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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Die Gegend um Chartum ist eine vollkommen flache Ebne. Der einzige Berg,
den man von hier sieht, ist der zwölf Meilen nördlich sich erhebende Dschebel
Gerari. Hinter der Stadt wendet sich der Weiße Nil nach Osten, und wäh¬
rend der Ueberfluthung, die mehre Monate wahrt, dringen seine Wassermassen
Mit ihrem Schlamm bis in die Vorstädte und machen die Stadt fast zur Insel.
Fallen die Wasser, so entsteht rings um Chartum ein ungeheurer Sumpf, dem
die glühende Sonne der nächsten Wochen Dünste entlockt, welche für die Pflan¬
zen Lebenslust, für den menschlichen Organismus aber entschiedenes Gift sind
und namentlich den Europäer oft in wenigen Tagen dahinraffen. Manches
vielverheißende Leben ist auf diese Weise plötzlich ausgelöscht worden. Andere
litten weniger und kehrten glücklich in die Heimath zurück. Auch Heuglin
war unter diesen Glücklichen, und reicher Gewinn für die Wissenschaft beglei¬
tete seine Rückfahrt. Zum zweiten Mal begibt sich der kühne Forscher in die
Gefahren des giftigen Landes. Hoffen wir, daß es ihm und den Begleitern
nicht ergehe, wie dem Taucher nach dem Königsbecher, der nur einmal
wiederkam, um von den Schrecken und Wundern der Tiefe Kunde zu geben.




Die Psaffencomödie in Tirol.

Handelt es sich auch nur um einen Sturm in einem Wasserglase, so ist
dieser doch insofern interessant, als er zeigt, was die Ultramontanen dort, wo
sie das Heft in der Hand zu haben glauben, als letztes Ziel betrachten, zu¬
gleich belehrt er uns auch über die Mittel, welche sie mit größter Zähigkeit
umwenden, um ihren Zweck zu erreichen. Man wird dabei unwillkürlich an
d'e Schmeißfliegen erinnert, welche sich in ein Zimmer verirren und dabei
for-iwährend an das Fenster puffen, das ihnen den Ausgang verwehrt. Kom¬
men die Jesuiten in ein Land wo Andersgläubige, wohnen, und diese wehren sich
Segen die Bekehrungsversuche. solltet man die Hände, verdreht die Augen, klagt
dem lieben Herrgott die schwere Noth des Martyriums und spricht von Duld-
lamkeit und Freiheit. Schaut jedoch em Protestant über den katholischen
Zaun, so greift man nach Steinen und Prügeln, um ihm jedes Gelüste, ein¬
zutreten, gründlich zu verleiden. Merkwürdig ist. daß gerade im Oberinn-
thal das Volk die meiste Anlage zeigt, den Einflüsterungen des Klerus zu ge-


Die Gegend um Chartum ist eine vollkommen flache Ebne. Der einzige Berg,
den man von hier sieht, ist der zwölf Meilen nördlich sich erhebende Dschebel
Gerari. Hinter der Stadt wendet sich der Weiße Nil nach Osten, und wäh¬
rend der Ueberfluthung, die mehre Monate wahrt, dringen seine Wassermassen
Mit ihrem Schlamm bis in die Vorstädte und machen die Stadt fast zur Insel.
Fallen die Wasser, so entsteht rings um Chartum ein ungeheurer Sumpf, dem
die glühende Sonne der nächsten Wochen Dünste entlockt, welche für die Pflan¬
zen Lebenslust, für den menschlichen Organismus aber entschiedenes Gift sind
und namentlich den Europäer oft in wenigen Tagen dahinraffen. Manches
vielverheißende Leben ist auf diese Weise plötzlich ausgelöscht worden. Andere
litten weniger und kehrten glücklich in die Heimath zurück. Auch Heuglin
war unter diesen Glücklichen, und reicher Gewinn für die Wissenschaft beglei¬
tete seine Rückfahrt. Zum zweiten Mal begibt sich der kühne Forscher in die
Gefahren des giftigen Landes. Hoffen wir, daß es ihm und den Begleitern
nicht ergehe, wie dem Taucher nach dem Königsbecher, der nur einmal
wiederkam, um von den Schrecken und Wundern der Tiefe Kunde zu geben.




