranz auf dem Haupte, zum Zeichen, daß der Staat für ihre etwaigen Fehler
nicht hafte. Nur zuweilen geschah es, daß den Soldaten ein Theil der Kriegs¬
gefangenen als Belohnung zuertheilt wurde, z. B. im Jahre 423, wo nach
Eroberung der Stadt Fidcnä jeder Reiter einen Sklaven, die Tapfersten aber
je zwei sich erlvvsten. Wie in Griechenland gab es auch in Rom gewisse Fälle,
in denen der freigeborne Römer in die Sklaverei gerieth. Wer sich der all¬
gemeinen Schätzung entzog, um der Besteuerung und dem Kriegsdienst zu ent¬
gehen, wer sich bei der Recrutirung nicht stellte oder im Felde die Fahne ver¬
ließ, wer sich in betrügerischer Absicht als Sklave verkaufen ließ, um Antheil
am Gewinne zu haben, wurde vom Staate in die Sklaverei verkauft. Später
setzte auch der Kaiser Claudius fest „daß jede Freie, die mit einem fremden
Sklaven wider Willen seines Herrn lebte, mit ihrem ganzen Vermögen dem¬
selben Herrn angehören sollte. Dagegen erfolgte in zwei andern Fällen wohl
der Verlust der Freiheit, adel! nicht eigentliche Sklaverei, dn der Betroffene
nicht alle Rechtsfähigkeit verlor. Der Vater konnte vermöge seiner hauSherr-
lichcn Gewalt den eigenen Sohn verkaufen, und noch die Zwölfte>felgesetze be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/60>, abgerufen am 06.01.2025.