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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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des Volkslebens sind, unter Kindern und Greisen. Die Welt wird auch in
Böhmen allmälig weniger bunt, allmälig gesetzter, nüchterner und verständiger,
und das Heidenthum, das vor dem Christenthum nicht wich, von ihm nur
einen andern Namen und eine andere Tracht und Manier erhielt, wird auch
hier, wenn gleich langsamer wie anderwärts, von der modernen Bildung in
einigen Jahrzehnten zersetzt und verflüchtigt sein.




Die Entstehung und der Bestand des Kirchenstaates.

Nach der kirchlichen Ueberlieferung soll der Apostel Petrus mit dem Apo¬
stel Paulus die Christengemeinde zu Rom gegründet haben. Petrus wäre
schou im Jahre 42 n. Ch., also lange vor Paulus, nach Rom gekommen,
dort 25 Jahre hindurch Bischof der Gemeinde gewesen und am Ende der Re¬
gierung des Kaisers Nero als Märtyrer dort gestorben. Diese Ueberlieferung findet
sich zuerst am Ende des zweiten Jahrhunderts (bei Dionys von Korinth und bei
Irenäus von Lyon), so wie sie nach katholischer Ansicht schon in 1 Petri 1, 13.
wo dann unter Babylon "Rom" verstanden sein soll, und in einem Briefe des
Clemens von Rom (der angeblich als Bischof der römischen Gemeinde im Jahre
102 starb) an die Korinther, in welchem des Petrus neben Paulus gedacht
wird, einen Anhalt findet. Allein als der Apostel Paulus nach Rom kam
(Apostelgesch. 28), war das Christenthum dort schon bekannt und eine Ge¬
meinde vorhanden, an die Paulus hatte schreiben können (Rom. 1, 7); der
Apostel Petrus aber damals in Jerusalem und Palästina, in Antiochien und
vielleicht in Kleinasien, also in ganz andern Gegenden thätig. Als Gründer
der römischen Gemeinde kann also Petrus nicht angesehen werden, und wenn
auch die Möglichkeit einer späteren Anwesenheit des Petrus in Rom mit ge¬
ringer Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, so kann sie keinenfalls
als historische Thatsache gelten. Wäre aber auch Petrus der erste Papst ge¬
wesen, so war es jedenfalls ein verheiratheter Papst; denn Matth. 8, 11
wird seine Schwiegermutter erwähnt und 1 Kor. 9, 5 schreibt Paulus: dah
der Apostel Petrus, wie andere Apostel, seine Gattin auf seinen Reisen mit
sich führe. Wenn nun auch 'die Continuität der römischen Bischofswürde von
Petrus bis zu den Päpsten, so daß ein Erbgut von jedem auf seine Nach'


des Volkslebens sind, unter Kindern und Greisen. Die Welt wird auch in
Böhmen allmälig weniger bunt, allmälig gesetzter, nüchterner und verständiger,
und das Heidenthum, das vor dem Christenthum nicht wich, von ihm nur
einen andern Namen und eine andere Tracht und Manier erhielt, wird auch
hier, wenn gleich langsamer wie anderwärts, von der modernen Bildung in
einigen Jahrzehnten zersetzt und verflüchtigt sein.




Die Entstehung und der Bestand des Kirchenstaates.

