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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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sehr schätzenswerthe Notizen, über die Veranlassung der Gedichte, über ihre Li¬
teratur und über die.Verfasser, Das Ganze rollt dem Leser ein einziges Gemälde
der harten Zeit auf/, es enthält eine Fülle von echten poetischen Empfindungen
politische Leidenschaft, beißen Zorn, vergebliche Freude, erschütternde Klage.
So wird es eine hoch willkommene Ergänzung der historischen Berichte aus
H jener Zeit.




Der Handelsvertrag mit Frankreich.

Die Nachricht, daß der Zoll- und Handelsvertrag zwischen Preußen (für
den Zollverein) und Frankreich am 29. März in Berlin vorläufig festgestellt --
paraphirt -- worden ist, ruft bei den Einen die Besorgnis;, hei den Andern
die Hoffnung wach, daß die Dokumente von ihrer Rundreise durch die verschiedenen
Staaten des Zollvereins nicht unversehrt zurückkehren werden. Ein oder die
andere Negierung, so stellt man sich vor, könne, mit oder ohne die Hilfe ihrer
getreuen Stände, ihr Veto einlegen und dadurch dem mühsam geförderten Werke
den Garaus machen. Manche halten es sogar für möglich, daß dieser Vertrag
eine Kündigung der Zollvereinsverträge herbeiführt, so daß an ihm der Zoll¬
verein mit dem Ablauf seiner Vcrtragsperiode im Jahre 1865 in Trümmer
gehen werde. Es offenbart sich an dieser Lebensfrage für die nächste Entwickelung
des deutschen Verkehrs, wie überall, wo gemeinsame Interessen in Frage kommen,
eine Zerfahrenheit der Meinungen, die nichts weiter ist als eine Folge der
Anarchie, welcher die Leitung und Pflege der nationalen Interessen durch die
Verfassung und Einrichtung des Zollvereins preisgegeben sind. Spaltungen
zwischen verschiedenen Zweigen wuthschastlicher Thätigkeit über Tarifsätze, über
Beschränkung oder Freigebung der Concurrenz, kommen überall vor. Die eng¬
lischen Grundherren und Pachter stritten heftig gegen die Umwandlung der
"gleitenden Scala" der Kornzölle in mäßige feste Sätze. Die Schiffbauer und
Rheder weissagten den Untergang von Alt-Englands Seefahrt und Handel als
Folge der Aufhebung der Navigationsacte, d. h. des Ausschlusses fremder Flaggen
von dem Transporte gewisser Waaren und von gewissen Fahrten von und nach
den Häfen Großbritanniens und seiner Kolonien. Unablässig tobte in Frankreich
der Kampf zwischen dem Binnenlande und den Seestädten, zwischen dem fabri-


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sehr schätzenswerthe Notizen, über die Veranlassung der Gedichte, über ihre Li¬
teratur und über die.Verfasser, Das Ganze rollt dem Leser ein einziges Gemälde
der harten Zeit auf/, es enthält eine Fülle von echten poetischen Empfindungen
politische Leidenschaft, beißen Zorn, vergebliche Freude, erschütternde Klage.
So wird es eine hoch willkommene Ergänzung der historischen Berichte aus
H jener Zeit.




Der Handelsvertrag mit Frankreich.

Die Nachricht, daß der Zoll- und Handelsvertrag zwischen Preußen (für
den Zollverein) und Frankreich am 29. März in Berlin vorläufig festgestellt —
paraphirt — worden ist, ruft bei den Einen die Besorgnis;, hei den Andern
die Hoffnung wach, daß die Dokumente von ihrer Rundreise durch die verschiedenen
Staaten des Zollvereins nicht unversehrt zurückkehren werden. Ein oder die
andere Negierung, so stellt man sich vor, könne, mit oder ohne die Hilfe ihrer
getreuen Stände, ihr Veto einlegen und dadurch dem mühsam geförderten Werke
den Garaus machen. Manche halten es sogar für möglich, daß dieser Vertrag
eine Kündigung der Zollvereinsverträge herbeiführt, so daß an ihm der Zoll¬
verein mit dem Ablauf seiner Vcrtragsperiode im Jahre 1865 in Trümmer
gehen werde. Es offenbart sich an dieser Lebensfrage für die nächste Entwickelung
des deutschen Verkehrs, wie überall, wo gemeinsame Interessen in Frage kommen,
eine Zerfahrenheit der Meinungen, die nichts weiter ist als eine Folge der
Anarchie, welcher die Leitung und Pflege der nationalen Interessen durch die
Verfassung und Einrichtung des Zollvereins preisgegeben sind. Spaltungen
zwischen verschiedenen Zweigen wuthschastlicher Thätigkeit über Tarifsätze, über
Beschränkung oder Freigebung der Concurrenz, kommen überall vor. Die eng¬
lischen Grundherren und Pachter stritten heftig gegen die Umwandlung der
„gleitenden Scala" der Kornzölle in mäßige feste Sätze. Die Schiffbauer und
Rheder weissagten den Untergang von Alt-Englands Seefahrt und Handel als
Folge der Aufhebung der Navigationsacte, d. h. des Ausschlusses fremder Flaggen
von dem Transporte gewisser Waaren und von gewissen Fahrten von und nach
den Häfen Großbritanniens und seiner Kolonien. Unablässig tobte in Frankreich
der Kampf zwischen dem Binnenlande und den Seestädten, zwischen dem fabri-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/155>, abgerufen am 05.01.2025.