Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Regensburger Folterkammer.

Auf der Burg zu Nürnberg befindet sich in einem Gemache unfern de"
Eingangs eine Sammlung von Werkzeugen der mittelalterlichen und späteren
Justizpflege, Von den Dmimcnfchrauben angefangen bis zum Richtschwert
und dem schrecklichen Rade sind alle derartigen Erfordernisse reichlich vertreten
und sorgsam erhalten. Das Rathhaus zu Regensburg aber, das von derlei
Gegenständen nichts aufweisen kann, besitzt eine noch vollkommen erhaltene
Folterkammer mit allen ihren Zuthaten, deren Besuch Manchem von Interesse
sein dürfte.

Vordem Eingang zur Folterkammer bemerkt man eine Bank, worauf
der Delinquent vor der Tortur noch eine Viertelstunde sitzen durfte, um Zeit zur
Ueberlegung zu gewinnen, ob er freiwillig bekennen wolle oder nicht. Die
Marterwerkzeuge konnte er durch eine in der Thür angebrachte Oeffnung sich
genan besehen. Der Eingang geht dann vier Stufen abwärts. Im Vorder¬
grunde links ist eine Bank, worauf der Wundarzt, welcher die Dauer der
Folter nach der Körperkraft des Delinquenten zu bestimmen, auch nöthigen-
fnlls chirurgische Hilfe zu leisten halte, dann der Scharfrichter Platz nahmen.
Am Platz des Scharfrichters fehlt der Bank die Lehne, weil jener ein unehr¬
licher Gesell war. Derselbe durste sich erst setzen, nachdem der zu Quälende
an das bestimmte Marterwerkzeug festgebunden war; die Handarbeit selbst ver¬
richteten gewöhnlich zwei Henkersknechte. Hinter dem rechts befindlichen Git¬
ter saß der Blutrichter, dessen zwei Lichter mit Schirmen versehen waren, so
daß der Gemarterte unmöglich das Antlitz desselben erkennen konnte, eine Vor¬
sichtsmaßregel, die verhüten sollte, daß jener sich räche, wenn er wieder frei
-Würde.

Die Untersuchungsrichter behandelten das Foltern als Wissenschaft, ans
deren Kunstausdrücke sie sich uicht wenig zu Gute thaten. Fast alle Unter¬
suchungen fingen damit an, daß der Scharfrichter den Gefangenen nach ge¬
wissen Urenkeln. die er vom Richter empfing, gütlich, befragte, wobei es schon
ziemlich unsanft zuging mit Angreifen. Niederdrücken und ungebunden auf eine
^iter Ausstrecken. Dann folgte nach einigen Tagen oder Wochen der "größere
^ruft des "peinlichen Bcfragens", des Aufziehens mit angehängten Gewichten
U"d gebundenem Körper, was man "ein kleines Züglein sehen lassen" --
k'um "Gesellenzug" -- nannte. Es hing lediglich von dem Gefallen des
^clchnchw's ab. ob er der'Züge einen oder ein paar, milder oder gröber,
wachen wollte. Das letztere wird leider das Gewöhnliche gewesen sein. Für


Die Regensburger Folterkammer.

Auf der Burg zu Nürnberg befindet sich in einem Gemache unfern de«
Eingangs eine Sammlung von Werkzeugen der mittelalterlichen und späteren
Justizpflege, Von den Dmimcnfchrauben angefangen bis zum Richtschwert
und dem schrecklichen Rade sind alle derartigen Erfordernisse reichlich vertreten
und sorgsam erhalten. Das Rathhaus zu Regensburg aber, das von derlei
Gegenständen nichts aufweisen kann, besitzt eine noch vollkommen erhaltene
Folterkammer mit allen ihren Zuthaten, deren Besuch Manchem von Interesse
sein dürfte.

