Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

treten. Er wird jedoch Hindernisse finden. Unser Erzherzog Statthalter, der
Bruder des Kaisers, ließ im vorigen Sonnner durch einen wegen seines Zelo¬
tismus berüchtigten Geistlichen alle Gründe gegen die Ansiedlung der Pro¬
testanten zusammenstellen. Am Schlüsse des Landtages sagte er zu Hasel-
wautcr, der gewiß nicht im Sinne des kaiserlichen Patentes vom 8. April
den Antrag des Bischofs von Brixen vertheidigte: "Das ernste und mann¬
hafte Wort, das Sie in der Neligionsfrage gesprochen, hat mich gefreut; ich
sage Ihnen dafür hiermit meinen Dank." Das ist eine sehr entschiedene
Parteinahme für die ultramontane Partei, welche bezüglich der Stimmung
am Hofe über diese wichtige Angelegenheit sehr ernste Bedenken aufsteigen
läßt. Wird Schmerling hier durchdringen? Der Freund des Vaterlandes
blickt nicht ohne Sorge in die Zukunft, Vertrauen erwecken solche Worte
gewiß nicht. Die Ultramontanen sind aus Freude über ihren Sieg ganz
außer sich; auf dem Lande ließen sie alle Glocken läuten und mit Böllern
schießen, doch konnten sie nicht hindern, daß Hasclwanter eine Katzenmusik
erhielt und an die liberalen Abgeordneten Zustimmungsadressen gelangten.
Gegenwärtig wird von Hans zu Haus der Petcrspfennig gesammelt, selbst
arme Dienstboten werden um ihre ersparten Kreuzer angebettelt; da die Geist¬
lichkeit großen Einfluß hat, wagen nur wenige, diese unverschämte Zudring¬
lichkeit abzuwehren.




Von der preußischen Grenze.

Der Vortrag über die Macdonald'sehe Angelegenheit, welchen Lord Pät'
merston im Unterhaus zu halten sich bemüßigt fand, zwingt uns noch einmal
auf dieselbe zurückkommen: sie verdient in der That auch von der preußisch?"
Regierung die ernsthafteste Erwägung.

Lord Palmerston hat die Ausdrucksweise seines Freundes Lord Job"
noch bedeutend verschärft. Er hat auf die preußischen Gesetze und das Ver¬
halten der preußischen Behörden die beleidigendsten Ausdrücke angewandt, die
er in seinem Vocabularium nur finden konnte; er hat das preußische Volk
beklagt, unter solchen Gesetzen und unter solchen Behörden leben zu müssen-
Aber er hat noch mehr gethan. Indem er anerkannte, daß nach dem Aus-


treten. Er wird jedoch Hindernisse finden. Unser Erzherzog Statthalter, der
Bruder des Kaisers, ließ im vorigen Sonnner durch einen wegen seines Zelo¬
tismus berüchtigten Geistlichen alle Gründe gegen die Ansiedlung der Pro¬
testanten zusammenstellen. Am Schlüsse des Landtages sagte er zu Hasel-
wautcr, der gewiß nicht im Sinne des kaiserlichen Patentes vom 8. April
den Antrag des Bischofs von Brixen vertheidigte: „Das ernste und mann¬
hafte Wort, das Sie in der Neligionsfrage gesprochen, hat mich gefreut; ich
sage Ihnen dafür hiermit meinen Dank." Das ist eine sehr entschiedene
Parteinahme für die ultramontane Partei, welche bezüglich der Stimmung
am Hofe über diese wichtige Angelegenheit sehr ernste Bedenken aufsteigen
läßt. Wird Schmerling hier durchdringen? Der Freund des Vaterlandes
blickt nicht ohne Sorge in die Zukunft, Vertrauen erwecken solche Worte
gewiß nicht. Die Ultramontanen sind aus Freude über ihren Sieg ganz
außer sich; auf dem Lande ließen sie alle Glocken läuten und mit Böllern
schießen, doch konnten sie nicht hindern, daß Hasclwanter eine Katzenmusik
erhielt und an die liberalen Abgeordneten Zustimmungsadressen gelangten.
Gegenwärtig wird von Hans zu Haus der Petcrspfennig gesammelt, selbst
arme Dienstboten werden um ihre ersparten Kreuzer angebettelt; da die Geist¬
lichkeit großen Einfluß hat, wagen nur wenige, diese unverschämte Zudring¬
lichkeit abzuwehren.




Von der preußischen Grenze.

Der Vortrag über die Macdonald'sehe Angelegenheit, welchen Lord Pät'
merston im Unterhaus zu halten sich bemüßigt fand, zwingt uns noch einmal
auf dieselbe zurückkommen: sie verdient in der That auch von der preußisch?"
Regierung die ernsthafteste Erwägung.

