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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band.

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Die Zukunft Preußens.

Die Berichte der Aerzte über die Krankheit des Königs haben im Lande
ernste Stimmung hervorgerufen, welche in Preußen auf allen Kreisen der
Bevölkerung liegt, wenn das Schicksal seine dunkle Hand gegen das Haupt
Landesherrn erhebt. Denn im Staat der Hohenzollern hat das Ver¬
hältniß zwischen Fürsten und Volk viel Persönliches und Patriarchalisches in
L>eb,e und Widerspruch. Fast in allen Landschaften lebt die Empfindung, daß
^ kaum eine politische Existenz hatten, bevor die kriegerischen Herren der
^an'k sie ^ Theilen Preußens machten, und die Regenten fühlen sich ihrem
Volk durch eine lange Reihe von Siegen, Leidenstagen und durch das edle
Gefühl verbunden, daß sie selbst groß wurden, weil sie ihren Bürgern das
Gefühl von Größe, Kraft, Opferfreudigkeit, ein staatliches Bewußtsein gaben,
^urch achtzehn verhnngnißvolle Jahre hat der Fürst, dessen Leben in diesen
^gen bedroht war, die Krone getragen, welche der erste Friedrich in prvphe-
^!eben Ahnen auf das Haupt setzte, und diese achtzehn Jahre werden sicher
°'use in der Geschichte Preußens zu den folgenreichsten zählen. Daß der Staat
durch Friedrich Wilhelm den Vierten, wenn auch nicht ohne Verwirrung und
NMern Zwiespalt eine Verfassung und mit ihr die Garantie gesunder Ent¬
wicklung erhielt, das wird sein Volk nie vergessen. Mit tiefer Sorge hörte
^ den letzten Jahren der Preuße von dem unheimlichen Leiden, welches die
^cele eines geistvollen Fürsten verdüsterte. Und jede politische Partei empfand
damals, wie sehr in Preußen die Seele des Regierenden auch Seele des
Staates ist.

Jahre lang waren Regierung und Volk wie gelähmt gewesen, angstvolle
Sorge um den Staat, peinliche Unsicherheit, lag damals überall auf dem
Lande. Da trat der Prinzregent an die Spitze der Geschäfte, ruhig, maßvoll
und doch mit sehr festen Ueberzeugungen. Ein Jahr ist seitdem vergangen,
^ne Zeit des Friedens und froher Ereignisse, und doch ist die Gestalt des
Minzen in immer kräftigeren Umrissen hervorgetreten; auf seine Person, an
welche sich sehnsüchtige, aber unbestimmte Hoffnungen knüpften, blickt jetzt ver-
^auensvoll eine ungeheure Majorität in Preußen, ein großer Theil der Deut¬
schen. Alle haox" Gutes von ihm erwartet, er hat aller Hoffnungen über¬
essen.

Bessere Rücksicht, als die äußere auf das Preßgesetz, legt dem Schrift-
^er von Selbstgefühl die Verpflichtung auf, von der Persönlichkeit lebender
Souveräne mit achtungsvoller Zurückhaltung zu sprechen. Da aber ein nam¬
hafter Schriftsteller in der letzten Nummer der Grenzboten über Charakter und


Grenzboten III. 1Sö9. 40
Die Zukunft Preußens.

Die Berichte der Aerzte über die Krankheit des Königs haben im Lande
ernste Stimmung hervorgerufen, welche in Preußen auf allen Kreisen der
Bevölkerung liegt, wenn das Schicksal seine dunkle Hand gegen das Haupt
Landesherrn erhebt. Denn im Staat der Hohenzollern hat das Ver¬
hältniß zwischen Fürsten und Volk viel Persönliches und Patriarchalisches in
L>eb,e und Widerspruch. Fast in allen Landschaften lebt die Empfindung, daß
^ kaum eine politische Existenz hatten, bevor die kriegerischen Herren der
^an'k sie ^ Theilen Preußens machten, und die Regenten fühlen sich ihrem
Volk durch eine lange Reihe von Siegen, Leidenstagen und durch das edle
Gefühl verbunden, daß sie selbst groß wurden, weil sie ihren Bürgern das
Gefühl von Größe, Kraft, Opferfreudigkeit, ein staatliches Bewußtsein gaben,
^urch achtzehn verhnngnißvolle Jahre hat der Fürst, dessen Leben in diesen
^gen bedroht war, die Krone getragen, welche der erste Friedrich in prvphe-
^!eben Ahnen auf das Haupt setzte, und diese achtzehn Jahre werden sicher
°'use in der Geschichte Preußens zu den folgenreichsten zählen. Daß der Staat
durch Friedrich Wilhelm den Vierten, wenn auch nicht ohne Verwirrung und
NMern Zwiespalt eine Verfassung und mit ihr die Garantie gesunder Ent¬
wicklung erhielt, das wird sein Volk nie vergessen. Mit tiefer Sorge hörte
^ den letzten Jahren der Preuße von dem unheimlichen Leiden, welches die
^cele eines geistvollen Fürsten verdüsterte. Und jede politische Partei empfand
damals, wie sehr in Preußen die Seele des Regierenden auch Seele des
Staates ist.