Vordem Eingang zur Folterkammer bemerkt man eine Bank, worauf
der Delinquent vor der Tortur noch eine Viertelstunde sitzen durfte, um Zeit zur
Ueberlegung zu gewinnen, ob er freiwillig bekennen wolle oder nicht. Die
Marterwerkzeuge konnte er durch eine in der Thür angebrachte Oeffnung sich
genan besehen. Der Eingang geht dann vier Stufen abwärts. Im Vorder¬
grunde links ist eine Bank, worauf der Wundarzt, welcher die Dauer der
Folter nach der Körperkraft des Delinquenten zu bestimmen, auch nöthigen-
fnlls chirurgische Hilfe zu leisten halte, dann der Scharfrichter Platz nahmen.
Am Platz des Scharfrichters fehlt der Bank die Lehne, weil jener ein unehr¬
licher Gesell war. Derselbe durste sich erst setzen, nachdem der zu Quälende
an das bestimmte Marterwerkzeug festgebunden war; die Handarbeit selbst ver¬
richteten gewöhnlich zwei Henkersknechte. Hinter dem rechts befindlichen Git¬
ter saß der Blutrichter, dessen zwei Lichter mit Schirmen versehen waren, so
daß der Gemarterte unmöglich das Antlitz desselben erkennen konnte, eine Vor¬
sichtsmaßregel, die verhüten sollte, daß jener sich räche, wenn er wieder frei
-Würde.

Die Untersuchungsrichter behandelten das Foltern als Wissenschaft, ans
deren Kunstausdrücke sie sich uicht wenig zu Gute thaten. Fast alle Unter¬
suchungen fingen damit an, daß der Scharfrichter den Gefangenen nach ge¬
wissen Urenkeln. die er vom Richter empfing, gütlich, befragte, wobei es schon
ziemlich unsanft zuging mit Angreifen. Niederdrücken und ungebunden auf eine
^iter Ausstrecken. Dann folgte nach einigen Tagen oder Wochen der "größere
^ruft des „peinlichen Bcfragens", des Aufziehens mit angehängten Gewichten
U"d gebundenem Körper, was man „ein kleines Züglein sehen lassen" —
k'um „Gesellenzug" — nannte. Es hing lediglich von dem Gefallen des
^clchnchw's ab. ob er der'Züge einen oder ein paar, milder oder gröber,
wachen wollte. Das letztere wird leider das Gewöhnliche gewesen sein. Für


