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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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horchen, während doch aus diesen übervölkerten Gegenden jährlich Tausende
als Handarbeiter in die Fremde ziehen und sich in ihren Gewissen nicht be¬
schwert finden, lutherisches Brot zu essen. Man kann sich hier überzeu¬
gen, daß das bäuerliche Proletariat um kein Haar besser ist als das städti¬
sche, ja sogar schlechter; denn jenes ist in seiner Abgeschlossenheit dem
Fanatismus zugänglich, während dieses weniger vom Priester abhängt. Im
Oberinnthal kann man es oft genug hören: "Wir müssen bald nach Innsbruck
gehen und die Freimaurer erschlagen!" Unter Freimaurern verstehen übrigens
die frommen Seelen jene, welche etwas bestreu, denn sie würden noch viel lieber für
das "Klquben" als für den "Glauben" streiten. Uevrigens hat es damit
keine Noth, auch im Oberinnthal sind jene, die etwas haben, jedem Aufruhr
zur größer" Ehre Gottes abhold, weil er ihnen einzig und allein militärische Ein-
quartirung bringen würde; das Gesindel aber überlegt sich die Sache doch noch
etwas, denn zu Innsbruck befinden sich einige Kanonen, die man allenfalls mit
Kartätschen laden könnte. Anders der Unterinnthaler. Er ist wohlhabend und
friedlich; wenn er auch, weil es dem Geistlichen Freude machte, eine Petition
unterschrieb, so ist er weit davon sich aufwiegeln zu lassen, ja es bricht bereits
der Unwille gegen die klerikale Hetzerei los, die Leute wollen Ruhe haben, und
sie sehen allmälig ein. daß diese weit mehr durch die Umtriebe der selbstsüch¬
tigen Schwarzröcke als durch einige Protestanten, die sich eine Billa oder ein
Belvedere bauen, beeinträchtigt wird. Zu Kitzbichel war jüngst eine Berg¬
beleuchtung, welche den hochwürdigen Herren zum großen Berdrusse ein '1' dar¬
stellte, als Anfangsbuchstaben des Wortes Toleranz.

Als der berüchtigte Antrag des Bischofes von Brixen von der Majorität
des Landtages angenommen wurde, war unter den Ultramontanen, großer
Jubel; weil eine Bischofsmütze für sie das Höchste ist, glaubten sie die Sache
schon gewonnen. Das Volk verhielt sich fast überall gleichgiltig, man mußte
nun der Regierung zeigen, daß auch dieses vom Taumel ergriffen sei, und
veranstaltete Bergbeleuchtungen, die man großenteils bezahlte. "Es möge
kosten, was es wolle!" schrieb ein Geistlicher, und für Geld gelang die Sache.
Man ließ an Haselwandter, der sich zum Clown des Klerus hergegeben, von-
einer Menge Gemeinden das Ehrenbürgerrecht verleihen, wobei öfters mit
Umgehung des Gesetzes der Gemeinderath, von dem man Widerspruchuer'
wartete, gar nicht befragt wurde; man begann mit der Veröffentlichung von
Profcriptionslisten der Liberalen. Da trat Pfretzschner mit der Interpellation-
vor den Minister. Die Bonzen antworteten in ihrem Organ mit einem
Wuthgeheul, welches dem Chor der Furien Ehre gemacht hätte, und wenn
jemand so hat Pfretzschner, ein Mann von tadellosem Charakter, Ursache, auf
all' den Schimpf stolz zu sein. Die Erwiderung Schmerlings ist bekannt.
Leider hat der Fortschrittsminister nicht beachtet, daß mit Halbheiten nirgends


horchen, während doch aus diesen übervölkerten Gegenden jährlich Tausende
als Handarbeiter in die Fremde ziehen und sich in ihren Gewissen nicht be¬
schwert finden, lutherisches Brot zu essen. Man kann sich hier überzeu¬
gen, daß das bäuerliche Proletariat um kein Haar besser ist als das städti¬
sche, ja sogar schlechter; denn jenes ist in seiner Abgeschlossenheit dem
Fanatismus zugänglich, während dieses weniger vom Priester abhängt. Im
Oberinnthal kann man es oft genug hören: „Wir müssen bald nach Innsbruck
gehen und die Freimaurer erschlagen!" Unter Freimaurern verstehen übrigens
die frommen Seelen jene, welche etwas bestreu, denn sie würden noch viel lieber für
das „Klquben" als für den „Glauben" streiten. Uevrigens hat es damit
keine Noth, auch im Oberinnthal sind jene, die etwas haben, jedem Aufruhr
zur größer» Ehre Gottes abhold, weil er ihnen einzig und allein militärische Ein-
quartirung bringen würde; das Gesindel aber überlegt sich die Sache doch noch
etwas, denn zu Innsbruck befinden sich einige Kanonen, die man allenfalls mit
Kartätschen laden könnte. Anders der Unterinnthaler. Er ist wohlhabend und
friedlich; wenn er auch, weil es dem Geistlichen Freude machte, eine Petition
unterschrieb, so ist er weit davon sich aufwiegeln zu lassen, ja es bricht bereits
der Unwille gegen die klerikale Hetzerei los, die Leute wollen Ruhe haben, und
sie sehen allmälig ein. daß diese weit mehr durch die Umtriebe der selbstsüch¬
tigen Schwarzröcke als durch einige Protestanten, die sich eine Billa oder ein
Belvedere bauen, beeinträchtigt wird. Zu Kitzbichel war jüngst eine Berg¬
beleuchtung, welche den hochwürdigen Herren zum großen Berdrusse ein '1' dar¬
stellte, als Anfangsbuchstaben des Wortes Toleranz.

Als der berüchtigte Antrag des Bischofes von Brixen von der Majorität
des Landtages angenommen wurde, war unter den Ultramontanen, großer
Jubel; weil eine Bischofsmütze für sie das Höchste ist, glaubten sie die Sache
schon gewonnen. Das Volk verhielt sich fast überall gleichgiltig, man mußte
nun der Regierung zeigen, daß auch dieses vom Taumel ergriffen sei, und
veranstaltete Bergbeleuchtungen, die man großenteils bezahlte. „Es möge
kosten, was es wolle!" schrieb ein Geistlicher, und für Geld gelang die Sache.
Man ließ an Haselwandter, der sich zum Clown des Klerus hergegeben, von-
einer Menge Gemeinden das Ehrenbürgerrecht verleihen, wobei öfters mit
Umgehung des Gesetzes der Gemeinderath, von dem man Widerspruchuer'
wartete, gar nicht befragt wurde; man begann mit der Veröffentlichung von
Profcriptionslisten der Liberalen. Da trat Pfretzschner mit der Interpellation-
vor den Minister. Die Bonzen antworteten in ihrem Organ mit einem
Wuthgeheul, welches dem Chor der Furien Ehre gemacht hätte, und wenn
jemand so hat Pfretzschner, ein Mann von tadellosem Charakter, Ursache, auf
all' den Schimpf stolz zu sein. Die Erwiderung Schmerlings ist bekannt.
Leider hat der Fortschrittsminister nicht beachtet, daß mit Halbheiten nirgends


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/194>, abgerufen am 23.07.2024.