Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.Die Enthüllungen Don Zsnins. Es kann kaum überraschen, zu erfahren, daß das stolze non possumus der Grenjbotm II. 1862. 6
Die Enthüllungen Don Zsnins. Es kann kaum überraschen, zu erfahren, daß das stolze non possumus der Grenjbotm II. 1862. 6
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0049" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113829"/> </div> <div n="1"> <head> Die Enthüllungen Don Zsnins.</head><lb/> <p xml:id="ID_105"> Es kann kaum überraschen, zu erfahren, daß das stolze non possumus der<lb/> römischen Curie, welches sie noch kürzlich dem Andrängen des Marquis von<lb/> Lavalette entgegensetzte, keineswegs mehr der unverletzten Jungfräulichkeit sich erfreut,<lb/> welche bei den Bewunderern der römischen Hartnäckigkeit so tiefe Verehrung ge¬<lb/> nießt. Zu allen Zeiten hat es Rom verstanden, sich nicht blos mit den Kin¬<lb/> dern dieser Welt, sondern auch mit den Ideen dieser Welt zu vertragen, sobald<lb/> diese Fügsamkeit mehr Vortheil für die eigenen Interessen versprach als zäher<lb/> Widerstand. Und wenn auch der Vertrag von Tolentino, in welchem Pius<lb/> der Sechste genöthigt war, auf den Besitz von Avignon und Venaissin, auf<lb/> Bologna, Ferrara und die Romagna zu verzichten, nicht gerade als ein Beispiel<lb/> freiwilliger Verzichtleistung angeführt werden kann, so hat doch der gegenwär¬<lb/> tige Papst selbst in den ersten Jahren seiner Regierung sich zu solchen Conces¬<lb/> sionen an die Ideen der Zeit und an die Forderungen des italienischen Volkes<lb/> verstanden, welche in der That das Aufgeben wesentlicher, durch die Tradition<lb/> überkommener Souverainetätsrechte bedeuteten. Principiell hatte der Papst schon<lb/> damals ganz den Weg beschütten, der ihm jetzt zugemuthet wird, schon damals<lb/> war die römische Frage in ein Stadium eingetreten, in welchem sie nicht vom<lb/> Standpunkt eines religiösen Dogmas, sondern vom Standpunkt der Politik<lb/> aufgefaßt und behandelt wurde. Auch für die Zukunft wird sich zuverlässig<lb/> annehmen lassen, daß trotz des emphatischen iron xossumus, trotz der wieder¬<lb/> holten Versicherung, „keine Transaction mit Räubern" einzugehen, die Curie<lb/> keineswegs Bedenken tragen wird, sich gutwillig mit dem Königreich Italien<lb/> abzufinden, sobald sie davon mit Sicherheit eine Förderung ihrer Interessen er¬<lb/> warten, oder wenigstens ein schlimmeres Schicksal damit abzuwenden hoffen kann.<lb/> Daß dann Sr. Eminenz dem Cardinal-Staatssecretär Antonelli die Betretung<lb/> dieses Wegs nicht mehr ganz neu sein wird, dasür liegen heute die Beweise vor<lb/> in den Documenten, welche kürzlich zu Turin über Verhandlungen, die zwischen<lb/> Cavour und Antonelli im Anfang des Jahres 1861 geführt wurden, veröffent¬<lb/> licht worden sind.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenjbotm II. 1862. 6</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0049]
Die Enthüllungen Don Zsnins.
Es kann kaum überraschen, zu erfahren, daß das stolze non possumus der
römischen Curie, welches sie noch kürzlich dem Andrängen des Marquis von
Lavalette entgegensetzte, keineswegs mehr der unverletzten Jungfräulichkeit sich erfreut,
welche bei den Bewunderern der römischen Hartnäckigkeit so tiefe Verehrung ge¬
nießt. Zu allen Zeiten hat es Rom verstanden, sich nicht blos mit den Kin¬
dern dieser Welt, sondern auch mit den Ideen dieser Welt zu vertragen, sobald
diese Fügsamkeit mehr Vortheil für die eigenen Interessen versprach als zäher
Widerstand. Und wenn auch der Vertrag von Tolentino, in welchem Pius
der Sechste genöthigt war, auf den Besitz von Avignon und Venaissin, auf
Bologna, Ferrara und die Romagna zu verzichten, nicht gerade als ein Beispiel
freiwilliger Verzichtleistung angeführt werden kann, so hat doch der gegenwär¬
tige Papst selbst in den ersten Jahren seiner Regierung sich zu solchen Conces¬
sionen an die Ideen der Zeit und an die Forderungen des italienischen Volkes
verstanden, welche in der That das Aufgeben wesentlicher, durch die Tradition
überkommener Souverainetätsrechte bedeuteten. Principiell hatte der Papst schon
damals ganz den Weg beschütten, der ihm jetzt zugemuthet wird, schon damals
war die römische Frage in ein Stadium eingetreten, in welchem sie nicht vom
Standpunkt eines religiösen Dogmas, sondern vom Standpunkt der Politik
aufgefaßt und behandelt wurde. Auch für die Zukunft wird sich zuverlässig
annehmen lassen, daß trotz des emphatischen iron xossumus, trotz der wieder¬
holten Versicherung, „keine Transaction mit Räubern" einzugehen, die Curie
keineswegs Bedenken tragen wird, sich gutwillig mit dem Königreich Italien
abzufinden, sobald sie davon mit Sicherheit eine Förderung ihrer Interessen er¬
warten, oder wenigstens ein schlimmeres Schicksal damit abzuwenden hoffen kann.
Daß dann Sr. Eminenz dem Cardinal-Staatssecretär Antonelli die Betretung
dieses Wegs nicht mehr ganz neu sein wird, dasür liegen heute die Beweise vor
in den Documenten, welche kürzlich zu Turin über Verhandlungen, die zwischen
Cavour und Antonelli im Anfang des Jahres 1861 geführt wurden, veröffent¬
licht worden sind.
Grenjbotm II. 1862. 6
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |