Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

entsagten und stemmten und waren doch vielleicht glücklicher, als jene harten
Gladiatoren. Das tausendjährige Reich der Romantik hat ein Ende, und ich
selbst bin sein letzter und abgedankter Fabelkönig. Hätte ich nicht die Krone
vom Haupt sortgeschmissen, sie hätten mich richtig geköpft." .

5. Jan, 1845: "Zu den traurigsten Widerwärtigkeiten des Exils gehört,
daß wir dadurch in schlechte Gesellschaft gerathen."

22. Dec. 1845: Ehrenerklärung für Madame Strauß, die er in seinem
Buch über Börne verläumdet.

7. Juli 1847: offener Brief mit der Erklärung, er sei nicht öffentlich ge-
ohrfeigt worden.

Dies etwa die Ausbeute;- sie ist nicht groß, -- Wir haben in Deutsch¬
land nicht wenig Schriftsteller gehabt, die vortreffliche geistreiche Briefe schrie¬
ben, wenn sie aber etwas drucken ließen, ins Absurde fielen, z. B. Hamann;
bei Heine ist das Gegentheil der Fall. Erklären läßt es sich: bei allem Reich¬
thum der Bilder seiner Phantasie war sein stilles inneres Leben arm und
eigentlich inhaltlos; seine Gedanken beschäftigten sich vielmehr mit seinen
wirkliche" und möglichen Recensenten als mit irgend etwas Anderem Er
.
I. S. lebte nur für das Publicum. ,




Ernst Rietschel.
2.

Im Jahre ,832 wurde Rietschel als Professor der Bildhauerei nach
Dresden berufen.

Sein äußeres Leben wird jetzt einförmiger; aber innerlich ist es nur um
so bewegter und kampfvoller. Es war ein Leben unablässigen Schaffens
und Denkens. Schwere Schicksalsschläge kamen über ihn. Drei Frauen raubte
ihm der Tod. Schon früh zeigten sich die Keime der Schwindsucht, mit wel¬
cher er leidvoll zu ringen hatte. Die Unermüdlichkeit seines Arbeitens wurde
durch oft zurückkehrende Anfälle gefährlichen Bluthustens, durch einen längeren
Aufenthalt in Palermo und durch jährliche, wiederholte Badereisen nach
Meran, Ems, Badenweiler und Reichenhall höchst bedauerlich unterbrochen.
Aber die Schule des Leidens stählte und kräftigte sein edles Herz. Mit jedem


entsagten und stemmten und waren doch vielleicht glücklicher, als jene harten
Gladiatoren. Das tausendjährige Reich der Romantik hat ein Ende, und ich
selbst bin sein letzter und abgedankter Fabelkönig. Hätte ich nicht die Krone
vom Haupt sortgeschmissen, sie hätten mich richtig geköpft." .

5. Jan, 1845: „Zu den traurigsten Widerwärtigkeiten des Exils gehört,
daß wir dadurch in schlechte Gesellschaft gerathen."

22. Dec. 1845: Ehrenerklärung für Madame Strauß, die er in seinem
Buch über Börne verläumdet.

7. Juli 1847: offener Brief mit der Erklärung, er sei nicht öffentlich ge-
ohrfeigt worden.

Dies etwa die Ausbeute;- sie ist nicht groß, — Wir haben in Deutsch¬
land nicht wenig Schriftsteller gehabt, die vortreffliche geistreiche Briefe schrie¬
ben, wenn sie aber etwas drucken ließen, ins Absurde fielen, z. B. Hamann;
bei Heine ist das Gegentheil der Fall. Erklären läßt es sich: bei allem Reich¬
thum der Bilder seiner Phantasie war sein stilles inneres Leben arm und
eigentlich inhaltlos; seine Gedanken beschäftigten sich vielmehr mit seinen
wirkliche» und möglichen Recensenten als mit irgend etwas Anderem Er
.
I. S. lebte nur für das Publicum. ,




Ernst Rietschel.
2.

Im Jahre ,832 wurde Rietschel als Professor der Bildhauerei nach
Dresden berufen.

Sein äußeres Leben wird jetzt einförmiger; aber innerlich ist es nur um
so bewegter und kampfvoller. Es war ein Leben unablässigen Schaffens
und Denkens. Schwere Schicksalsschläge kamen über ihn. Drei Frauen raubte
ihm der Tod. Schon früh zeigten sich die Keime der Schwindsucht, mit wel¬
cher er leidvoll zu ringen hatte. Die Unermüdlichkeit seines Arbeitens wurde
durch oft zurückkehrende Anfälle gefährlichen Bluthustens, durch einen längeren
Aufenthalt in Palermo und durch jährliche, wiederholte Badereisen nach
Meran, Ems, Badenweiler und Reichenhall höchst bedauerlich unterbrochen.
Aber die Schule des Leidens stählte und kräftigte sein edles Herz. Mit jedem


