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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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schrei und ernährten die Gegner zu fliehen, worauf diese glaubten, daß ihre
Genossen so gerufen hätten und die Flucht ergriffen. Auch am fränkischen
Königshofe zu Paris war bereits im 10. Jahrhundert die deutsche Sprache
vergessen und an deren Statt die inländische getreten. Wir ersehen dieses aus fol¬
gendem Factum, welches gleichfalls Richer berichtet. "Es war. so erzählt er. (im
Jahr 931) als Hugo, Herzog der Franken (von Paris) auf Einladung des
deutschen Königs Otto nach Rom gekommen war. Hier hatte es aber Otto
so veranstaltet, daß Hugo allein, nnr von dem Bischof begleitet bei ihm ein¬
geführt werden sollte, damit der Bischof, während der König lateinisch redete,
als Dolmetscher dem Herzog Alles erklären konnte.


A. Keferstein.


Tirolische Zustände.

In den Zeiten des Friedens ist von dem Ländchen in den Alpen wenig
zu sagen, sobald aber Krieg anbricht oder nur,die Gefahr desselben droht,
tritt es durch seine natürliche Lage und die strategische Bedeutung der Pässe
in den Vordergrund. Hier werden sich Deutschland und Italien stets begeg¬
nen, denn die Berge Tirols sind die Schutzwälle beider. Schon die deutschen
Kaiser hatten deswegen ein besonderes Augenmerk daraus und annectirten
Wälschtirol und Verona vorsorglich an ihr Reich, damit ihnen der Weg nach
dem Süden unbestritten bliebe. Oestreich war so glücklich, den unangefochte¬
nen Besitz zu erlangen, aber nicht verständig genug, ihn unwiderruflich zu be¬
festigen. Diese Macht hätte in Deutschland und Italien unbedingt die erste
Rolle spielen und an die Stelle der alten deutschen Kaiser, deren Gewalt
sich über beide Länder erstreckte, treten können, allein jenetz ist durch Concor-
date nicht zu erobern und dieses mit dem Corporalstocke, möge man ihn noch
so derb schwingen, nicht zu behaupten.

Aber Wälschtirol? In den Jahren 1703 und 1809 vertheidigten auch
seine Bewohner ihr Land gegen die Franzosen und kämpften muthig für Oest¬
reich, jetzt aber verlangen sie die Trennung von Deutschtirol und den Anschluß
"n Italien. Am Geburtstag Victor Emanuels loderten um Trient auf allen
Bergen die Freudenfeuer so mächtig, daß dabei ein Wald in Brand gerieth und


schrei und ernährten die Gegner zu fliehen, worauf diese glaubten, daß ihre
Genossen so gerufen hätten und die Flucht ergriffen. Auch am fränkischen
Königshofe zu Paris war bereits im 10. Jahrhundert die deutsche Sprache
vergessen und an deren Statt die inländische getreten. Wir ersehen dieses aus fol¬
gendem Factum, welches gleichfalls Richer berichtet. „Es war. so erzählt er. (im
Jahr 931) als Hugo, Herzog der Franken (von Paris) auf Einladung des
deutschen Königs Otto nach Rom gekommen war. Hier hatte es aber Otto
so veranstaltet, daß Hugo allein, nnr von dem Bischof begleitet bei ihm ein¬
geführt werden sollte, damit der Bischof, während der König lateinisch redete,
als Dolmetscher dem Herzog Alles erklären konnte.


A. Keferstein.


Tirolische Zustände.

In den Zeiten des Friedens ist von dem Ländchen in den Alpen wenig
zu sagen, sobald aber Krieg anbricht oder nur,die Gefahr desselben droht,
tritt es durch seine natürliche Lage und die strategische Bedeutung der Pässe
in den Vordergrund. Hier werden sich Deutschland und Italien stets begeg¬
nen, denn die Berge Tirols sind die Schutzwälle beider. Schon die deutschen
Kaiser hatten deswegen ein besonderes Augenmerk daraus und annectirten
Wälschtirol und Verona vorsorglich an ihr Reich, damit ihnen der Weg nach
dem Süden unbestritten bliebe. Oestreich war so glücklich, den unangefochte¬
nen Besitz zu erlangen, aber nicht verständig genug, ihn unwiderruflich zu be¬
festigen. Diese Macht hätte in Deutschland und Italien unbedingt die erste
Rolle spielen und an die Stelle der alten deutschen Kaiser, deren Gewalt
sich über beide Länder erstreckte, treten können, allein jenetz ist durch Concor-
date nicht zu erobern und dieses mit dem Corporalstocke, möge man ihn noch
so derb schwingen, nicht zu behaupten.

Aber Wälschtirol? In den Jahren 1703 und 1809 vertheidigten auch
seine Bewohner ihr Land gegen die Franzosen und kämpften muthig für Oest¬
reich, jetzt aber verlangen sie die Trennung von Deutschtirol und den Anschluß
«n Italien. Am Geburtstag Victor Emanuels loderten um Trient auf allen
Bergen die Freudenfeuer so mächtig, daß dabei ein Wald in Brand gerieth und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/105>, abgerufen am 28.06.2024.