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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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Völkerverkehr noch nicht vorgekommen! -- Der offene Brief endlich des Herzogs
von Anmale an den Prinzen Napoleon ist geistreich, pikant und echt franzö¬
sisch geschrieben; er trifft viele wunde Stellen und wird das geistreiche Volk
Wochen lang glücklich machen; wenn aber die Orleans weiter nichts Positives
zu bieten haben, als was in diesem Briefe steht, so hat die neue Dynastie
noch lange nichts zu fürchten.

Noch müssen wir das neue von Lammers in Frankfurt a. M. heraus¬
gegebene Tageblatt die Zeit erwähnen, welches gründlich, tüchtig und sach¬
gemäß neben der Süddeutschen Zeitung unsere Interessen in jenen
Gegenden vertritt, wo es so sehr Noth thut. Jeder Patriot und Freund der
Partei ist verpflichtet, diese Blätter, die einen schweren Stand haben, nach
K -j- -j- räften zu unterstützen.




Literatur.

Leidin und Erquickungen eines, von den Dänen in Gefangenschaft gehaltenen
und aus der Heimath vertriebenen schleswigschen Geistlichen. -- Erzählt von ihm
selbst: Gustav Schumacher. Barmer, W. Langcwicsches Buchhandlung 1861. Der
Verfasser war Oberpfarrer zu Tönningcn in Eiderstädt, unterschrieb die bekannte
Erklärung der Schleswig-holsteinischen Geistlichkeit, weigerte sich, das nach Occupation
Schleswigs durch die Dänen vorgeschriebene Kirchengebet zu sprechen und wurde des¬
halb abgesetzt, aus rücksichtslose. Weise in die Gefangenschaft nach Führer geschleppt
und von Pöbel und Polizei vielfach gemißhandelt. Später zur Auswanderung nach
Deutschland gezwungen, erhielt er zuerst eine Hilfspredigerstclle im Wupperthale,
dann ein Pastorat bei Saarlouis. Der erste Theil des Buchs macht einen guten
Eindruck. Ein correcter Schleswig-Holstcincr erzählt uns, bisweilen etwas breit,
wie das geistlichen Herren häufig passirt, im Allgemeinen aber anschaulich, von sei"
nen Erlebnissen und Leiden während der Erhebung der Herzogthümer, und wir zie¬
hen vor seiner treuen und tapfern Gesinnung den Hut. Weiterhin finden wir
dazu keine Veranlassung. Schon in der Heimath zu einer pietistischen Auffassung des
Lebens geneigt, scheint er im Wupperthal noch mehr in diese Richtung gerathen zu sei"
und endlich mit vollkommenem Aberglauben geendet zu haben. Die Schlacht det
Jdstädt ist (S. 32) verloren worden, "weil unsere Schleswig-holsteinischen Krieger
Fleisch zu ihrem Arm machten und es an der demüthigen Beugung vor Gott, dem


Völkerverkehr noch nicht vorgekommen! — Der offene Brief endlich des Herzogs
von Anmale an den Prinzen Napoleon ist geistreich, pikant und echt franzö¬
sisch geschrieben; er trifft viele wunde Stellen und wird das geistreiche Volk
Wochen lang glücklich machen; wenn aber die Orleans weiter nichts Positives
zu bieten haben, als was in diesem Briefe steht, so hat die neue Dynastie
noch lange nichts zu fürchten.

Noch müssen wir das neue von Lammers in Frankfurt a. M. heraus¬
gegebene Tageblatt die Zeit erwähnen, welches gründlich, tüchtig und sach¬
gemäß neben der Süddeutschen Zeitung unsere Interessen in jenen
Gegenden vertritt, wo es so sehr Noth thut. Jeder Patriot und Freund der
Partei ist verpflichtet, diese Blätter, die einen schweren Stand haben, nach
K -j- -j- räften zu unterstützen.




Literatur.

