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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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Im hohen Grade interessant sind die ausführlichen Mittheilungen der
"Vavaria" über die Gebräuche, welche sich unter dem altbayerischen Land¬
volk an Verheirathungen. Taufen und Todesfälle knüpfen. Wie überall un¬
ter Bauern sind die Heirathen auch hier in der Regel nicht Herzens- sondern
Geschäftssache, und zwar eine solche, die wie ein Proceß oder, wenn man
will, wie ein Drama, verschiedene vom Herkommen genau vorgeschriebene
Stadien zu durchlaufen hat. Der Ehekandidat wendet sich an einen "Heiraths-
macher". etwa mit den einfachen Worten: "Dreitausend Gulden brauch' ich
-- weiht Du mir Keine?" Hat der Gefragte eine Person wie gewünscht auf¬
gefunden, so erscheint er eines Tages mit dem Vater derselben im Hause des
Suchenden, um "die B'schau" zu halten, d. h. sich durch gründliche Besichtig¬
ung von Haus, Scheune und Stall ein Urtheil über die Vermögensumstände
des Bewerbers zu bilden. Ist man damit zufrieden, so beginnen unter
Beistand von Verwandten die Verhandlungen über die Geld- und Ausstattungs-
frage. Ist auch diese erledigt, so geht der Freier zum "Richtigmachen" in
das Haus seiner Zukünftigen und zahlt ihr ein Drangcld, welches "Arrha"
heißt und in einigen Thalern besteht, wogegen das Mädchen ihm einen Eier¬
kuchen, den sogenannten "Jaschmarren" vorsetzt, den beide zum Zeichen künf¬
tiger Tischgemeinschaft zusammen verzehren.

Nun verwandelt sich der Heirathsmacher, der überall aus der Vermittlung
von Ehen ein festes Gewerbe macht und für seine Bemühungen entweder mit
Geld oder Naturalgeschenken entschädigt wird, in einen "Hochzeitslader".
Einen Rosmarinzweig am Hut. ein rothes Band im Knopfloch, ein langes
spanisches Rohr in der Hand, wenn die Parteien wohlhabend sind, auf bän¬
dergeschmücktem Gaul, sonst bescheiden zu Fuße, zieht er aus. um die Ver¬
wandten und Freunde zum Trauungsfest zu bitten. In manchen Gauen ist
er bei dieser Fahrt von einem Bruder oder Vetter des Bräutigams, dem
"Kranzlhcrrn", und einem Verwandten der Braut, dem "Hundewehrer" oder
"Hennenklemmer" begleitet, welcher letztere stets einen am Griff mit rothen
und blauen Bändern umwundenen Säbel an der Seite hat und bei der Hoch¬
zeit den Hanswurst spielt. Sein Name kommt davon, daß er in jedem Ge-
Höft, wo man vorspricht, eine Henne zu stehlen sucht, welche von den drei
Reisegefährten bei passender Gelegenheit verspeist wird.


Grenzboten IV. 1860. 3?
Bilder aus Altbayern.
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Im hohen Grade interessant sind die ausführlichen Mittheilungen der
„Vavaria" über die Gebräuche, welche sich unter dem altbayerischen Land¬
volk an Verheirathungen. Taufen und Todesfälle knüpfen. Wie überall un¬
ter Bauern sind die Heirathen auch hier in der Regel nicht Herzens- sondern
Geschäftssache, und zwar eine solche, die wie ein Proceß oder, wenn man
will, wie ein Drama, verschiedene vom Herkommen genau vorgeschriebene
Stadien zu durchlaufen hat. Der Ehekandidat wendet sich an einen „Heiraths-
macher". etwa mit den einfachen Worten: „Dreitausend Gulden brauch' ich
— weiht Du mir Keine?" Hat der Gefragte eine Person wie gewünscht auf¬
gefunden, so erscheint er eines Tages mit dem Vater derselben im Hause des
Suchenden, um „die B'schau" zu halten, d. h. sich durch gründliche Besichtig¬
ung von Haus, Scheune und Stall ein Urtheil über die Vermögensumstände
des Bewerbers zu bilden. Ist man damit zufrieden, so beginnen unter
Beistand von Verwandten die Verhandlungen über die Geld- und Ausstattungs-
frage. Ist auch diese erledigt, so geht der Freier zum „Richtigmachen" in
das Haus seiner Zukünftigen und zahlt ihr ein Drangcld, welches „Arrha"
heißt und in einigen Thalern besteht, wogegen das Mädchen ihm einen Eier¬
kuchen, den sogenannten „Jaschmarren" vorsetzt, den beide zum Zeichen künf¬
tiger Tischgemeinschaft zusammen verzehren.

