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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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Natioimlökmiotllische und staatsrechtliche Literatur.
Die Reform des Zollvereins und die deutsche Zukunft. Zur Versöhnung von Nord
und Süd. Von Dr. Ludwig Frau er. Braunschweig, Friedrich Vieweg
und Sohn. 1862. ^

Der Verfasser will den engeren Bund durch die Reform des Zollvereins
herstellen. Die Organe der Gesetzgebung und der Verwaltung sollen sein: ein
Staatcnhaus und ein Volkshaus als Zollvereinsparlament; ein Directorium,
gebildet aus dem Könige von Preußen, welcher den Vorsitz führt, und dem
Könige von Bayern als ständigen Mitgliedern, sodann abwechselnd aus einem
der Könige von Sachsen. Hannover und Würtemberg. Die Geschäfte führt
ein Ministerium (Verwaltungsrath). Es ist, wie der Verfasser ausdrücklich be¬
merkt, die Trias ohne Oestreich. -- Die Zuständigkeit der Regierung und Ver¬
tretung des Zollvereins soll außer der Zollgesetzgebung, den Verträgen und der
Zollverwaltung, die Gesetzgebung und obere Leitung aller anderen Einrich¬
tungen für den Verkehr und die gemeinsamen volkswirthschaftlichen Interessen
umfassen, Post, Telegraphen, Münze, Papiergeld, Banknoten, Flußzölle, Eisen¬
bahnen, Handels- und Wechselrecht, Industrieausstellungen, Statistik. Die Er¬
gänzung des Vereinsgebietcs durch den Beitritt von Mecklenburg, der Hanse¬
städte und Schleswig-Holstein-Lauenburg, die deutsche Flotte, das Consulatwescn
gehören ebenfalls zur Eompetenz des bundesstaatlich organisirten Zollvereins.

Diese Vorschläge bilden den eigentlichen Kern der Schrift, obschon ihre
Begründung räumlich nur den kleineren Theil derselben einnimmt.

Voraus gehen Betrachtungen über die allgemeine deutsche Politik und alle
darauf bezüglichen Fragen; hinten nach folgen Erwägungen über die Aus¬
führbarkeit der Reform des Zollvereins und die Beziehungen desselben nach
außen und zu seinen einzelnen Gliedern. Der Versasser macht kein Hehl da¬
raus, daß er aus der Entwicklung des Zollvereins die Herstellung des engern
Bundesstaats in völkerrechtlicher Verbindung mit Oestreich erwartet. Er er¬
wähnt zwar der Möglichkeit, daß Oestreich in den Zollverband trete, und daß
alsdann die Trias mit Bayern, ohne die übrigen Mittelstaaten, gebildet würde;
aber er glaubt nicht an diese "denkbare" Möglichkeit, und es ist nur eine ir"
Nische Wendung, wenn er voraussetzt, daß die Mittelstaaten in diesem Falle
mit Vergnügen zurücktreten würden, da sie la östreichisch und großdeutsch ge¬
sinnt seien. Dagegen soll der deutsche Bund bestehen bleiben, und der Ver¬
sasser gibt den wohlmeinenden/ aber kurzsichtigen Patrioten, welche die Rechts-


Grenzboten II. 1862. 34
Natioimlökmiotllische und staatsrechtliche Literatur.
Die Reform des Zollvereins und die deutsche Zukunft. Zur Versöhnung von Nord
und Süd. Von Dr. Ludwig Frau er. Braunschweig, Friedrich Vieweg
und Sohn. 1862. ^

Der Verfasser will den engeren Bund durch die Reform des Zollvereins
herstellen. Die Organe der Gesetzgebung und der Verwaltung sollen sein: ein
Staatcnhaus und ein Volkshaus als Zollvereinsparlament; ein Directorium,
gebildet aus dem Könige von Preußen, welcher den Vorsitz führt, und dem
Könige von Bayern als ständigen Mitgliedern, sodann abwechselnd aus einem
der Könige von Sachsen. Hannover und Würtemberg. Die Geschäfte führt
ein Ministerium (Verwaltungsrath). Es ist, wie der Verfasser ausdrücklich be¬
merkt, die Trias ohne Oestreich. — Die Zuständigkeit der Regierung und Ver¬
tretung des Zollvereins soll außer der Zollgesetzgebung, den Verträgen und der
Zollverwaltung, die Gesetzgebung und obere Leitung aller anderen Einrich¬
tungen für den Verkehr und die gemeinsamen volkswirthschaftlichen Interessen
umfassen, Post, Telegraphen, Münze, Papiergeld, Banknoten, Flußzölle, Eisen¬
bahnen, Handels- und Wechselrecht, Industrieausstellungen, Statistik. Die Er¬
gänzung des Vereinsgebietcs durch den Beitritt von Mecklenburg, der Hanse¬
städte und Schleswig-Holstein-Lauenburg, die deutsche Flotte, das Consulatwescn
gehören ebenfalls zur Eompetenz des bundesstaatlich organisirten Zollvereins.

