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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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gebogen, oder breit und etwas aufgeworfen. Soviel verschiedene Typen man
auch unter den Gesichtern im Allgemeinen fixiren mag, diese zwei Typen der
Nase gehen unveränderlich durch alle Gesichter hindurch; die Nase ist ohne
Feinheit, ohne Bewegung, ohne Beschäftigung. Wohlgerüche kennt der Ja¬
paner nicht; seine Blumen, seine Bäume, seine Früchte sind ohne Duft. Der
Mund ist schön und jedenfalls das Schönste im ganzen Gesichte; fein ge¬
schnitten, schön geröthet. voll, niemals wulstig; fast immer fest geschlossen und
reservirt; dieser Mund ist beherrscht und unter beständiger Controle. und
steht sichtbar in feinster Wechselbeziehung zum Auge, welches die Vorhut bil¬
det; es ist ein Mund, der zu schweigen, aber auch anmuthig zu scherzen ver¬
mag. --

Jetzt, da ich diese Seiten schließe, schaukle ich wieder auf hoher See; die
letzte Insel der Van-Diemensstraße verschwindet im Nebel, die japanische
Welt liegt für immer hinter mir, und wenn ich innerlich abschließe und die
Balance ziehe, so bleibt mir ein Plus von warmer, fast ängstlicher Zuneigung
für dieses wunderbare Volk. Was uns fesselt, ist der natürliche Adel, der
über der ganzen Schöpfung ruht, und den man schwerlich irgend wo anders in
der Welt so gleichmäßig über alles Volk ausgegossen finden wird. Es ist
der Adel, der mit Armuth gepaart zum Dienen verdammt ist und der noch
edel in der tiefsten Knechtschaft bleibt. Die europäische Civilisation wird
ihre zweifelhaften Segnungen über diese Eilande ergießen; dies Schicksal ist
nicht abzuwenden. Wie sie wirken wird? Ich will mir das Herz nicht schwer
durch Grübeln machen. Wohin immer bis jetzt der Fuß des "weiKn Mannes"
getreten ist. sind Städte und Kirchen mit schlanken Thürmen erwachsen, sind
Handel und Gewerbe erblüht, hat der Götzendienst des goldenen Kalbes neue
Anbeter gemacht, -- aber das Glück der einheimischen Nationen? Die Ge¬
schichte lehrt: es stirbt allmälig dahin und zuletzt die Nation selbst.




Eine Mittheilung über Lessing.

Im Neuen Lausitzischen Magazin hat W. Watte nbach (Verfasser des rühm¬
lichst bekannten Werks i Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter) die Korrespondenz
seines Großvaters v. Herrings mit dessen Schwägerin Elise Reimarus in
Hamburg aus den Jahren 1776 bis 1781 veröffentlicht, aus welcher auf Lessings


gebogen, oder breit und etwas aufgeworfen. Soviel verschiedene Typen man
auch unter den Gesichtern im Allgemeinen fixiren mag, diese zwei Typen der
Nase gehen unveränderlich durch alle Gesichter hindurch; die Nase ist ohne
Feinheit, ohne Bewegung, ohne Beschäftigung. Wohlgerüche kennt der Ja¬
paner nicht; seine Blumen, seine Bäume, seine Früchte sind ohne Duft. Der
Mund ist schön und jedenfalls das Schönste im ganzen Gesichte; fein ge¬
schnitten, schön geröthet. voll, niemals wulstig; fast immer fest geschlossen und
reservirt; dieser Mund ist beherrscht und unter beständiger Controle. und
steht sichtbar in feinster Wechselbeziehung zum Auge, welches die Vorhut bil¬
det; es ist ein Mund, der zu schweigen, aber auch anmuthig zu scherzen ver¬
mag. —

Jetzt, da ich diese Seiten schließe, schaukle ich wieder auf hoher See; die
letzte Insel der Van-Diemensstraße verschwindet im Nebel, die japanische
Welt liegt für immer hinter mir, und wenn ich innerlich abschließe und die
Balance ziehe, so bleibt mir ein Plus von warmer, fast ängstlicher Zuneigung
für dieses wunderbare Volk. Was uns fesselt, ist der natürliche Adel, der
über der ganzen Schöpfung ruht, und den man schwerlich irgend wo anders in
der Welt so gleichmäßig über alles Volk ausgegossen finden wird. Es ist
der Adel, der mit Armuth gepaart zum Dienen verdammt ist und der noch
edel in der tiefsten Knechtschaft bleibt. Die europäische Civilisation wird
ihre zweifelhaften Segnungen über diese Eilande ergießen; dies Schicksal ist
nicht abzuwenden. Wie sie wirken wird? Ich will mir das Herz nicht schwer
durch Grübeln machen. Wohin immer bis jetzt der Fuß des „weiKn Mannes"
getreten ist. sind Städte und Kirchen mit schlanken Thürmen erwachsen, sind
Handel und Gewerbe erblüht, hat der Götzendienst des goldenen Kalbes neue
Anbeter gemacht, — aber das Glück der einheimischen Nationen? Die Ge¬
schichte lehrt: es stirbt allmälig dahin und zuletzt die Nation selbst.




Eine Mittheilung über Lessing.

Im Neuen Lausitzischen Magazin hat W. Watte nbach (Verfasser des rühm¬
lichst bekannten Werks i Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter) die Korrespondenz
seines Großvaters v. Herrings mit dessen Schwägerin Elise Reimarus in
Hamburg aus den Jahren 1776 bis 1781 veröffentlicht, aus welcher auf Lessings


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/326>, abgerufen am 28.06.2024.