Nun verwandelt sich der Heirathsmacher, der überall aus der Vermittlung
von Ehen ein festes Gewerbe macht und für seine Bemühungen entweder mit
Geld oder Naturalgeschenken entschädigt wird, in einen „Hochzeitslader".
Einen Rosmarinzweig am Hut. ein rothes Band im Knopfloch, ein langes
spanisches Rohr in der Hand, wenn die Parteien wohlhabend sind, auf bän¬
dergeschmücktem Gaul, sonst bescheiden zu Fuße, zieht er aus. um die Ver¬
wandten und Freunde zum Trauungsfest zu bitten. In manchen Gauen ist
er bei dieser Fahrt von einem Bruder oder Vetter des Bräutigams, dem
„Kranzlhcrrn", und einem Verwandten der Braut, dem „Hundewehrer" oder
„Hennenklemmer" begleitet, welcher letztere stets einen am Griff mit rothen
und blauen Bändern umwundenen Säbel an der Seite hat und bei der Hoch¬
zeit den Hanswurst spielt. Sein Name kommt davon, daß er in jedem Ge-
Höft, wo man vorspricht, eine Henne zu stehlen sucht, welche von den drei
Reisegefährten bei passender Gelegenheit verspeist wird.


Grenzboten IV. 1860. 3?
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[0269] Bilder aus Altbayern. M^^tot Im hohen Grade interessant sind die ausführlichen Mittheilungen der „Vavaria" über die Gebräuche, welche sich unter dem altbayerischen Land¬ volk an Verheirathungen. Taufen und Todesfälle knüpfen. Wie überall un¬ ter Bauern sind die Heirathen auch hier in der Regel nicht Herzens- sondern Geschäftssache, und zwar eine solche, die wie ein Proceß oder, wenn man will, wie ein Drama, verschiedene vom Herkommen genau vorgeschriebene Stadien zu durchlaufen hat. Der Ehekandidat wendet sich an einen „Heiraths- macher". etwa mit den einfachen Worten: „Dreitausend Gulden brauch' ich — weiht Du mir Keine?" Hat der Gefragte eine Person wie gewünscht auf¬ gefunden, so erscheint er eines Tages mit dem Vater derselben im Hause des Suchenden, um „die B'schau" zu halten, d. h. sich durch gründliche Besichtig¬ ung von Haus, Scheune und Stall ein Urtheil über die Vermögensumstände des Bewerbers zu bilden. Ist man damit zufrieden, so beginnen unter Beistand von Verwandten die Verhandlungen über die Geld- und Ausstattungs- frage. Ist auch diese erledigt, so geht der Freier zum „Richtigmachen" in das Haus seiner Zukünftigen und zahlt ihr ein Drangcld, welches „Arrha" heißt und in einigen Thalern besteht, wogegen das Mädchen ihm einen Eier¬ kuchen, den sogenannten „Jaschmarren" vorsetzt, den beide zum Zeichen künf¬ tiger Tischgemeinschaft zusammen verzehren. Nun verwandelt sich der Heirathsmacher, der überall aus der Vermittlung von Ehen ein festes Gewerbe macht und für seine Bemühungen entweder mit Geld oder Naturalgeschenken entschädigt wird, in einen „Hochzeitslader". Einen Rosmarinzweig am Hut. ein rothes Band im Knopfloch, ein langes spanisches Rohr in der Hand, wenn die Parteien wohlhabend sind, auf bän¬ dergeschmücktem Gaul, sonst bescheiden zu Fuße, zieht er aus. um die Ver¬ wandten und Freunde zum Trauungsfest zu bitten. In manchen Gauen ist er bei dieser Fahrt von einem Bruder oder Vetter des Bräutigams, dem „Kranzlhcrrn", und einem Verwandten der Braut, dem „Hundewehrer" oder „Hennenklemmer" begleitet, welcher letztere stets einen am Griff mit rothen und blauen Bändern umwundenen Säbel an der Seite hat und bei der Hoch¬ zeit den Hanswurst spielt. Sein Name kommt davon, daß er in jedem Ge- Höft, wo man vorspricht, eine Henne zu stehlen sucht, welche von den drei Reisegefährten bei passender Gelegenheit verspeist wird. Grenzboten IV. 1860. 3?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/269>, abgerufen am 15.01.2025.