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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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Allein vor zwanzig Jahren wäre es in Tirol geradenwegs unmöglich gewesen,
auch nur einen Liberalen durchzusetzen, und die Männer, die jetzt gewählt wur¬
den, gehören überdies der Intelligenz des Landes an und ragen hervor durch
Unabhängigkeit des Charakters. Auch die Mittelpartei wird in vielen Fällen
mit den Liberalen stimmen. Dieser Landtag wird ein Schauspiel bieten, wie
bisher noch keiner in Tirol und jedenfalls den Eintritt Tirols in die Bahnen
deutschen Verfassungslebens bezeichnen. Ich werde seiner Zeit darüber aus¬
führlich berichten.




Stimmen aus Oestreich.

Wenn bereits in der deutschen Bewegung das Gefühl einen wenigstens
ebenso breiten Raum einnimmt, ^als der Verstand, so tritt das in Oestreich
"och viel auffallender hervor; es wird sich überall herausstellen, wo von
einem Markt des öffentlichen Lebens wenig die Rede war, und wo das po¬
litische Interesse sich nur in stillen freundschaftlichen Betrachtungen und Con-
spirationen oder im einsamen Brüten geltend machen konnte. Unsere Leser
werden uns verzeihen, wenn wir als Probe einen uns zugeschickten Brief
an, Garibcildi mittheilen; der Brief wird auf diese Weise zwar schwerlich
an seine Adresse gelangen (-- es ist Schade! der tapfere General würde ihn
gewiß in ähnlichem Stil beantworten), aber man wird daraus sehen, wie
wunderlich auch bei wohlgestimmten Gemüthern die Gefühle gegen einander
ankämpfen. -- Hier ist der Brief: unverändert, wie wir ihn empfangen
haben.

Es liegt die Leutseligkeit im Charakter der Helden; Du bist ein Held,
ein echter wahrer Held, fürchterlich in der Schlacht, milde und weise nach
derselben; Du liebst den Krieg.nicht um des Krieges willen, Du nimmst ihn
nur an, als bittere, aber heilsame Arzenei, zur Vertreibung böser Krankheits¬
stosse; Du wirst mich, einen niedrigen Bürger des. Dir verfeindeten Oestreichs
nicht verachten, meine Meinung hören, überlegen und beherzigen!

Die ministerielle "Donauzeitung" verkündet der staunenden Welt, daß
Du in Person nach Antivari geeilt sei'se, um von dort aus die Südslaven


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Allein vor zwanzig Jahren wäre es in Tirol geradenwegs unmöglich gewesen,
auch nur einen Liberalen durchzusetzen, und die Männer, die jetzt gewählt wur¬
den, gehören überdies der Intelligenz des Landes an und ragen hervor durch
Unabhängigkeit des Charakters. Auch die Mittelpartei wird in vielen Fällen
mit den Liberalen stimmen. Dieser Landtag wird ein Schauspiel bieten, wie
bisher noch keiner in Tirol und jedenfalls den Eintritt Tirols in die Bahnen
deutschen Verfassungslebens bezeichnen. Ich werde seiner Zeit darüber aus¬
führlich berichten.




Stimmen aus Oestreich.

Wenn bereits in der deutschen Bewegung das Gefühl einen wenigstens
ebenso breiten Raum einnimmt, ^als der Verstand, so tritt das in Oestreich
»och viel auffallender hervor; es wird sich überall herausstellen, wo von
einem Markt des öffentlichen Lebens wenig die Rede war, und wo das po¬
litische Interesse sich nur in stillen freundschaftlichen Betrachtungen und Con-
spirationen oder im einsamen Brüten geltend machen konnte. Unsere Leser
werden uns verzeihen, wenn wir als Probe einen uns zugeschickten Brief
an, Garibcildi mittheilen; der Brief wird auf diese Weise zwar schwerlich
an seine Adresse gelangen (— es ist Schade! der tapfere General würde ihn
gewiß in ähnlichem Stil beantworten), aber man wird daraus sehen, wie
wunderlich auch bei wohlgestimmten Gemüthern die Gefühle gegen einander
ankämpfen. — Hier ist der Brief: unverändert, wie wir ihn empfangen
haben.

Es liegt die Leutseligkeit im Charakter der Helden; Du bist ein Held,
ein echter wahrer Held, fürchterlich in der Schlacht, milde und weise nach
derselben; Du liebst den Krieg.nicht um des Krieges willen, Du nimmst ihn
nur an, als bittere, aber heilsame Arzenei, zur Vertreibung böser Krankheits¬
stosse; Du wirst mich, einen niedrigen Bürger des. Dir verfeindeten Oestreichs
nicht verachten, meine Meinung hören, überlegen und beherzigen!

Die ministerielle „Donauzeitung" verkündet der staunenden Welt, daß
Du in Person nach Antivari geeilt sei'se, um von dort aus die Südslaven


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[0109] Allein vor zwanzig Jahren wäre es in Tirol geradenwegs unmöglich gewesen, auch nur einen Liberalen durchzusetzen, und die Männer, die jetzt gewählt wur¬ den, gehören überdies der Intelligenz des Landes an und ragen hervor durch Unabhängigkeit des Charakters. Auch die Mittelpartei wird in vielen Fällen mit den Liberalen stimmen. Dieser Landtag wird ein Schauspiel bieten, wie bisher noch keiner in Tirol und jedenfalls den Eintritt Tirols in die Bahnen deutschen Verfassungslebens bezeichnen. Ich werde seiner Zeit darüber aus¬ führlich berichten. Stimmen aus Oestreich. Wenn bereits in der deutschen Bewegung das Gefühl einen wenigstens ebenso breiten Raum einnimmt, ^als der Verstand, so tritt das in Oestreich »och viel auffallender hervor; es wird sich überall herausstellen, wo von einem Markt des öffentlichen Lebens wenig die Rede war, und wo das po¬ litische Interesse sich nur in stillen freundschaftlichen Betrachtungen und Con- spirationen oder im einsamen Brüten geltend machen konnte. Unsere Leser werden uns verzeihen, wenn wir als Probe einen uns zugeschickten Brief an, Garibcildi mittheilen; der Brief wird auf diese Weise zwar schwerlich an seine Adresse gelangen (— es ist Schade! der tapfere General würde ihn gewiß in ähnlichem Stil beantworten), aber man wird daraus sehen, wie wunderlich auch bei wohlgestimmten Gemüthern die Gefühle gegen einander ankämpfen. — Hier ist der Brief: unverändert, wie wir ihn empfangen haben. Es liegt die Leutseligkeit im Charakter der Helden; Du bist ein Held, ein echter wahrer Held, fürchterlich in der Schlacht, milde und weise nach derselben; Du liebst den Krieg.nicht um des Krieges willen, Du nimmst ihn nur an, als bittere, aber heilsame Arzenei, zur Vertreibung böser Krankheits¬ stosse; Du wirst mich, einen niedrigen Bürger des. Dir verfeindeten Oestreichs nicht verachten, meine Meinung hören, überlegen und beherzigen! Die ministerielle „Donauzeitung" verkündet der staunenden Welt, daß Du in Person nach Antivari geeilt sei'se, um von dort aus die Südslaven 13*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/109>, abgerufen am 28.06.2024.