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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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Zur deutschen Kriegsmarine.
3.
Wozu überhaupt eine Kriegsmarine?

Wenn man sechs deutsche Küstenstaaten mit einer bedeutenden Handels¬
flotte und ohne alle und jede Kriegsflotte sieht, so darf man sich nicht ent¬
halten, diese Frage auszuwerfen. Die Regierungen dieser Staaten werden
ohne Zweifel den Ruf nach einer Kriegsmarine als ein Product phantastischer
Schwärmerei betrachten und derselben die imponirende Macht höherer Ver-
standesreife entgegensetzen. Die patriotische Weisheit, welche diese deutschen
Regierungen von der Errichtung einer Kriegsmarine abHalt, steht indeß einzig
in der Geschichte da, und sie wird noch noch Jahrhunderten als ein bezeichnendes
Merkmal der Verkommenheit der kleinstaatlichen und anarchischen Zustände
Deutschlands dastehen.

Denn es ist nicht eine politische Theorie, sondern es ist die Praxis der
Jahrtausende, in welche die Geschichte der civilisirten Welt zurückreicht, daß
Küstenstaaten und zumal solche, welche in einem größeren Umfange am See-
Handel Theil nahmen, sich und ihr schwimmendes Eigenthum durch bewaffnete
Schiffe zu schützen suchten. Das Alterthum und das Mittelalter sind' wie die
neuere Zeit in diesem Punkte einig.

Die Gründe, welche diese Bewaffnung fordern, sind immer dieselben ge¬
blieben. Es sind in letzter Instanz ebendieselben Gründe, welche auf dem
festen Lande eine bewaffnete Macht geschaffen haben, es ist die Nothwendig¬
keit eines Schutzes für die persönliche Freiheit, das Eigenthum und das be¬
stehende Gemeinwesen, d. h. des Schutzes derjenigen Güter, ohne die das
Menschliche Dasein werthlos wird. Versuchen wir es in kurzen Zügen die
Zwecke vorzuführen, welche eine Kriegsmarine im Frieden wie im Kriege zu
Erfolgen hat. und machen wir schon hier darauf aufmerksam, daß eine Flotte
Folge der wenig gesicherten Verhältnisse der nichteuropäischcn Meeresküsten,
zum Unterschied von einer Landarmee, anch schon im Frieden eine unmittelbar
wirksame Thätigkeit zu üben hat. Denn es ist mit dem Meere und seinen
Küsten noch jetzt ähnlich, wie es auf dein Festlande in den Zeiten des Mittel-


Hre"zi"neu 1l, 1861. 46
Zur deutschen Kriegsmarine.
3.
Wozu überhaupt eine Kriegsmarine?

Wenn man sechs deutsche Küstenstaaten mit einer bedeutenden Handels¬
flotte und ohne alle und jede Kriegsflotte sieht, so darf man sich nicht ent¬
halten, diese Frage auszuwerfen. Die Regierungen dieser Staaten werden
ohne Zweifel den Ruf nach einer Kriegsmarine als ein Product phantastischer
Schwärmerei betrachten und derselben die imponirende Macht höherer Ver-
standesreife entgegensetzen. Die patriotische Weisheit, welche diese deutschen
Regierungen von der Errichtung einer Kriegsmarine abHalt, steht indeß einzig
in der Geschichte da, und sie wird noch noch Jahrhunderten als ein bezeichnendes
Merkmal der Verkommenheit der kleinstaatlichen und anarchischen Zustände
Deutschlands dastehen.

Denn es ist nicht eine politische Theorie, sondern es ist die Praxis der
Jahrtausende, in welche die Geschichte der civilisirten Welt zurückreicht, daß
Küstenstaaten und zumal solche, welche in einem größeren Umfange am See-
Handel Theil nahmen, sich und ihr schwimmendes Eigenthum durch bewaffnete
Schiffe zu schützen suchten. Das Alterthum und das Mittelalter sind' wie die
neuere Zeit in diesem Punkte einig.

Die Gründe, welche diese Bewaffnung fordern, sind immer dieselben ge¬
blieben. Es sind in letzter Instanz ebendieselben Gründe, welche auf dem
festen Lande eine bewaffnete Macht geschaffen haben, es ist die Nothwendig¬
keit eines Schutzes für die persönliche Freiheit, das Eigenthum und das be¬
stehende Gemeinwesen, d. h. des Schutzes derjenigen Güter, ohne die das
Menschliche Dasein werthlos wird. Versuchen wir es in kurzen Zügen die
Zwecke vorzuführen, welche eine Kriegsmarine im Frieden wie im Kriege zu
Erfolgen hat. und machen wir schon hier darauf aufmerksam, daß eine Flotte
Folge der wenig gesicherten Verhältnisse der nichteuropäischcn Meeresküsten,
zum Unterschied von einer Landarmee, anch schon im Frieden eine unmittelbar
wirksame Thätigkeit zu üben hat. Denn es ist mit dem Meere und seinen
Küsten noch jetzt ähnlich, wie es auf dein Festlande in den Zeiten des Mittel-


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[0371] Zur deutschen Kriegsmarine. 3. Wozu überhaupt eine Kriegsmarine? Wenn man sechs deutsche Küstenstaaten mit einer bedeutenden Handels¬ flotte und ohne alle und jede Kriegsflotte sieht, so darf man sich nicht ent¬ halten, diese Frage auszuwerfen. Die Regierungen dieser Staaten werden ohne Zweifel den Ruf nach einer Kriegsmarine als ein Product phantastischer Schwärmerei betrachten und derselben die imponirende Macht höherer Ver- standesreife entgegensetzen. Die patriotische Weisheit, welche diese deutschen Regierungen von der Errichtung einer Kriegsmarine abHalt, steht indeß einzig in der Geschichte da, und sie wird noch noch Jahrhunderten als ein bezeichnendes Merkmal der Verkommenheit der kleinstaatlichen und anarchischen Zustände Deutschlands dastehen. Denn es ist nicht eine politische Theorie, sondern es ist die Praxis der Jahrtausende, in welche die Geschichte der civilisirten Welt zurückreicht, daß Küstenstaaten und zumal solche, welche in einem größeren Umfange am See- Handel Theil nahmen, sich und ihr schwimmendes Eigenthum durch bewaffnete Schiffe zu schützen suchten. Das Alterthum und das Mittelalter sind' wie die neuere Zeit in diesem Punkte einig. Die Gründe, welche diese Bewaffnung fordern, sind immer dieselben ge¬ blieben. Es sind in letzter Instanz ebendieselben Gründe, welche auf dem festen Lande eine bewaffnete Macht geschaffen haben, es ist die Nothwendig¬ keit eines Schutzes für die persönliche Freiheit, das Eigenthum und das be¬ stehende Gemeinwesen, d. h. des Schutzes derjenigen Güter, ohne die das Menschliche Dasein werthlos wird. Versuchen wir es in kurzen Zügen die Zwecke vorzuführen, welche eine Kriegsmarine im Frieden wie im Kriege zu Erfolgen hat. und machen wir schon hier darauf aufmerksam, daß eine Flotte Folge der wenig gesicherten Verhältnisse der nichteuropäischcn Meeresküsten, zum Unterschied von einer Landarmee, anch schon im Frieden eine unmittelbar wirksame Thätigkeit zu üben hat. Denn es ist mit dem Meere und seinen Küsten noch jetzt ähnlich, wie es auf dein Festlande in den Zeiten des Mittel- Hre»zi»neu 1l, 1861. 46

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/371>, abgerufen am 20.09.2024.