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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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paar Körbe und bisweilen ein Angareb, ein Holzgestell, welches mit einem
Netzwerk von Baststricken überzogen als Sopha und Bett dient. Das frucht¬
bare Land nährt den Mann bei wenig Arbeit ausreichend, und so thut er
den Tag über nur das Nothwendigste und lebt erst auf, wenn die Nacht
mit ihren Genüssen kommt. Dann huldigt er Stunden lang abwechselnd dem
Bacchus, der ihm aus dem großen dickbäuchigen Topf in der Ecke das süße
Bier Bulbul kredenzt, und der Venus, die ihm in Gestalt seines Weibes die
blauen Wulstlippen bietet. Dazu leuchten droben die Sterne der Tropen,
wehen die Nachtlüfte Mimosendüfte herzu, winken die Wipfel der Palmen, wie
zu Wiederholung des Genusses. Es ist ein Borschmack des Paradieses, wie
sich's der Mohammedaner vorstellt. Chartum ist aber auch ein Paradies für
den thätigen Mann, namentlich für den Kaufmann. Das Innere Ostafrikas
ist reich an Producten der werthvollsten Art, und man kann dahin zu Schiffe
auf dem Blauen Nil noch fünf, auf dem Weißen Nil noch zehn Breitengrade nach
Süden vordringen. Das Sudan stapelt hier jetzt schon Massen von Elfenbein
und köstlichen Hölzern. Gummi, Koloquinthen, Indigo, Tamarindenkuchcn,
Goldkörnern, Fellen und abyssinischem Kaffee auf. Bei weiterer Entwicke¬
lung des Verkehrs werden andere Schätze hinzukommen, Erzeugnisse des
Bergbau's, Spezereien und die Ausbeute der Wälder, welche die Ufer des
Nil besäumen. Europa liefert zum Austausch Kleiderstoffe, Waffen, Kurz¬
waaren, Eiscngeräth und andere Erzeugnisse seiner Fabriken, und mit diesen
Waaren wird durchschnittlich ein Gewinn von hundert Procent erzielt.

Alles würde zusammentreffen, um Chartum zum größten Handelsempo-
rium Jnnerafrikas zu machen, wenn nicht ein Bedenken wäre. Die Stadt
hat den Nachtheil, daß sie in dem ungesundesten Theile einer der ungesunde¬
sten Gegenden der Erde liegt. Von der Südgrenze Nubiens, wo der tropische
Regen anfängt, bis zu dem Tafelland von Habesch in Süden und bis hinauf
zu der Stelle, wo unsere Kenntniß vom Weißen Nil aufhört, wird das Su¬
dan von den bösartigsten Krankheiten, namentlich Fiebern heimgesucht. Die
Sommer sind den dort angesiedelten Fremden, den Aegyptern nicht minder
als den Türken und Westeuropäern, überaus gefährlich, und selbst die Einge-
bornen verleben selten ein Jahr ohne Fieberanfall. Reisende, welche in der
gesündesten Jahreszeit hier ankamen, hörten die Mehrzahl derer, mit denen
sie verkehrten, über irgend ein Unwohlsein klagen, und das Militärlazareth
in Chartum wird nie leer von Kranken, die an Dysenterie, Gallenfieber und
Pocken leiden. Einige schreiben diesen Umstand den Infusorien im Nilwasser
zu, aber richtiger ist jedenfalls die Ansicht, welche den Grund in den von den
beiden Armen des Nil aus den großen Wäldern und von den unermeßlichen
Grasebnen des Innern herabgeschwemmter und durch die periodischen Ueber-
schwemmungen über die Nachbarschaft vertheilten faulenden Pflanzenstoffen sucht-


paar Körbe und bisweilen ein Angareb, ein Holzgestell, welches mit einem
Netzwerk von Baststricken überzogen als Sopha und Bett dient. Das frucht¬
bare Land nährt den Mann bei wenig Arbeit ausreichend, und so thut er
den Tag über nur das Nothwendigste und lebt erst auf, wenn die Nacht
mit ihren Genüssen kommt. Dann huldigt er Stunden lang abwechselnd dem
Bacchus, der ihm aus dem großen dickbäuchigen Topf in der Ecke das süße
Bier Bulbul kredenzt, und der Venus, die ihm in Gestalt seines Weibes die
blauen Wulstlippen bietet. Dazu leuchten droben die Sterne der Tropen,
wehen die Nachtlüfte Mimosendüfte herzu, winken die Wipfel der Palmen, wie
zu Wiederholung des Genusses. Es ist ein Borschmack des Paradieses, wie
sich's der Mohammedaner vorstellt. Chartum ist aber auch ein Paradies für
den thätigen Mann, namentlich für den Kaufmann. Das Innere Ostafrikas
ist reich an Producten der werthvollsten Art, und man kann dahin zu Schiffe
auf dem Blauen Nil noch fünf, auf dem Weißen Nil noch zehn Breitengrade nach
Süden vordringen. Das Sudan stapelt hier jetzt schon Massen von Elfenbein
und köstlichen Hölzern. Gummi, Koloquinthen, Indigo, Tamarindenkuchcn,
Goldkörnern, Fellen und abyssinischem Kaffee auf. Bei weiterer Entwicke¬
lung des Verkehrs werden andere Schätze hinzukommen, Erzeugnisse des
Bergbau's, Spezereien und die Ausbeute der Wälder, welche die Ufer des
Nil besäumen. Europa liefert zum Austausch Kleiderstoffe, Waffen, Kurz¬
waaren, Eiscngeräth und andere Erzeugnisse seiner Fabriken, und mit diesen
Waaren wird durchschnittlich ein Gewinn von hundert Procent erzielt.

Alles würde zusammentreffen, um Chartum zum größten Handelsempo-
rium Jnnerafrikas zu machen, wenn nicht ein Bedenken wäre. Die Stadt
hat den Nachtheil, daß sie in dem ungesundesten Theile einer der ungesunde¬
sten Gegenden der Erde liegt. Von der Südgrenze Nubiens, wo der tropische
Regen anfängt, bis zu dem Tafelland von Habesch in Süden und bis hinauf
zu der Stelle, wo unsere Kenntniß vom Weißen Nil aufhört, wird das Su¬
dan von den bösartigsten Krankheiten, namentlich Fiebern heimgesucht. Die
Sommer sind den dort angesiedelten Fremden, den Aegyptern nicht minder
als den Türken und Westeuropäern, überaus gefährlich, und selbst die Einge-
bornen verleben selten ein Jahr ohne Fieberanfall. Reisende, welche in der
gesündesten Jahreszeit hier ankamen, hörten die Mehrzahl derer, mit denen
sie verkehrten, über irgend ein Unwohlsein klagen, und das Militärlazareth
in Chartum wird nie leer von Kranken, die an Dysenterie, Gallenfieber und
Pocken leiden. Einige schreiben diesen Umstand den Infusorien im Nilwasser
zu, aber richtiger ist jedenfalls die Ansicht, welche den Grund in den von den
beiden Armen des Nil aus den großen Wäldern und von den unermeßlichen
Grasebnen des Innern herabgeschwemmter und durch die periodischen Ueber-
schwemmungen über die Nachbarschaft vertheilten faulenden Pflanzenstoffen sucht-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/192>, abgerufen am 23.07.2024.