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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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4.
Die unmittelbaren Anforderungen der Gegenwart an die
Kriegsmarine.

Es werden noch mehre Jahre vergehen müssen, ehe Deutschland im
Stande sein wird eine Flotte aufzustellen, welche der Größe seiner Handels¬
flotte und seiner politischen Stellung entspricht. Das Stadium der Vorberei¬
tung dafür ist als schon überwunden zu betrachten, seitdem Preußen den
Schiffsbau selbständig begonnen und sich den Kern eines Marinevffizicrcorvs
gebildet hat. Es handelt sich für die Zukunft um die weitere Entwicklung
auf diesen Grundlagen.

Indessen auch die Gegenwart stellt Anforderungen, welche unbedingt eine
Befriedigung erheischen -- unbedingt, weil die sofortige Erfüllung derselben
die Unabhängigkeit, die Ehre und den Wohlstand der Nation bedingen.
Zum Glück sind diese Anforderungen so bescheiden, daß sie rasch und leicht
befriedigt werden können.

Es ist die Aufgabe der Gegenwart und nächsten Zukunft. Deutschland
gegen Frankreich sicher zu stellen und die Lösung der Schleswig-holsteinischen
Frage herbeizuführen. Beides kann nur durch die sofortige Herstellung einer
besseren Seevertheidignng geschehen.

Fassen wir zunächst die Bertheidigung gegen Frankreich ins Auge.

Soweit dieselbe von der Landarmee abhängt, ist in den letzten Jahren
in Deutschland oder richtiger in Preußen Großes geschehen. Die preußische
Annee wird in einer Weise verstärkt und organisirt, daß sie allen Eventuali¬
täten genügen kann und die verhältnißmäßig sehr schwachen Coutingcnie der
übrigen Bundesstaate" sind wenigstens in Zahl und Organisation nicht zu¬
rückgegangen, was bei dem gänzlichen Mangel einer wirklichen patriotischen
Besinnung der meisten mitteistaatlichen Regierungen schon immerhin als ein
Gewinn betrachtet werden kann.

Es handelt sich aber darum, daß der Landkrieg gegen Frankreich so ge¬
führt werden könne, daß die Rücksichten auf die Seeküste aus denselben nicht
einen unheilvollen Einfluß üben, daß der Mangel einer größeren Kriegsinarme
"icht für die Laudesvertheidigung entscheidend werde.

Dies kann nur dadurch bewirkt werden, daß die Küstenvcrtheidigung Deutsch-
lands den Forderungen des heutigen Kriegswesens entsprechend organisirt werde.

Die Erfahrungen des Krimknegcs und noch mehr die rasche Uebcrfüh-
^'"g einer großen französischen Armee nach Genua haben gezeigt, auf welch'
höher Stufe das französische Seetranspvrtwesen steht; dasselbe wird allein An¬
scheine "ach noch weiter entwickelt, wie denn der französische Erfindungsgeist
^ grade dem maritimen Gebiete zugewandt zu haben und Europa Ueber-
^schungen bereiten zu wollen scheint.


4.
Die unmittelbaren Anforderungen der Gegenwart an die
Kriegsmarine.

Es werden noch mehre Jahre vergehen müssen, ehe Deutschland im
Stande sein wird eine Flotte aufzustellen, welche der Größe seiner Handels¬
flotte und seiner politischen Stellung entspricht. Das Stadium der Vorberei¬
tung dafür ist als schon überwunden zu betrachten, seitdem Preußen den
Schiffsbau selbständig begonnen und sich den Kern eines Marinevffizicrcorvs
gebildet hat. Es handelt sich für die Zukunft um die weitere Entwicklung
auf diesen Grundlagen.

Indessen auch die Gegenwart stellt Anforderungen, welche unbedingt eine
Befriedigung erheischen — unbedingt, weil die sofortige Erfüllung derselben
die Unabhängigkeit, die Ehre und den Wohlstand der Nation bedingen.
Zum Glück sind diese Anforderungen so bescheiden, daß sie rasch und leicht
befriedigt werden können.

Es ist die Aufgabe der Gegenwart und nächsten Zukunft. Deutschland
gegen Frankreich sicher zu stellen und die Lösung der Schleswig-holsteinischen
Frage herbeizuführen. Beides kann nur durch die sofortige Herstellung einer
besseren Seevertheidignng geschehen.

Fassen wir zunächst die Bertheidigung gegen Frankreich ins Auge.