Die Psaffencomödie in Tirol.

Handelt es sich auch nur um einen Sturm in einem Wasserglase, so ist
dieser doch insofern interessant, als er zeigt, was die Ultramontanen dort, wo
sie das Heft in der Hand zu haben glauben, als letztes Ziel betrachten, zu¬
gleich belehrt er uns auch über die Mittel, welche sie mit größter Zähigkeit
umwenden, um ihren Zweck zu erreichen. Man wird dabei unwillkürlich an
d'e Schmeißfliegen erinnert, welche sich in ein Zimmer verirren und dabei
for-iwährend an das Fenster puffen, das ihnen den Ausgang verwehrt. Kom¬
men die Jesuiten in ein Land wo Andersgläubige, wohnen, und diese wehren sich
Segen die Bekehrungsversuche. solltet man die Hände, verdreht die Augen, klagt
dem lieben Herrgott die schwere Noth des Martyriums und spricht von Duld-
lamkeit und Freiheit. Schaut jedoch em Protestant über den katholischen
Zaun, so greift man nach Steinen und Prügeln, um ihm jedes Gelüste, ein¬
zutreten, gründlich zu verleiden. Merkwürdig ist. daß gerade im Oberinn-
thal das Volk die meiste Anlage zeigt, den Einflüsterungen des Klerus zu ge-


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[0193] Die Gegend um Chartum ist eine vollkommen flache Ebne. Der einzige Berg, den man von hier sieht, ist der zwölf Meilen nördlich sich erhebende Dschebel Gerari. Hinter der Stadt wendet sich der Weiße Nil nach Osten, und wäh¬ rend der Ueberfluthung, die mehre Monate wahrt, dringen seine Wassermassen Mit ihrem Schlamm bis in die Vorstädte und machen die Stadt fast zur Insel. Fallen die Wasser, so entsteht rings um Chartum ein ungeheurer Sumpf, dem die glühende Sonne der nächsten Wochen Dünste entlockt, welche für die Pflan¬ zen Lebenslust, für den menschlichen Organismus aber entschiedenes Gift sind und namentlich den Europäer oft in wenigen Tagen dahinraffen. Manches vielverheißende Leben ist auf diese Weise plötzlich ausgelöscht worden. Andere litten weniger und kehrten glücklich in die Heimath zurück. Auch Heuglin war unter diesen Glücklichen, und reicher Gewinn für die Wissenschaft beglei¬ tete seine Rückfahrt. Zum zweiten Mal begibt sich der kühne Forscher in die Gefahren des giftigen Landes. Hoffen wir, daß es ihm und den Begleitern nicht ergehe, wie dem Taucher nach dem Königsbecher, der nur einmal wiederkam, um von den Schrecken und Wundern der Tiefe Kunde zu geben. Die Psaffencomödie in Tirol. Handelt es sich auch nur um einen Sturm in einem Wasserglase, so ist dieser doch insofern interessant, als er zeigt, was die Ultramontanen dort, wo sie das Heft in der Hand zu haben glauben, als letztes Ziel betrachten, zu¬ gleich belehrt er uns auch über die Mittel, welche sie mit größter Zähigkeit umwenden, um ihren Zweck zu erreichen. Man wird dabei unwillkürlich an d'e Schmeißfliegen erinnert, welche sich in ein Zimmer verirren und dabei for-iwährend an das Fenster puffen, das ihnen den Ausgang verwehrt. Kom¬ men die Jesuiten in ein Land wo Andersgläubige, wohnen, und diese wehren sich Segen die Bekehrungsversuche. solltet man die Hände, verdreht die Augen, klagt dem lieben Herrgott die schwere Noth des Martyriums und spricht von Duld- lamkeit und Freiheit. Schaut jedoch em Protestant über den katholischen Zaun, so greift man nach Steinen und Prügeln, um ihm jedes Gelüste, ein¬ zutreten, gründlich zu verleiden. Merkwürdig ist. daß gerade im Oberinn- thal das Volk die meiste Anlage zeigt, den Einflüsterungen des Klerus zu ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/193>, abgerufen am 13.11.2024.