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0201" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111633"/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Regensburger Folterkammer.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_594"> Auf der Burg zu Nürnberg befindet sich in einem Gemache unfern de«<lb/>
Eingangs eine Sammlung von Werkzeugen der mittelalterlichen und späteren<lb/>
Justizpflege, Von den Dmimcnfchrauben angefangen bis zum Richtschwert<lb/>
und dem schrecklichen Rade sind alle derartigen Erfordernisse reichlich vertreten<lb/>
und sorgsam erhalten. Das Rathhaus zu Regensburg aber, das von derlei<lb/>
Gegenständen nichts aufweisen kann, besitzt eine noch vollkommen erhaltene<lb/>
Folterkammer mit allen ihren Zuthaten, deren Besuch Manchem von Interesse<lb/>
sein dürfte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_595"> Vordem Eingang zur Folterkammer bemerkt man eine Bank, worauf<lb/>
der Delinquent vor der Tortur noch eine Viertelstunde sitzen durfte, um Zeit zur<lb/>
Ueberlegung zu gewinnen, ob er freiwillig bekennen wolle oder nicht. Die<lb/>
Marterwerkzeuge konnte er durch eine in der Thür angebrachte Oeffnung sich<lb/>
genan besehen. Der Eingang geht dann vier Stufen abwärts. Im Vorder¬<lb/>
grunde links ist eine Bank, worauf der Wundarzt, welcher die Dauer der<lb/>
Folter nach der Körperkraft des Delinquenten zu bestimmen, auch nöthigen-<lb/>
fnlls chirurgische Hilfe zu leisten halte, dann der Scharfrichter Platz nahmen.<lb/>
Am Platz des Scharfrichters fehlt der Bank die Lehne, weil jener ein unehr¬<lb/>
licher Gesell war. Derselbe durste sich erst setzen, nachdem der zu Quälende<lb/>
an das bestimmte Marterwerkzeug festgebunden war; die Handarbeit selbst ver¬<lb/>
richteten gewöhnlich zwei Henkersknechte. Hinter dem rechts befindlichen Git¬<lb/>
ter saß der Blutrichter, dessen zwei Lichter mit Schirmen versehen waren, so<lb/>
daß der Gemarterte unmöglich das Antlitz desselben erkennen konnte, eine Vor¬<lb/>
sichtsmaßregel, die verhüten sollte, daß jener sich räche, wenn er wieder frei<lb/>
-Würde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_596" next="#ID_597"> Die Untersuchungsrichter behandelten das Foltern als Wissenschaft, ans<lb/>
deren Kunstausdrücke sie sich uicht wenig zu Gute thaten. Fast alle Unter¬<lb/>
suchungen fingen damit an, daß der Scharfrichter den Gefangenen nach ge¬<lb/>
wissen Urenkeln. die er vom Richter empfing, gütlich, befragte, wobei es schon<lb/>
ziemlich unsanft zuging mit Angreifen. Niederdrücken und ungebunden auf eine<lb/>
^iter Ausstrecken. Dann folgte nach einigen Tagen oder Wochen der "größere<lb/>
^ruft des &#x201E;peinlichen Bcfragens", des Aufziehens mit angehängten Gewichten<lb/>
U"d gebundenem Körper, was man &#x201E;ein kleines Züglein sehen lassen" &#x2014;<lb/>
k'um &#x201E;Gesellenzug" &#x2014; nannte. Es hing lediglich von dem Gefallen des<lb/>
^clchnchw's ab. ob er der'Züge einen oder ein paar, milder oder gröber,<lb/>
wachen wollte.  Das letztere wird leider das Gewöhnliche gewesen sein. Für</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0201] Die Regensburger Folterkammer. Auf der Burg zu Nürnberg befindet sich in einem Gemache unfern de« Eingangs eine Sammlung von Werkzeugen der mittelalterlichen und späteren Justizpflege, Von den Dmimcnfchrauben angefangen bis zum Richtschwert und dem schrecklichen Rade sind alle derartigen Erfordernisse reichlich vertreten und sorgsam erhalten. Das Rathhaus zu Regensburg aber, das von derlei Gegenständen nichts aufweisen kann, besitzt eine noch vollkommen erhaltene Folterkammer mit allen ihren Zuthaten, deren Besuch Manchem von Interesse sein dürfte. Vordem Eingang zur Folterkammer bemerkt man eine Bank, worauf der Delinquent vor der Tortur noch eine Viertelstunde sitzen durfte, um Zeit zur Ueberlegung zu gewinnen, ob er freiwillig bekennen wolle oder nicht. Die Marterwerkzeuge konnte er durch eine in der Thür angebrachte Oeffnung sich genan besehen. Der Eingang geht dann vier Stufen abwärts. Im Vorder¬ grunde links ist eine Bank, worauf der Wundarzt, welcher die Dauer der Folter nach der Körperkraft des Delinquenten zu bestimmen, auch nöthigen- fnlls chirurgische Hilfe zu leisten halte, dann der Scharfrichter Platz nahmen. Am Platz des Scharfrichters fehlt der Bank die Lehne, weil jener ein unehr¬ licher Gesell war. Derselbe durste sich erst setzen, nachdem der zu Quälende an das bestimmte Marterwerkzeug festgebunden war; die Handarbeit selbst ver¬ richteten gewöhnlich zwei Henkersknechte. Hinter dem rechts befindlichen Git¬ ter saß der Blutrichter, dessen zwei Lichter mit Schirmen versehen waren, so daß der Gemarterte unmöglich das Antlitz desselben erkennen konnte, eine Vor¬ sichtsmaßregel, die verhüten sollte, daß jener sich räche, wenn er wieder frei -Würde. Die Untersuchungsrichter behandelten das Foltern als Wissenschaft, ans deren Kunstausdrücke sie sich uicht wenig zu Gute thaten. Fast alle Unter¬ suchungen fingen damit an, daß der Scharfrichter den Gefangenen nach ge¬ wissen Urenkeln. die er vom Richter empfing, gütlich, befragte, wobei es schon ziemlich unsanft zuging mit Angreifen. Niederdrücken und ungebunden auf eine ^iter Ausstrecken. Dann folgte nach einigen Tagen oder Wochen der "größere ^ruft des „peinlichen Bcfragens", des Aufziehens mit angehängten Gewichten U"d gebundenem Körper, was man „ein kleines Züglein sehen lassen" — k'um „Gesellenzug" — nannte. Es hing lediglich von dem Gefallen des ^clchnchw's ab. ob er der'Züge einen oder ein paar, milder oder gröber, wachen wollte. Das letztere wird leider das Gewöhnliche gewesen sein. Für

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/201
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/201>, abgerufen am 22.07.2024.