Soweit dieselbe von der Landarmee abhängt, ist in den letzten Jahren
in Deutschland oder richtiger in Preußen Großes geschehen. Die preußische
Annee wird in einer Weise verstärkt und organisirt, daß sie allen Eventuali¬
täten genügen kann und die verhältnißmäßig sehr schwachen Coutingcnie der
übrigen Bundesstaate» sind wenigstens in Zahl und Organisation nicht zu¬
rückgegangen, was bei dem gänzlichen Mangel einer wirklichen patriotischen
Besinnung der meisten mitteistaatlichen Regierungen schon immerhin als ein
Gewinn betrachtet werden kann.

Es handelt sich aber darum, daß der Landkrieg gegen Frankreich so ge¬
führt werden könne, daß die Rücksichten auf die Seeküste aus denselben nicht
einen unheilvollen Einfluß üben, daß der Mangel einer größeren Kriegsinarme
"icht für die Laudesvertheidigung entscheidend werde.

Dies kann nur dadurch bewirkt werden, daß die Küstenvcrtheidigung Deutsch-
lands den Forderungen des heutigen Kriegswesens entsprechend organisirt werde.

Die Erfahrungen des Krimknegcs und noch mehr die rasche Uebcrfüh-
^'"g einer großen französischen Armee nach Genua haben gezeigt, auf welch'
höher Stufe das französische Seetranspvrtwesen steht; dasselbe wird allein An¬
scheine „ach noch weiter entwickelt, wie denn der französische Erfindungsgeist
^ grade dem maritimen Gebiete zugewandt zu haben und Europa Ueber-
^schungen bereiten zu wollen scheint.


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[0377] 4. Die unmittelbaren Anforderungen der Gegenwart an die Kriegsmarine. Es werden noch mehre Jahre vergehen müssen, ehe Deutschland im Stande sein wird eine Flotte aufzustellen, welche der Größe seiner Handels¬ flotte und seiner politischen Stellung entspricht. Das Stadium der Vorberei¬ tung dafür ist als schon überwunden zu betrachten, seitdem Preußen den Schiffsbau selbständig begonnen und sich den Kern eines Marinevffizicrcorvs gebildet hat. Es handelt sich für die Zukunft um die weitere Entwicklung auf diesen Grundlagen. Indessen auch die Gegenwart stellt Anforderungen, welche unbedingt eine Befriedigung erheischen — unbedingt, weil die sofortige Erfüllung derselben die Unabhängigkeit, die Ehre und den Wohlstand der Nation bedingen. Zum Glück sind diese Anforderungen so bescheiden, daß sie rasch und leicht befriedigt werden können. Es ist die Aufgabe der Gegenwart und nächsten Zukunft. Deutschland gegen Frankreich sicher zu stellen und die Lösung der Schleswig-holsteinischen Frage herbeizuführen. Beides kann nur durch die sofortige Herstellung einer besseren Seevertheidignng geschehen. Fassen wir zunächst die Bertheidigung gegen Frankreich ins Auge. Soweit dieselbe von der Landarmee abhängt, ist in den letzten Jahren in Deutschland oder richtiger in Preußen Großes geschehen. Die preußische Annee wird in einer Weise verstärkt und organisirt, daß sie allen Eventuali¬ täten genügen kann und die verhältnißmäßig sehr schwachen Coutingcnie der übrigen Bundesstaate» sind wenigstens in Zahl und Organisation nicht zu¬ rückgegangen, was bei dem gänzlichen Mangel einer wirklichen patriotischen Besinnung der meisten mitteistaatlichen Regierungen schon immerhin als ein Gewinn betrachtet werden kann. Es handelt sich aber darum, daß der Landkrieg gegen Frankreich so ge¬ führt werden könne, daß die Rücksichten auf die Seeküste aus denselben nicht einen unheilvollen Einfluß üben, daß der Mangel einer größeren Kriegsinarme "icht für die Laudesvertheidigung entscheidend werde. Dies kann nur dadurch bewirkt werden, daß die Küstenvcrtheidigung Deutsch- lands den Forderungen des heutigen Kriegswesens entsprechend organisirt werde. Die Erfahrungen des Krimknegcs und noch mehr die rasche Uebcrfüh- ^'"g einer großen französischen Armee nach Genua haben gezeigt, auf welch' höher Stufe das französische Seetranspvrtwesen steht; dasselbe wird allein An¬ scheine „ach noch weiter entwickelt, wie denn der französische Erfindungsgeist ^ grade dem maritimen Gebiete zugewandt zu haben und Europa Ueber- ^schungen bereiten zu wollen scheint.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/377>, abgerufen am 28.06.2024.