Leidin und Erquickungen eines, von den Dänen in Gefangenschaft gehaltenen
und aus der Heimath vertriebenen schleswigschen Geistlichen. — Erzählt von ihm
selbst: Gustav Schumacher. Barmer, W. Langcwicsches Buchhandlung 1861. Der
Verfasser war Oberpfarrer zu Tönningcn in Eiderstädt, unterschrieb die bekannte
Erklärung der Schleswig-holsteinischen Geistlichkeit, weigerte sich, das nach Occupation
Schleswigs durch die Dänen vorgeschriebene Kirchengebet zu sprechen und wurde des¬
halb abgesetzt, aus rücksichtslose. Weise in die Gefangenschaft nach Führer geschleppt
und von Pöbel und Polizei vielfach gemißhandelt. Später zur Auswanderung nach
Deutschland gezwungen, erhielt er zuerst eine Hilfspredigerstclle im Wupperthale,
dann ein Pastorat bei Saarlouis. Der erste Theil des Buchs macht einen guten
Eindruck. Ein correcter Schleswig-Holstcincr erzählt uns, bisweilen etwas breit,
wie das geistlichen Herren häufig passirt, im Allgemeinen aber anschaulich, von sei"
nen Erlebnissen und Leiden während der Erhebung der Herzogthümer, und wir zie¬
hen vor seiner treuen und tapfern Gesinnung den Hut. Weiterhin finden wir
dazu keine Veranlassung. Schon in der Heimath zu einer pietistischen Auffassung des
Lebens geneigt, scheint er im Wupperthal noch mehr in diese Richtung gerathen zu sei»
und endlich mit vollkommenem Aberglauben geendet zu haben. Die Schlacht det
Jdstädt ist (S. 32) verloren worden, „weil unsere Schleswig-holsteinischen Krieger
Fleisch zu ihrem Arm machten und es an der demüthigen Beugung vor Gott, dem


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[0168] Völkerverkehr noch nicht vorgekommen! — Der offene Brief endlich des Herzogs von Anmale an den Prinzen Napoleon ist geistreich, pikant und echt franzö¬ sisch geschrieben; er trifft viele wunde Stellen und wird das geistreiche Volk Wochen lang glücklich machen; wenn aber die Orleans weiter nichts Positives zu bieten haben, als was in diesem Briefe steht, so hat die neue Dynastie noch lange nichts zu fürchten. Noch müssen wir das neue von Lammers in Frankfurt a. M. heraus¬ gegebene Tageblatt die Zeit erwähnen, welches gründlich, tüchtig und sach¬ gemäß neben der Süddeutschen Zeitung unsere Interessen in jenen Gegenden vertritt, wo es so sehr Noth thut. Jeder Patriot und Freund der Partei ist verpflichtet, diese Blätter, die einen schweren Stand haben, nach K -j- -j- räften zu unterstützen. Literatur. Leidin und Erquickungen eines, von den Dänen in Gefangenschaft gehaltenen und aus der Heimath vertriebenen schleswigschen Geistlichen. — Erzählt von ihm selbst: Gustav Schumacher. Barmer, W. Langcwicsches Buchhandlung 1861. Der Verfasser war Oberpfarrer zu Tönningcn in Eiderstädt, unterschrieb die bekannte Erklärung der Schleswig-holsteinischen Geistlichkeit, weigerte sich, das nach Occupation Schleswigs durch die Dänen vorgeschriebene Kirchengebet zu sprechen und wurde des¬ halb abgesetzt, aus rücksichtslose. Weise in die Gefangenschaft nach Führer geschleppt und von Pöbel und Polizei vielfach gemißhandelt. Später zur Auswanderung nach Deutschland gezwungen, erhielt er zuerst eine Hilfspredigerstclle im Wupperthale, dann ein Pastorat bei Saarlouis. Der erste Theil des Buchs macht einen guten Eindruck. Ein correcter Schleswig-Holstcincr erzählt uns, bisweilen etwas breit, wie das geistlichen Herren häufig passirt, im Allgemeinen aber anschaulich, von sei" nen Erlebnissen und Leiden während der Erhebung der Herzogthümer, und wir zie¬ hen vor seiner treuen und tapfern Gesinnung den Hut. Weiterhin finden wir dazu keine Veranlassung. Schon in der Heimath zu einer pietistischen Auffassung des Lebens geneigt, scheint er im Wupperthal noch mehr in diese Richtung gerathen zu sei» und endlich mit vollkommenem Aberglauben geendet zu haben. Die Schlacht det Jdstädt ist (S. 32) verloren worden, „weil unsere Schleswig-holsteinischen Krieger Fleisch zu ihrem Arm machten und es an der demüthigen Beugung vor Gott, dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/168>, abgerufen am 22.07.2024.