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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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Depots zurückgelassen. In Ungarn wendete sich gleich beim Beginne der Erregung die
Wuth des Volkes gegen die Polizei. Kein Soldat, kein Gendarm, kein Beam¬
ter hatte solche Unbilden zu ertrage"; ein Beweis, wie verhaßt dieses Institut
gewesen war. Und als die Cvmitats- und Stadtbehörden restituirt wurden,
beeilte man sich vor allem Andern, das alte Pandurcnwesen in vollem Umfange
herzustellen und dadurch die kaiserliche Militärpolizci entbehrlich zu machen.
Klugerweise hat die Negierung auch jetzt, wo der Belagerungszustand factisch,
wenn auch nicht nominell, über Ungarn verhängt ist, in dieser Hinsicht Alles
ungecindert gelassen. Aehnliche Erscheinungen erlebte man in den ungarischen
Nebenländern. Auch dort wurde die Militärpolizei die Zielscheibe des Spottes
und Hasses der Bewohner und machte schließlich nationalen Pvlizeiorganen
Platz. Nur in Wien, in den Hauptstädten der deutschen Provinzen und in
Italien blieb die Militärpolizci in Thätigkeit, wiewohl sie auch da, der öffent¬
lichen Meinung nachgebend, sich zu einem bescheidneren Auftreten bequemte,
wie es z. B. bei den Katzenmusiken im vorigen Jahre in Wien und bei einigen
andern Anlässen in den Provinzen ersichtlich war.

Ob aber diese Besserung eine bleibende sein, und nicht etwa mit dem ersten
Ministerwcchsel wieder verschwinden werde, kann eben nur die Zukunft lehren!


^, v. ,


Bilder nus der russischen Gesellschaft.
^2/ ., . ^
Schriftsteller und Journale.

Einen Journalismus, wie er in England, Frankreich und seit einigen Jahr¬
zehnten auch in Deutschland existirt, gibt es in Nußland -- schon der bis auf
Kaiser Alexander den Zweiten sehr streng gehandhabten Censur wegen -- nicht.
Die Tagesblätter, unter denen das Journal de Se. Petersburg, die Nordische
Biene, der Russische Invalide und die Moskaner Zeitung vom Ausland allein
einize Beachtung erfahren, bringen nur gelegentlich Leitartikel und Korrespon¬
denzen von Interesse, und keines von ihnen läßt sich einer wohlredigirten eng¬
lischen oder deutschen Zeitung an die Seite stellen. Die Stärke von dem. was
man in Rußland als Journalismus bezeichnen kann, liegt in den Magazinen,


Grenzboten II. 1L62. 43

Depots zurückgelassen. In Ungarn wendete sich gleich beim Beginne der Erregung die
Wuth des Volkes gegen die Polizei. Kein Soldat, kein Gendarm, kein Beam¬
ter hatte solche Unbilden zu ertrage»; ein Beweis, wie verhaßt dieses Institut
gewesen war. Und als die Cvmitats- und Stadtbehörden restituirt wurden,
beeilte man sich vor allem Andern, das alte Pandurcnwesen in vollem Umfange
herzustellen und dadurch die kaiserliche Militärpolizci entbehrlich zu machen.
Klugerweise hat die Negierung auch jetzt, wo der Belagerungszustand factisch,
wenn auch nicht nominell, über Ungarn verhängt ist, in dieser Hinsicht Alles
ungecindert gelassen. Aehnliche Erscheinungen erlebte man in den ungarischen
Nebenländern. Auch dort wurde die Militärpolizei die Zielscheibe des Spottes
und Hasses der Bewohner und machte schließlich nationalen Pvlizeiorganen
Platz. Nur in Wien, in den Hauptstädten der deutschen Provinzen und in
Italien blieb die Militärpolizci in Thätigkeit, wiewohl sie auch da, der öffent¬
lichen Meinung nachgebend, sich zu einem bescheidneren Auftreten bequemte,
wie es z. B. bei den Katzenmusiken im vorigen Jahre in Wien und bei einigen
andern Anlässen in den Provinzen ersichtlich war.