Jahre lang waren Regierung und Volk wie gelähmt gewesen, angstvolle
Sorge um den Staat, peinliche Unsicherheit, lag damals überall auf dem
Lande. Da trat der Prinzregent an die Spitze der Geschäfte, ruhig, maßvoll
und doch mit sehr festen Ueberzeugungen. Ein Jahr ist seitdem vergangen,
^ne Zeit des Friedens und froher Ereignisse, und doch ist die Gestalt des
Minzen in immer kräftigeren Umrissen hervorgetreten; auf seine Person, an
welche sich sehnsüchtige, aber unbestimmte Hoffnungen knüpften, blickt jetzt ver-
^auensvoll eine ungeheure Majorität in Preußen, ein großer Theil der Deut¬
schen. Alle haox„ Gutes von ihm erwartet, er hat aller Hoffnungen über¬
essen.

Bessere Rücksicht, als die äußere auf das Preßgesetz, legt dem Schrift-
^er von Selbstgefühl die Verpflichtung auf, von der Persönlichkeit lebender
Souveräne mit achtungsvoller Zurückhaltung zu sprechen. Da aber ein nam¬
hafter Schriftsteller in der letzten Nummer der Grenzboten über Charakter und


Grenzboten III. 1Sö9. 40
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[0327] Die Zukunft Preußens. Die Berichte der Aerzte über die Krankheit des Königs haben im Lande ernste Stimmung hervorgerufen, welche in Preußen auf allen Kreisen der Bevölkerung liegt, wenn das Schicksal seine dunkle Hand gegen das Haupt Landesherrn erhebt. Denn im Staat der Hohenzollern hat das Ver¬ hältniß zwischen Fürsten und Volk viel Persönliches und Patriarchalisches in L>eb,e und Widerspruch. Fast in allen Landschaften lebt die Empfindung, daß ^ kaum eine politische Existenz hatten, bevor die kriegerischen Herren der ^an'k sie ^ Theilen Preußens machten, und die Regenten fühlen sich ihrem Volk durch eine lange Reihe von Siegen, Leidenstagen und durch das edle Gefühl verbunden, daß sie selbst groß wurden, weil sie ihren Bürgern das Gefühl von Größe, Kraft, Opferfreudigkeit, ein staatliches Bewußtsein gaben, ^urch achtzehn verhnngnißvolle Jahre hat der Fürst, dessen Leben in diesen ^gen bedroht war, die Krone getragen, welche der erste Friedrich in prvphe- ^!eben Ahnen auf das Haupt setzte, und diese achtzehn Jahre werden sicher °'use in der Geschichte Preußens zu den folgenreichsten zählen. Daß der Staat durch Friedrich Wilhelm den Vierten, wenn auch nicht ohne Verwirrung und NMern Zwiespalt eine Verfassung und mit ihr die Garantie gesunder Ent¬ wicklung erhielt, das wird sein Volk nie vergessen. Mit tiefer Sorge hörte ^ den letzten Jahren der Preuße von dem unheimlichen Leiden, welches die ^cele eines geistvollen Fürsten verdüsterte. Und jede politische Partei empfand damals, wie sehr in Preußen die Seele des Regierenden auch Seele des Staates ist. Jahre lang waren Regierung und Volk wie gelähmt gewesen, angstvolle Sorge um den Staat, peinliche Unsicherheit, lag damals überall auf dem Lande. Da trat der Prinzregent an die Spitze der Geschäfte, ruhig, maßvoll und doch mit sehr festen Ueberzeugungen. Ein Jahr ist seitdem vergangen, ^ne Zeit des Friedens und froher Ereignisse, und doch ist die Gestalt des Minzen in immer kräftigeren Umrissen hervorgetreten; auf seine Person, an welche sich sehnsüchtige, aber unbestimmte Hoffnungen knüpften, blickt jetzt ver- ^auensvoll eine ungeheure Majorität in Preußen, ein großer Theil der Deut¬ schen. Alle haox„ Gutes von ihm erwartet, er hat aller Hoffnungen über¬ essen. Bessere Rücksicht, als die äußere auf das Preßgesetz, legt dem Schrift- ^er von Selbstgefühl die Verpflichtung auf, von der Persönlichkeit lebender Souveräne mit achtungsvoller Zurückhaltung zu sprechen. Da aber ein nam¬ hafter Schriftsteller in der letzten Nummer der Grenzboten über Charakter und Grenzboten III. 1Sö9. 40

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107585/327>, abgerufen am 27.12.2024.