Diese Vorschläge bilden den eigentlichen Kern der Schrift, obschon ihre
Begründung räumlich nur den kleineren Theil derselben einnimmt.

Voraus gehen Betrachtungen über die allgemeine deutsche Politik und alle
darauf bezüglichen Fragen; hinten nach folgen Erwägungen über die Aus¬
führbarkeit der Reform des Zollvereins und die Beziehungen desselben nach
außen und zu seinen einzelnen Gliedern. Der Versasser macht kein Hehl da¬
raus, daß er aus der Entwicklung des Zollvereins die Herstellung des engern
Bundesstaats in völkerrechtlicher Verbindung mit Oestreich erwartet. Er er¬
wähnt zwar der Möglichkeit, daß Oestreich in den Zollverband trete, und daß
alsdann die Trias mit Bayern, ohne die übrigen Mittelstaaten, gebildet würde;
aber er glaubt nicht an diese „denkbare" Möglichkeit, und es ist nur eine ir»
Nische Wendung, wenn er voraussetzt, daß die Mittelstaaten in diesem Falle
mit Vergnügen zurücktreten würden, da sie la östreichisch und großdeutsch ge¬
sinnt seien. Dagegen soll der deutsche Bund bestehen bleiben, und der Ver¬
sasser gibt den wohlmeinenden/ aber kurzsichtigen Patrioten, welche die Rechts-


Grenzboten II. 1862. 34
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[0273] Natioimlökmiotllische und staatsrechtliche Literatur. Die Reform des Zollvereins und die deutsche Zukunft. Zur Versöhnung von Nord und Süd. Von Dr. Ludwig Frau er. Braunschweig, Friedrich Vieweg und Sohn. 1862. ^ Der Verfasser will den engeren Bund durch die Reform des Zollvereins herstellen. Die Organe der Gesetzgebung und der Verwaltung sollen sein: ein Staatcnhaus und ein Volkshaus als Zollvereinsparlament; ein Directorium, gebildet aus dem Könige von Preußen, welcher den Vorsitz führt, und dem Könige von Bayern als ständigen Mitgliedern, sodann abwechselnd aus einem der Könige von Sachsen. Hannover und Würtemberg. Die Geschäfte führt ein Ministerium (Verwaltungsrath). Es ist, wie der Verfasser ausdrücklich be¬ merkt, die Trias ohne Oestreich. — Die Zuständigkeit der Regierung und Ver¬ tretung des Zollvereins soll außer der Zollgesetzgebung, den Verträgen und der Zollverwaltung, die Gesetzgebung und obere Leitung aller anderen Einrich¬ tungen für den Verkehr und die gemeinsamen volkswirthschaftlichen Interessen umfassen, Post, Telegraphen, Münze, Papiergeld, Banknoten, Flußzölle, Eisen¬ bahnen, Handels- und Wechselrecht, Industrieausstellungen, Statistik. Die Er¬ gänzung des Vereinsgebietcs durch den Beitritt von Mecklenburg, der Hanse¬ städte und Schleswig-Holstein-Lauenburg, die deutsche Flotte, das Consulatwescn gehören ebenfalls zur Eompetenz des bundesstaatlich organisirten Zollvereins. Diese Vorschläge bilden den eigentlichen Kern der Schrift, obschon ihre Begründung räumlich nur den kleineren Theil derselben einnimmt. Voraus gehen Betrachtungen über die allgemeine deutsche Politik und alle darauf bezüglichen Fragen; hinten nach folgen Erwägungen über die Aus¬ führbarkeit der Reform des Zollvereins und die Beziehungen desselben nach außen und zu seinen einzelnen Gliedern. Der Versasser macht kein Hehl da¬ raus, daß er aus der Entwicklung des Zollvereins die Herstellung des engern Bundesstaats in völkerrechtlicher Verbindung mit Oestreich erwartet. Er er¬ wähnt zwar der Möglichkeit, daß Oestreich in den Zollverband trete, und daß alsdann die Trias mit Bayern, ohne die übrigen Mittelstaaten, gebildet würde; aber er glaubt nicht an diese „denkbare" Möglichkeit, und es ist nur eine ir» Nische Wendung, wenn er voraussetzt, daß die Mittelstaaten in diesem Falle mit Vergnügen zurücktreten würden, da sie la östreichisch und großdeutsch ge¬ sinnt seien. Dagegen soll der deutsche Bund bestehen bleiben, und der Ver¬ sasser gibt den wohlmeinenden/ aber kurzsichtigen Patrioten, welche die Rechts- Grenzboten II. 1862. 34

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/273>, abgerufen am 05.01.2025.