Ob aber diese Besserung eine bleibende sein, und nicht etwa mit dem ersten
Ministerwcchsel wieder verschwinden werde, kann eben nur die Zukunft lehren!


^, v. ,


Bilder nus der russischen Gesellschaft.
^2/ ., . ^
Schriftsteller und Journale.

Einen Journalismus, wie er in England, Frankreich und seit einigen Jahr¬
zehnten auch in Deutschland existirt, gibt es in Nußland — schon der bis auf
Kaiser Alexander den Zweiten sehr streng gehandhabten Censur wegen — nicht.
Die Tagesblätter, unter denen das Journal de Se. Petersburg, die Nordische
Biene, der Russische Invalide und die Moskaner Zeitung vom Ausland allein
einize Beachtung erfahren, bringen nur gelegentlich Leitartikel und Korrespon¬
denzen von Interesse, und keines von ihnen läßt sich einer wohlredigirten eng¬
lischen oder deutschen Zeitung an die Seite stellen. Die Stärke von dem. was
man in Rußland als Journalismus bezeichnen kann, liegt in den Magazinen,


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[0345] Depots zurückgelassen. In Ungarn wendete sich gleich beim Beginne der Erregung die Wuth des Volkes gegen die Polizei. Kein Soldat, kein Gendarm, kein Beam¬ ter hatte solche Unbilden zu ertrage»; ein Beweis, wie verhaßt dieses Institut gewesen war. Und als die Cvmitats- und Stadtbehörden restituirt wurden, beeilte man sich vor allem Andern, das alte Pandurcnwesen in vollem Umfange herzustellen und dadurch die kaiserliche Militärpolizci entbehrlich zu machen. Klugerweise hat die Negierung auch jetzt, wo der Belagerungszustand factisch, wenn auch nicht nominell, über Ungarn verhängt ist, in dieser Hinsicht Alles ungecindert gelassen. Aehnliche Erscheinungen erlebte man in den ungarischen Nebenländern. Auch dort wurde die Militärpolizei die Zielscheibe des Spottes und Hasses der Bewohner und machte schließlich nationalen Pvlizeiorganen Platz. Nur in Wien, in den Hauptstädten der deutschen Provinzen und in Italien blieb die Militärpolizci in Thätigkeit, wiewohl sie auch da, der öffent¬ lichen Meinung nachgebend, sich zu einem bescheidneren Auftreten bequemte, wie es z. B. bei den Katzenmusiken im vorigen Jahre in Wien und bei einigen andern Anlässen in den Provinzen ersichtlich war. Ob aber diese Besserung eine bleibende sein, und nicht etwa mit dem ersten Ministerwcchsel wieder verschwinden werde, kann eben nur die Zukunft lehren! ^, v. , Bilder nus der russischen Gesellschaft. ^2/ ., . ^ Schriftsteller und Journale. Einen Journalismus, wie er in England, Frankreich und seit einigen Jahr¬ zehnten auch in Deutschland existirt, gibt es in Nußland — schon der bis auf Kaiser Alexander den Zweiten sehr streng gehandhabten Censur wegen — nicht. Die Tagesblätter, unter denen das Journal de Se. Petersburg, die Nordische Biene, der Russische Invalide und die Moskaner Zeitung vom Ausland allein einize Beachtung erfahren, bringen nur gelegentlich Leitartikel und Korrespon¬ denzen von Interesse, und keines von ihnen läßt sich einer wohlredigirten eng¬ lischen oder deutschen Zeitung an die Seite stellen. Die Stärke von dem. was man in Rußland als Journalismus bezeichnen kann, liegt in den Magazinen, Grenzboten II. 1L62. 43

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/345>, abgerufen am 05.01.2025.