Nach der kirchlichen Ueberlieferung soll der Apostel Petrus mit dem Apo¬
stel Paulus die Christengemeinde zu Rom gegründet haben. Petrus wäre
schou im Jahre 42 n. Ch., also lange vor Paulus, nach Rom gekommen,
dort 25 Jahre hindurch Bischof der Gemeinde gewesen und am Ende der Re¬
gierung des Kaisers Nero als Märtyrer dort gestorben. Diese Ueberlieferung findet
sich zuerst am Ende des zweiten Jahrhunderts (bei Dionys von Korinth und bei
Irenäus von Lyon), so wie sie nach katholischer Ansicht schon in 1 Petri 1, 13.
wo dann unter Babylon „Rom" verstanden sein soll, und in einem Briefe des
Clemens von Rom (der angeblich als Bischof der römischen Gemeinde im Jahre
102 starb) an die Korinther, in welchem des Petrus neben Paulus gedacht
wird, einen Anhalt findet. Allein als der Apostel Paulus nach Rom kam
(Apostelgesch. 28), war das Christenthum dort schon bekannt und eine Ge¬
meinde vorhanden, an die Paulus hatte schreiben können (Rom. 1, 7); der
Apostel Petrus aber damals in Jerusalem und Palästina, in Antiochien und
vielleicht in Kleinasien, also in ganz andern Gegenden thätig. Als Gründer
der römischen Gemeinde kann also Petrus nicht angesehen werden, und wenn
auch die Möglichkeit einer späteren Anwesenheit des Petrus in Rom mit ge¬
ringer Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, so kann sie keinenfalls
als historische Thatsache gelten. Wäre aber auch Petrus der erste Papst ge¬
wesen, so war es jedenfalls ein verheiratheter Papst; denn Matth. 8, 11
wird seine Schwiegermutter erwähnt und 1 Kor. 9, 5 schreibt Paulus: dah
der Apostel Petrus, wie andere Apostel, seine Gattin auf seinen Reisen mit
sich führe. Wenn nun auch 'die Continuität der römischen Bischofswürde von
Petrus bis zu den Päpsten, so daß ein Erbgut von jedem auf seine Nach'


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[0502] des Volkslebens sind, unter Kindern und Greisen. Die Welt wird auch in Böhmen allmälig weniger bunt, allmälig gesetzter, nüchterner und verständiger, und das Heidenthum, das vor dem Christenthum nicht wich, von ihm nur einen andern Namen und eine andere Tracht und Manier erhielt, wird auch hier, wenn gleich langsamer wie anderwärts, von der modernen Bildung in einigen Jahrzehnten zersetzt und verflüchtigt sein. Die Entstehung und der Bestand des Kirchenstaates. Nach der kirchlichen Ueberlieferung soll der Apostel Petrus mit dem Apo¬ stel Paulus die Christengemeinde zu Rom gegründet haben. Petrus wäre schou im Jahre 42 n. Ch., also lange vor Paulus, nach Rom gekommen, dort 25 Jahre hindurch Bischof der Gemeinde gewesen und am Ende der Re¬ gierung des Kaisers Nero als Märtyrer dort gestorben. Diese Ueberlieferung findet sich zuerst am Ende des zweiten Jahrhunderts (bei Dionys von Korinth und bei Irenäus von Lyon), so wie sie nach katholischer Ansicht schon in 1 Petri 1, 13. wo dann unter Babylon „Rom" verstanden sein soll, und in einem Briefe des Clemens von Rom (der angeblich als Bischof der römischen Gemeinde im Jahre 102 starb) an die Korinther, in welchem des Petrus neben Paulus gedacht wird, einen Anhalt findet. Allein als der Apostel Paulus nach Rom kam (Apostelgesch. 28), war das Christenthum dort schon bekannt und eine Ge¬ meinde vorhanden, an die Paulus hatte schreiben können (Rom. 1, 7); der Apostel Petrus aber damals in Jerusalem und Palästina, in Antiochien und vielleicht in Kleinasien, also in ganz andern Gegenden thätig. Als Gründer der römischen Gemeinde kann also Petrus nicht angesehen werden, und wenn auch die Möglichkeit einer späteren Anwesenheit des Petrus in Rom mit ge¬ ringer Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, so kann sie keinenfalls als historische Thatsache gelten. Wäre aber auch Petrus der erste Papst ge¬ wesen, so war es jedenfalls ein verheiratheter Papst; denn Matth. 8, 11 wird seine Schwiegermutter erwähnt und 1 Kor. 9, 5 schreibt Paulus: dah der Apostel Petrus, wie andere Apostel, seine Gattin auf seinen Reisen mit sich führe. Wenn nun auch 'die Continuität der römischen Bischofswürde von Petrus bis zu den Päpsten, so daß ein Erbgut von jedem auf seine Nach'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/502>, abgerufen am 24.08.2024.