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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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zeuge mit der beschriebenen vorhandenen Mannschaft zu Handthieren. Es wurde
also Ordre ertheilt, eine gewisse Anzahl Handelsmatrosen zu miethen und auf
den Fahrzeugen zu vertheilen. Aber was nützte dies? Kein wahrhaft brauch¬
barer Seemann ließ sich anwerben, und V-° der Angeworbenen bildeten so zu sagen
den Abschaum, der auf Handelsfahrzeugen gar nicht mehr angenommen wird. Es
entstand auch in der Flotte eine solche Entrüstung darüber, mit derartigen Leu¬
ten zusammen zu dienen, daß man trotz der Disciplin oft den Ausspruch hörte:
Es ist eine Schande, daß die Flotte solche Subjecte annimmt. Uebrigens waren
viele dieser Leute gar nicht Matrosen, sondern in ihrem Beruf verkommne Per¬
sonen, wie Kellner, Billardmarqueure, Schuster, Schneider :c.

Es wird jedenfalls schwer werden, den Widerwillen der Handelsmatrosen
gegen die Kriegsflotte zu brecken, vielleicht eben so schwer als die Bekehrung
der Herren von der alten Schule zu dem zeitgemäßeren System. Unter allen
Umständen wird beides viel Zeit erfordern; bis zur durchgeführten Reorganisa¬
tion hat aber die schwedische Kriegsflotte einen sehr zweifelhaften Werth.




Bilder aus der russischen Gesellschaft.
i.
Kaufleute. -- Fabriken. -- Fremde.

In einem frühern Aufsatz d. Bl. (Ur. 10. d. Jahrg.) wurde darauf auf¬
merksam gemacht, wie wenig verläßlich die meisten der Touristen sind, aus de-,
ren Berichten das Publicum seine Kenntniß von Rußland schöpft, und wie sehr
infolge dessen unsre Vorstellungen von den dortigen Zuständen der Berichtigung
bedürfen. Indem wir in den nachstehenden Abschnitten den Versuch machen,
einige Hauptpunkte in das rechte Licht zu stellen, folgen wir vorzüglich dem
soeven erschienenen Werke "1d<z Kussians s.t Horns" von Sutherland Ed¬
wards, welches sich zu diesem Zweck aus mehren Gründen empfiehlt. Der
Verfasser war, mit der russischen Sprache vertraut, hinreichend lange Zeit
in Petersburg und Moskau, um gut beobachten zu können; und er hat in meh¬
ren Beziehungen wirklich gut beobachtet. Er ist in die verschiedensten Lebens¬
kreise eingeführt worden. Er schildert endlich vorwiegend das Rußland, wel¬
ches uns jetzt am meisten interessirt, welches zu unsern Tagesfragen gehört, das


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zeuge mit der beschriebenen vorhandenen Mannschaft zu Handthieren. Es wurde
also Ordre ertheilt, eine gewisse Anzahl Handelsmatrosen zu miethen und auf
den Fahrzeugen zu vertheilen. Aber was nützte dies? Kein wahrhaft brauch¬
barer Seemann ließ sich anwerben, und V-° der Angeworbenen bildeten so zu sagen
den Abschaum, der auf Handelsfahrzeugen gar nicht mehr angenommen wird. Es
entstand auch in der Flotte eine solche Entrüstung darüber, mit derartigen Leu¬
ten zusammen zu dienen, daß man trotz der Disciplin oft den Ausspruch hörte:
Es ist eine Schande, daß die Flotte solche Subjecte annimmt. Uebrigens waren
viele dieser Leute gar nicht Matrosen, sondern in ihrem Beruf verkommne Per¬
sonen, wie Kellner, Billardmarqueure, Schuster, Schneider :c.

Es wird jedenfalls schwer werden, den Widerwillen der Handelsmatrosen
gegen die Kriegsflotte zu brecken, vielleicht eben so schwer als die Bekehrung
der Herren von der alten Schule zu dem zeitgemäßeren System. Unter allen
Umständen wird beides viel Zeit erfordern; bis zur durchgeführten Reorganisa¬
tion hat aber die schwedische Kriegsflotte einen sehr zweifelhaften Werth.




Bilder aus der russischen Gesellschaft.
i.
Kaufleute. — Fabriken. — Fremde.

In einem frühern Aufsatz d. Bl. (Ur. 10. d. Jahrg.) wurde darauf auf¬
merksam gemacht, wie wenig verläßlich die meisten der Touristen sind, aus de-,
ren Berichten das Publicum seine Kenntniß von Rußland schöpft, und wie sehr
infolge dessen unsre Vorstellungen von den dortigen Zuständen der Berichtigung
bedürfen. Indem wir in den nachstehenden Abschnitten den Versuch machen,
einige Hauptpunkte in das rechte Licht zu stellen, folgen wir vorzüglich dem
soeven erschienenen Werke „1d<z Kussians s.t Horns" von Sutherland Ed¬
wards, welches sich zu diesem Zweck aus mehren Gründen empfiehlt. Der
Verfasser war, mit der russischen Sprache vertraut, hinreichend lange Zeit
in Petersburg und Moskau, um gut beobachten zu können; und er hat in meh¬
ren Beziehungen wirklich gut beobachtet. Er ist in die verschiedensten Lebens¬
kreise eingeführt worden. Er schildert endlich vorwiegend das Rußland, wel¬
ches uns jetzt am meisten interessirt, welches zu unsern Tagesfragen gehört, das


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/307>, abgerufen am 05.01.2025.