Lord Palmerston hat die Ausdrucksweise seines Freundes Lord Job"
noch bedeutend verschärft. Er hat auf die preußischen Gesetze und das Ver¬
halten der preußischen Behörden die beleidigendsten Ausdrücke angewandt, die
er in seinem Vocabularium nur finden konnte; er hat das preußische Volk
beklagt, unter solchen Gesetzen und unter solchen Behörden leben zu müssen-
Aber er hat noch mehr gethan. Indem er anerkannte, daß nach dem Aus-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0244" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111676"/>
          <p xml:id="ID_741" prev="#ID_740"> treten. Er wird jedoch Hindernisse finden. Unser Erzherzog Statthalter, der<lb/>
Bruder des Kaisers, ließ im vorigen Sonnner durch einen wegen seines Zelo¬<lb/>
tismus berüchtigten Geistlichen alle Gründe gegen die Ansiedlung der Pro¬<lb/>
testanten zusammenstellen. Am Schlüsse des Landtages sagte er zu Hasel-<lb/>
wautcr, der gewiß nicht im Sinne des kaiserlichen Patentes vom 8. April<lb/>
den Antrag des Bischofs von Brixen vertheidigte: &#x201E;Das ernste und mann¬<lb/>
hafte Wort, das Sie in der Neligionsfrage gesprochen, hat mich gefreut; ich<lb/>
sage Ihnen dafür hiermit meinen Dank." Das ist eine sehr entschiedene<lb/>
Parteinahme für die ultramontane Partei, welche bezüglich der Stimmung<lb/>
am Hofe über diese wichtige Angelegenheit sehr ernste Bedenken aufsteigen<lb/>
läßt. Wird Schmerling hier durchdringen? Der Freund des Vaterlandes<lb/>
blickt nicht ohne Sorge in die Zukunft, Vertrauen erwecken solche Worte<lb/>
gewiß nicht. Die Ultramontanen sind aus Freude über ihren Sieg ganz<lb/>
außer sich; auf dem Lande ließen sie alle Glocken läuten und mit Böllern<lb/>
schießen, doch konnten sie nicht hindern, daß Hasclwanter eine Katzenmusik<lb/>
erhielt und an die liberalen Abgeordneten Zustimmungsadressen gelangten.<lb/>
Gegenwärtig wird von Hans zu Haus der Petcrspfennig gesammelt, selbst<lb/>
arme Dienstboten werden um ihre ersparten Kreuzer angebettelt; da die Geist¬<lb/>
lichkeit großen Einfluß hat, wagen nur wenige, diese unverschämte Zudring¬<lb/>
lichkeit abzuwehren.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Von der preußischen Grenze.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_742"> Der Vortrag über die Macdonald'sehe Angelegenheit, welchen Lord Pät'<lb/>
merston im Unterhaus zu halten sich bemüßigt fand, zwingt uns noch einmal<lb/>
auf dieselbe zurückkommen: sie verdient in der That auch von der preußisch?"<lb/>
Regierung die ernsthafteste Erwägung.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_743" next="#ID_744"> Lord Palmerston hat die Ausdrucksweise seines Freundes Lord Job"<lb/>
noch bedeutend verschärft. Er hat auf die preußischen Gesetze und das Ver¬<lb/>
halten der preußischen Behörden die beleidigendsten Ausdrücke angewandt, die<lb/>
er in seinem Vocabularium nur finden konnte; er hat das preußische Volk<lb/>
beklagt, unter solchen Gesetzen und unter solchen Behörden leben zu müssen-<lb/>
Aber er hat noch mehr gethan. Indem er anerkannte, daß nach dem Aus-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0244] treten. Er wird jedoch Hindernisse finden. Unser Erzherzog Statthalter, der Bruder des Kaisers, ließ im vorigen Sonnner durch einen wegen seines Zelo¬ tismus berüchtigten Geistlichen alle Gründe gegen die Ansiedlung der Pro¬ testanten zusammenstellen. Am Schlüsse des Landtages sagte er zu Hasel- wautcr, der gewiß nicht im Sinne des kaiserlichen Patentes vom 8. April den Antrag des Bischofs von Brixen vertheidigte: „Das ernste und mann¬ hafte Wort, das Sie in der Neligionsfrage gesprochen, hat mich gefreut; ich sage Ihnen dafür hiermit meinen Dank." Das ist eine sehr entschiedene Parteinahme für die ultramontane Partei, welche bezüglich der Stimmung am Hofe über diese wichtige Angelegenheit sehr ernste Bedenken aufsteigen läßt. Wird Schmerling hier durchdringen? Der Freund des Vaterlandes blickt nicht ohne Sorge in die Zukunft, Vertrauen erwecken solche Worte gewiß nicht. Die Ultramontanen sind aus Freude über ihren Sieg ganz außer sich; auf dem Lande ließen sie alle Glocken läuten und mit Böllern schießen, doch konnten sie nicht hindern, daß Hasclwanter eine Katzenmusik erhielt und an die liberalen Abgeordneten Zustimmungsadressen gelangten. Gegenwärtig wird von Hans zu Haus der Petcrspfennig gesammelt, selbst arme Dienstboten werden um ihre ersparten Kreuzer angebettelt; da die Geist¬ lichkeit großen Einfluß hat, wagen nur wenige, diese unverschämte Zudring¬ lichkeit abzuwehren. Von der preußischen Grenze. Der Vortrag über die Macdonald'sehe Angelegenheit, welchen Lord Pät' merston im Unterhaus zu halten sich bemüßigt fand, zwingt uns noch einmal auf dieselbe zurückkommen: sie verdient in der That auch von der preußisch?" Regierung die ernsthafteste Erwägung. Lord Palmerston hat die Ausdrucksweise seines Freundes Lord Job" noch bedeutend verschärft. Er hat auf die preußischen Gesetze und das Ver¬ halten der preußischen Behörden die beleidigendsten Ausdrücke angewandt, die er in seinem Vocabularium nur finden konnte; er hat das preußische Volk beklagt, unter solchen Gesetzen und unter solchen Behörden leben zu müssen- Aber er hat noch mehr gethan. Indem er anerkannte, daß nach dem Aus-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/244
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/244>, abgerufen am 28.06.2024.