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0304" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111736"/>
          <p xml:id="ID_1012" prev="#ID_1011"> entsagten und stemmten und waren doch vielleicht glücklicher, als jene harten<lb/>
Gladiatoren. Das tausendjährige Reich der Romantik hat ein Ende, und ich<lb/>
selbst bin sein letzter und abgedankter Fabelkönig. Hätte ich nicht die Krone<lb/>
vom Haupt sortgeschmissen, sie hätten mich richtig geköpft." .</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1013"> 5. Jan, 1845: &#x201E;Zu den traurigsten Widerwärtigkeiten des Exils gehört,<lb/>
daß wir dadurch in schlechte Gesellschaft gerathen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1014"> 22. Dec. 1845: Ehrenerklärung für Madame Strauß, die er in seinem<lb/>
Buch über Börne verläumdet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1015"> 7. Juli 1847: offener Brief mit der Erklärung, er sei nicht öffentlich ge-<lb/>
ohrfeigt worden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1016"> Dies etwa die Ausbeute;- sie ist nicht groß, &#x2014; Wir haben in Deutsch¬<lb/>
land nicht wenig Schriftsteller gehabt, die vortreffliche geistreiche Briefe schrie¬<lb/>
ben, wenn sie aber etwas drucken ließen, ins Absurde fielen, z. B. Hamann;<lb/>
bei Heine ist das Gegentheil der Fall. Erklären läßt es sich: bei allem Reich¬<lb/>
thum der Bilder seiner Phantasie war sein stilles inneres Leben arm und<lb/>
eigentlich inhaltlos; seine Gedanken beschäftigten sich vielmehr mit seinen<lb/>
wirkliche» und möglichen Recensenten als mit irgend etwas Anderem Er<lb/><note type="byline"> .<lb/>
I. S.</note> lebte nur für das Publicum.  , </p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Ernst Rietschel.</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> 2.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1017"> Im Jahre ,832 wurde Rietschel als Professor der Bildhauerei nach<lb/>
Dresden berufen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1018" next="#ID_1019"> Sein äußeres Leben wird jetzt einförmiger; aber innerlich ist es nur um<lb/>
so bewegter und kampfvoller. Es war ein Leben unablässigen Schaffens<lb/>
und Denkens. Schwere Schicksalsschläge kamen über ihn. Drei Frauen raubte<lb/>
ihm der Tod. Schon früh zeigten sich die Keime der Schwindsucht, mit wel¬<lb/>
cher er leidvoll zu ringen hatte. Die Unermüdlichkeit seines Arbeitens wurde<lb/>
durch oft zurückkehrende Anfälle gefährlichen Bluthustens, durch einen längeren<lb/>
Aufenthalt in Palermo und durch jährliche, wiederholte Badereisen nach<lb/>
Meran, Ems, Badenweiler und Reichenhall höchst bedauerlich unterbrochen.<lb/>
Aber die Schule des Leidens stählte und kräftigte sein edles Herz. Mit jedem</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0304] entsagten und stemmten und waren doch vielleicht glücklicher, als jene harten Gladiatoren. Das tausendjährige Reich der Romantik hat ein Ende, und ich selbst bin sein letzter und abgedankter Fabelkönig. Hätte ich nicht die Krone vom Haupt sortgeschmissen, sie hätten mich richtig geköpft." . 5. Jan, 1845: „Zu den traurigsten Widerwärtigkeiten des Exils gehört, daß wir dadurch in schlechte Gesellschaft gerathen." 22. Dec. 1845: Ehrenerklärung für Madame Strauß, die er in seinem Buch über Börne verläumdet. 7. Juli 1847: offener Brief mit der Erklärung, er sei nicht öffentlich ge- ohrfeigt worden. Dies etwa die Ausbeute;- sie ist nicht groß, — Wir haben in Deutsch¬ land nicht wenig Schriftsteller gehabt, die vortreffliche geistreiche Briefe schrie¬ ben, wenn sie aber etwas drucken ließen, ins Absurde fielen, z. B. Hamann; bei Heine ist das Gegentheil der Fall. Erklären läßt es sich: bei allem Reich¬ thum der Bilder seiner Phantasie war sein stilles inneres Leben arm und eigentlich inhaltlos; seine Gedanken beschäftigten sich vielmehr mit seinen wirkliche» und möglichen Recensenten als mit irgend etwas Anderem Er . I. S. lebte nur für das Publicum. , Ernst Rietschel. 2. Im Jahre ,832 wurde Rietschel als Professor der Bildhauerei nach Dresden berufen. Sein äußeres Leben wird jetzt einförmiger; aber innerlich ist es nur um so bewegter und kampfvoller. Es war ein Leben unablässigen Schaffens und Denkens. Schwere Schicksalsschläge kamen über ihn. Drei Frauen raubte ihm der Tod. Schon früh zeigten sich die Keime der Schwindsucht, mit wel¬ cher er leidvoll zu ringen hatte. Die Unermüdlichkeit seines Arbeitens wurde durch oft zurückkehrende Anfälle gefährlichen Bluthustens, durch einen längeren Aufenthalt in Palermo und durch jährliche, wiederholte Badereisen nach Meran, Ems, Badenweiler und Reichenhall höchst bedauerlich unterbrochen. Aber die Schule des Leidens stählte und kräftigte sein edles Herz. Mit jedem

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/304
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/304>, abgerufen am 28.06.2024.